St. Canisius-Kirche in Berlin

Sichtbetonbau mit Innendämmung aus Schaumglas

Seit ihrer Gründung Anfang der 1920er-Jahre hat die Berliner St. Canisius Gemeinde bereits zwei Kirchenhäuser verloren: Das erste fiel Fliegerbomben im Zweiten Weltkrieg zum Opfer, sein Nachfolger, ein 1955 nach Plänen des Architekten Reinhard Hofbauer errichtetes Bauwerk mit weit gespannten Parabelbögen, brannte im April 1995 vollständig nieder. Sieben Jahre später feierte die katholische Gemeinde die Einweihung ihres heutigen Gotteshauses. Den hellen Sichtbetonbau der neuen St. Canisius-Kirche entwarfen die Berliner Architekten Büttner, Neumann, Braun.

Gallerie

Sie rückten den Sakralbau von der benachbarten Blockrandbebauung ab und richteten seine Front nach Nordwesten zum gegenüberliegenden Lietzensee aus. Durch das Zurücksetzen erscheint das Gebäude sehr viel imposanter, als seine Höhe von nicht einmal zwanzig Metern erwarten lässt. Gleichzeitig entstand so ein Kirchvorplatz, an dessen straßenseitigem Rand die Architekten einen schlanken Glockenturm aus Sichtbeton platzierten. Er ist 32 Meter hoch und im oberen Teil mit Lärchenholz verkleidet.

Die Kirche selbst ist 44 Meter breit, 27 Meter tief und setzt sich aus zwei quaderförmigen Baukörpern zusammen: Der nördliche zeigt sich nahezu vollständig geschlossen und nimmt sämtliche Kirchenräume auf, der südliche bildet lediglich eine Art Rahmen. Er liegt etwas erhöht und ist nur zu besonderen Anlässen über einen seitlichen Eingang vom Kircheninneren aus zugänglich. Die Schnittstelle zwischen beiden Baukörpern markiert eine lärchenholzverkleidete Fuge. Aus dem gleichen Holz sind die links anschließenden, elf Meter hohen Flügeltüren gefertigt, ebenso die Fassade der 30 Quadratmeter großen Marienkapelle, die aus dem eigentlichen Kirchenbau in den umrahmten, zweiseitig offenen Außenraum hineinragt.

Die Sichtbetonaußenwände sind hell, glatt und gleichmäßig in der Farbe. Eine Besonderheit sind die kreuzförmigen Vertiefungen um die regelmäßig angeordneten Ankerkonen der Schalung. Teilweise mit Metallplättchen überdeckt, überziehen die kleinen Kreuze die Fassaden in einer gleichmäßigen Abfolge und sorgen für eine zweifelsfreie Zuordnung des Gebäudes als Kirche. Die Idee dazu stammt von der New Yorker Künstlerin Joan Walthemath.

Sichtbare Öffnungen sind ausschließlich in die kurzen Seitenwände eingeschnitten. Die südliche Wand des Rahmenbaukörpers ist zweischalig ausgebildet und mit unregelmäßigen Schlitzen versehen, die auf der Innenseite als liegende, auf der Außenseite als stehende Einschnitte in Erscheinung treten (siehe Abb. 7). Schmale Fenster in der nördlichen Fassade des eigentlichen Kirchenbaukörpers lassen Licht in die dahinter liegenden Räume, die sich über vier Geschosse erstrecken. Ebenerdig liegen die Sakristei, das Beichtzimmer und ein Gruppenraum für Kinder, im ersten Obergeschoss gibt es Lagerräume sowie Toiletten und Garderoben; in der Etage darüber zwei große Räume für die Gemeindearbeit. Im dritten Stockwerk befinden sich ein Stuhllager und die Haustechnik, im Geschoss darüber geht es über eine kleine Treppe auf die Dachterrasse. Die Hauptfläche des Daches ist als extensives Gründach ausgebildet.

Der im ersten Moment überraschend helle Kirchensaal wird von der Nordwestseite erschlossen. Links vom Eingang ist ein halbkreisförmiger Bereich mit niedriger Decke, in die ein rundes Oberlicht eingeschnitten ist. Auf der gegenüberliegenden Seite verdeckt eine Wandscheibe ein raumhohes, transluzentes Glasfenster, über das indirektes Licht hereinfällt. Dazwischen erhebt sich der 16 Meter hohe Hauptraum der Kirche. Seine Südfassade ist mit einer 15 Meter langen und 6 Meter hohen Glasfront ausgestattet, die den Blick zum „umrahmten Außenraum“ freigibt. Einzelne Leuchten setzen dezente Akzente.

Bauphysik
Neben der unerwarteten Helligkeit wartet der Kirchensaal mit einer guten Akustik und einem angenehmen Raumklima auf. Aufgrund der hohen Anforderungen an die Sichtbetonqualität entschieden sich die Planer für eine Innendämmung aus Schaumglas. Sie ist aus energetischer Sicht vor allem in sporadisch genutzten Räumen sinnvoll: Diese lassen sich sehr schnell aufheizen, da die massiven Außenwände nicht mit erwärmt werden müssen. Die Beachtung bauphysikalischer Vorgänge bei Planung und Ausführung einer innen liegenden Dämmung war/ist jedoch unerlässlich. In der St. Canisius-Kirche hat man scheinbar alles richtig gemacht – auch 13 Jahre nach ihrer Einweihung sind keinerlei Schäden zu verzeichnen. Bei unsachgemäßer Ausführung wäre es zu Tauwasserbildung im Wandquerschnitt und in der Folge zu Schimmelbildung gekommen. Auch Wärmebrücken ließen sich durch die sorgfältig gedämmten Einmündungsbereiche zwischen Decke und Außenwand reduzieren.

Trotz der dampfdiffusionsdichten Stahlbetonkonstruktion konnte auf eine Dampfsperre verzichtet werden, da die Dämmung aus Schaumglas ebenfalls dampfdiffusionsdicht ist. Auf diese Weise ist die Wasserdampfdiffusion von innen nach außen unterbrochen. Rund 5.000 Quadratmeter Schaumglasdämmplatten wurden in Dicken von 60 bis 80 Millimeter unmittelbar auf den Betonwänden verklebt und anschließend teilweise mit Akustikputz versehen. Die gute Raumakustik kommt erst seit 2014 so richtig zum Tragen, seit die Gemeinde ihre große Orgel hat.

Bautafel

Architekt: Büttner, Neumann, Braun, Berlin
Projektbeteiligte: GSE Ingenieurgesellschaft, Berlin (Tragwerksplanung); Eins bis Neun Bauplanungsgesellschaft, Berlin (Bauleitung); Heimann, Berlin (TGA); HIB Hoch- und Ingenieurgesellschaft, Brandenburg (Erweiterter Rohbau); Kardorff Ingenieure, Berlin (Lichtplanung); Müller BBM, Berlin (Akustik); Axel C. Rahn, Berlin (Bauphysikalische Beratung); Foamglas, Hilden (Schaumglasdämmung); Joan Walthemath, New York (Kunst am Bau)
Bauherr:
Katholische Kirchengemeinde St. Canisius, Berlin
Fertigstellung: 2002
Standort: Witzlebenstraße 27-29, 14057 Berlin-Charlottenburg
Bildnachweis: Yvonne Kavermann, Berlin und Kirchengemeinde St. Canisius

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