Future Art Lab in Wien
Raum-in-Raum-Konzept mit präziser Akustikplanung
Die Stadt Wien mit ihrer langen musikalischen Tradition verfügt über die weltweit größte Universität für Musik. In zentraler innerstädtischer Lage unweit des Stadtparks bilden die überwiegend historischen Hochschulgebäude einen grünen Campus inmitten eines Biedermeier-Quartiers. Das Gelände mit einem kleinen Park und wunderbar altem Baumbestand zu vervollständigen, wurde Pichler & Traupmann Architekten übertragen. Als Baugrund stand der Blockrand im Süden des Campus’ auf dessen Schmalseite zur Verfügung. Das neue Haus beherbergt drei große Einrichtungen mit sehr speziellen Raumbedürfnissen: das Institut für Elektroakustik und Komposition, die Filmakademie sowie das Institut für Tasteninstrumente.
Gallerie
Weder besonders dominant noch allzu zurückhaltend sollte der Neubau auf den Bestand reagieren. So fügt sich das Gebäude eher wie ein Pavillon in die Nachbarschaft, mit einer zur Campusmitte gerichteten Geste der Öffnung. Auf vier Geschossen bietet es Lernenden und Lehrenden optimale Bedingungen durch eine moderne bauliche und technische Infrastruktur.
Schimmernde Aluminiumfassade
Von insgesamt fast 30 Metern Höhe sind zwölf Meter unterirdisch angeordnet. Über einen Innenhof werden die Tonregieräume mit Tageslicht versorgt. Prägnant ist die schimmernde Fassade aus Aluminiumverbundplatten, die im Inneren durch Sichtbeton kontrastiert ist. Zwei großzügige Außenterrassen stellen eine Verbindung zum neuen Campus-Platz her.
Verschiedene Funktionen im Gebäude sind als Raum-im-Raum konzipiert – die metallische Fassade umhüllt die „Herzen” des Future Art Labs: Klangtheater, Aufnahmesaal und Art House Kino. Die Haupttreppenanlage ist räumlich als Erschließungs- und Begegnungszone durchkomponiert. Mit Bezügen zum Campus und zur Stadt werden Studierende und Lehrende zu den Instituten, aber auch die interessierte Öffentlichkeit zu den Sälen geleitet. Trotz Durchquerung des Gebäudes kann jedes Institut abgeschlossen, die der Öffentlichkeit zugänglichen Säle samt Foyerzonen hingegen offen gehalten werden.
Bauphysikalische Aspekte: Bau- und Raumakustik
Im Future Art Lab klingt es in allen Räumen: Flügelspiel im Konzertsaal und den lichtdurchfluteten Räumen für Tasteninstrumente im obersten Geschoss, der gute Ton aus dem Art House Kino, Klangexperimente im Klangtheater und nicht zuletzt das Zusammenspiel des Ensembles im Aufnahmesaal.
Aufgrund der kompakten Anordnung von in höchstem Maße geräuschsensiblen Räumen in unmittelbarer Nähe zu geräuschintensiven musikalischen Nutzungen waren mehrere Raum-in-Raum-Konstruktionen erforderlich, um den notwendigen hohen Schallschutz zu erzielen. Solche Konstruktionen wurden in Klangtheater, Aufnahmesaal, Aufnahmeraum und Konzertsaal umgesetzt. Geschickt angeordnete Pufferräume und Zwischengeschosse leisten einen weiteren wirkungsvollen Beitrag zur Erhöhung des Schallschutzes.
Raum-in-Raum-Konstruktionen für guten Schallschutz
Für die schweren Raum-in-Raum-Konstruktionen von Klangtheater und Aufnahmesaal wurden eigenständige, selbsttragende innere Hüllen aus Stahlbeton erstellt. Getrennt von der umgebenden Gebäudestruktur stehen sie auf einer eigens bemessenen elastischen Zwischenlage. Abnahmemessungen bestätigten die hohe Körperschalldämmung zwischen der inneren und äußeren Hülle. Angrenzend sind Regieräume angeordnet, die durch hochschalldämmende Studiokastenfenster Einblick in die schallgeschützten Räume bieten.
Raumakustik: mal gedämpft, mal diffus und auch variabel
Das Future Art Lab bietet eine große Anzahl von musikalisch und elektroakustisch genutzten Räumen mit hohen Anforderungen an die Klangqualität. Nachfolgend wird die raumakustische Zielsetzung und die Umsetzung für ausgewählte Räume näher erläutert.
