Primarschule Seefeld in Thun
Modularer, temporärer Holzbau nach Lowtech-Prinzipien
Zeitgenössische Schulbauten spiegeln meist die Erwartungshaltung wider, die heute für Lern- und Lehreinrichtungen gelten: digitalisiert, flexibel und multifunktional, mit offenen Raumstrukturen, Werk- und Projekträumen, die nach Möglichkeit auch anderen Nutzergruppen nach Schulschluss zur Verfügung stehen – sofern nicht Ganztagsunterricht mit einer Vielzahl nachmittäglicher AGs dazu gehört. Dass kleine, dörfliche Bildungseinrichtungen – die einfach „nur Schule” sind – ihre Daseinsberechtigung und ihren Stellenwert haben, zeigt der Neubau der Primarschule im Thuner Stadtteil Seefeld in der Schweiz.
Gallerie
Bei diesem Projekt bestand die Herausforderung für die ortsansässigen Architekten Lanzrein + Partner, in kürzester Zeit ein Schulraumprovisorium für drei Grundschulklassen zu realisieren. Gerade einmal 13 Monate vergingen von den ersten Skizzen bis zur Einweihung der Dorfschule. Früh war klar, dass sich die geforderte Zeitschiene nur durch ein hohes Maß industrieller Vorfertigung bewerkstelligen ließe. Die Architekten verglichen deshalb verschiedene Modulbausysteme; letztendlich zogen sie die Zusammenarbeit mit einem lokalen Zimmereibetrieb einer Lösung mit Stahlcontainern vor. Entstanden ist ein einfacher, flexibel nutzbarer Holzbau mit industrieller Anmutung und einer zugleich warmen und kreativen Atelierstimmung.
Eingangshalle als Herzstück des temporären Schulhauses
Nach Süden orientiert, bildet die neue Schule mit dem benachbarten Kindergarten aus Stahlcontainern eine Hofsituation und städtebaulich eine Einheit. Die zentral platzierte, zweigeschossige verglaste Eingangshalle bildet das Zentrum der Primarschule. Der Eingangsbereich ist Garderobe und Pausenhalle bei schlechtem Wetter, er dient als Erschließungszone für die über zwei Etagen organisierten Klassenräume und die Schulleitung, das Lehrerzimmer sowie Nebenräume. Die industrielle Bauweise wie auch die Tatsache, dass die Schule lediglich für eine temporäre Nutzung von 15 Jahren konzipiert ist, zeigt sich an den verwendeten Materialien: Sie blieben zum Großteil unbehandelt, Wände und Decken sind geprägt von Mehrschichtholz- und zementgebundenen Spanplatten. In den Klassenzimmern harmoniert ein dunkelrot-brauner Linoleumboden mit rohen Holzoberflächen.
Bauphysikalische Aspekte: Thermische Pufferzone, spezifische Materialwahl und Nachtauskühlung
Auch wenn es sich um einen temporären Neubau handelt (das Gebäude ist demontierbar und kann an anderer Stelle für eine künftige Nutzung wieder errichtet werden), spielen bauphysikalische Aspekte wie insbesondere Schall- und sommerlicher Wärmeschutz eine große Rolle. Im Vergleich zu anderen, vielfach publizierten Schulneubauten ist der Ansatz hier jedoch eher lowtech. Wohl sind Außenwände, Dach und Fenster hochwärmegedämmt bzw. -isoliert, hinsichtlich Schall- und sommerlichem Wärmeschutz entschied man sich für einfache, aber wirkungsvolle Lösungen.
Die zweigeschossige und zweiseitig belichtete Eingangshalle in der Mitte des Schulhauses bildet eine thermische Pufferzone. Das Vordach über dem südseitigen Eingang spendet im Sommer Schatten, während die flache Wintersonne tief in den Raum scheint und das Gebäude erwärmen kann. Materialien wurden gezielt auf Grundlage ihrer bauphysikalischen Eigenschaften ausgewählt und kombiniert. Beispiel Schallschutz: Die Wände der Eingangshalle sind mit 18 mm starken, zementgebundenen Spanplatten verkleidet, welche Wärme/Kälte besser als Holz speichern. Zugleich mindern sie – aufgrund ihres unterschiedlichen spezifischen Gewichts im Vergleich zu den klassenzimmerseitigen, 27 mm starken Dreischichtplatten und der Zwischendämmung mit 120 mm Glaswolle – die Schallübertragung von der Eingangshalle zu den Klassenräumen.
Bei der Beheizung des Gebäudes wurde ebenfalls auf aufwendige
und teure Lösungen verzichtet: Sie erfolgt mittels einer Wärmepumpe
und Radiatoren unter den Fenstersitznischen, wobei auf eine
kontrollierte Lüftung verzichtet wurde. Automatisierte
Lüftungsflügel ermöglichen im Sommer eine Querlüftung zur
Nachtauskühlung.
Bautafel
Architekten: Lanzrein+Partner Architekten, Thun
Projektbeteiligte: Theiler Ingenieure, Thun (Bauingenieur); Indermühle Bauingenieure, Thun (Holzbauplanung); Brunner + Imboden, Thun (Elektroplanung); Steiner, Thun (HLS-Planung); Weber Energie und Bauphysik, Bern (Bauphysik); Gfeller Holzbau, Worb (Generalunternehmer/Holzbau)
Bauherr: Amt für Stadtliegenschaften der Einwohnergemeinde Thun
Fertigstellung: 2018
Standort: Schubertstrasse 10a, Thun, Schweiz
Bildnachweis: Roland Trachsel Fotografie, Steffisburg