Wittgenstein-Haus in Wien/A
Türgriff der klassischen Moderne
Wie viel zu viele Häuser der klassischen Moderne ging auch das sogenannte Wittgenstein-Haus fast verloren im Konflikt zwischen Erbstreitigkeiten, Grundstücksspekulation und behördlicher Ignoranz. Dabei ist es eine Legende im doppelten Sinn: Zum einen hat es der Philosoph Ludwig Wittgenstein gestaltet und gebaut, und zum anderen ist es das Haus mit dem wahrscheinlich berühmtesten Türgriff der Welt, nämlich dem von Wittenstein selbst entworfenen Wittgenstein-Beschlag.
Gallerie
Nach den üblichen Gepflogenheiten müsste das Haus eigentlich nach der Bauherrin, der Schwester des Philosophen, Haus Stonborough heißen. Sie beauftragte 1925 den Architekten Paul Engelmann mit der Planung eines Wohnhauses, doch schon wenig später wurde Wittgenstein auf eigenen Wunsch am Entwurf beteiligt und führte das Bauvorhaben schließlich zu Ende.
Das Haus selbst ist ein karg anmutender weißer Kubus mit hohen
schlanken Fenstertüren, durchgängig perfektionistisch
proportioniert und detailliert. Zweiflügelige Doppel-Türen mit
Glasflügeln aus schmalen Metallprofilen und schmucklosen
vollflächigen Metallklappen schaffen variantenreiche Verbindungen
innerhalb der Raumkomposition und zum Außenbereich, im
geschlossenen Zustand wirken sie dagegen regelrecht
zusammengefaltet und undurchdringlich.
Beschläge
Ludwig Wittgenstein entwickelte für dieses Haus seinen berühmten
Türdrücker, der heute noch erhältlich ist, komplettierbar mit
Fenstergriffen, Türpuffern, Rosetten und Schildern.
Ein Zitat des Initiator zur Rettung des Hauses, Bernhard Leitner,
der auch eine Dokumentation über das Haus geschrieben hat (siehe
Zum Thema): „Einer der verblüffendsten Aspekte von Wittgensteins
baukünstlerischer Arbeit ist die Ästhetik der Schwerelosigkeit. Er
wählt das Material Metall, um Schärfe, Genauigkeit und Präzision zu
erreichen, versteht es aber, durch seine genaue Kenntnis der
Mechanik, der Gesetze von Energie, von Kraftübertragung und Reibung
das Gewicht von Metall aufzulösen. Die schwerelose Bewegung von
schweren Metall-Türen und Metall-Kurtinen lässt sich nicht
abbilden: Sie offenbart sich nur im Gebrauch, in der Bewegung.“
Das Haus dient heute als Kulturinstitut der bulgarischen Botschaft
und hat damit das seltene Glück, eine adäquate Nutzung gefunden zu
haben.
Bautafel
Architekten: Ludwig Wittgenstein, Paul Engelmann
Bauherrin: Margarethe Stonborough
Fertigstellung: 1925
Standort: Kundmanngasse 19, 3. Bezirk, Wien, Österreich
Bildnachweis: Das Wittgenstein Haus und Tecnoline, Bremen
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