Im Konzertsaal für bis zu 100 Besucherinnen und Besucher mit einem akustisch wirksamen Raumvolumen von 1.200 Kubikmetern wird durch die Gestaltung mit Holzwerkstoffen eine warme Atmosphäre geschaffen. Durch die ansteigenden Sitzreihen entsteht eine räumliche und optische Nähe zum Podium, auf dem vor allem der Konzertflügel und der Pianist im Mittelpunkt stehen. Die frühzeitige Einbindung der Nutzer wies den Weg für das gewünschte Klangkonzept: Der Saal sollte einen voluminösen und ausgewogenen Raumklang bieten, aber dennoch transparent genug sein, um auch in Prüfungssituationen eine präzise und analytische Beurteilung des Klavierspiels zu ermöglichen. Eine zu große Schärfe sowie einen der vergleichsweise geringen Raumgröße geschuldeten sehr direkten Klang galt es zu vermeiden.
Geneigte Wandflächen und Deckenreflektoren im Konzertsaal
Folgende wesentliche akustische Maßnahmen wurden umgesetzt: Durch die akribisch geplante Neigung der seitlichen Wandflächen wird ein signifikanter Anteil der lateralen Erstreflexionen bewusst über die Köpfe der Zuhörenden hinweg gelenkt. Dies fördert die Diffusität und Räumlichkeit und verleiht dem Saal durch die Reduktion sehr früher Seitenreflexionen eine wahrzunehmende akustische Größe. Deckenreflektoren über dem Podium unterstützen die Klangintensität der Flügel oder Ensembles im Publikum. Sowohl im Bereich der Rückwand als auch im Wandbereich des Podiums wurden kleine Flächen durch Mikroperforation schallschluckend gestaltet, um die erforderliche Nachhallzeit einzustellen, die Balance zwischen frühen und späten Schallreflexionen zu optimieren und eine hohe Dynamik zu ermöglichen.
Für das Klangtheater mit einem Klangvolumen von 1.500 Kubikmetern war ein dunkel gehaltener Raum für musikalische Beschallungsexperimente und Aufführungen vor Publikum gewünscht. Die Anforderung an die Variabilität der Nachhallzeit lag zwischen 0,8 s bis 1,2 s und wurde im weiteren Planungsverlauf auf 0,5 s bis 1,2 s erweitert. Diese Variabilität wird durch einen umlaufenden Vorhang hergestellt, der unterhalb der Galerieebene aufgezogen wird. Gezielte absorbierende und reflektierende Elemente an der Decke und den Wänden ermöglichen einen Raumeindruck trotz vergleichsweise hoher akustischer Bedämpfung. Die Lüftungskanäle und die Drehpaneele im Wandbereich „brechen“ zudem die ansonsten glatten Flächen akustisch auf und fördern so die Klangdurchmischung.
Wechselseitig absorbierend und reflektierend im Aufnahmesaal
Im Aufnahmesaal mit einen Klangvolumen von 1.400 Kubikmetern wurden die Oberflächen wechselseitig absorbierend und reflektierend gestaltet. Da die Nachhallzeit einen Wert von 1 s nicht überschreiten soll, wurde die Decke vollständig absorbierend ausgebildet und darüber hinaus mit Kantenabsorbern ausgestattet. Die unterschiedlichen Wandneigungen sind mit Holzpaneelen umlaufend auf Ohr- und Instrumentenhöhe der Musizierenden ausgeführt. Die schallreflektierenden Segelkonstruktionen unterhalb der Decke stellen das gegenseitige Hören sicher und vermitteln durch Schallreflexion einen Raumeindruck, der durch die dahinterliegende vollflächig absorbierende Unterdecke ansonsten gemindert würde.
Im Art House Kino sind alle wesentlichen Raumoberflächen für eine absorbierende Auskleidung vorgesehen, so dass eine gute Hörsamkeit bei Lautsprecherbeschallung sichergestellt ist. Zusätzlich ist der Fußboden absorbierend mit einer Lochung ausgerüstet, durch die auch die Zuluft geräuscharm quellen kann.
Große Lüftungsquerschnitte und getrennte Führung der
Haustechnik
Die Haustechnik muss die hochkomplexen
Anforderungen in raumakustischer und bauakustischer Hinsicht
selbstverständlich ebenfalls erfüllen. Dazu sind einerseits sehr
große Lüftungsquerschnitte notwendig, um die Säle mit extrem
langsamen Luftgeschwindigkeiten anfahren zu können. Nur so können
die haustechnischen Anlagen nahezu geräuschlos arbeiten.
Andererseits ist eine getrennt geführte Anspeisung der einzelnen
Säle unabdingbar, um Schallübertragung zwischen den Sälen
auszuschließen.
Bautafel
Architekten: Pichler & Traupmann Architekten, Wien
Beteiligte: Fritsch Chiari und Partner, Wien (Tragwerksplanung); Gawaplan, Wien (Haustechnik); Kubik Project, Gießhübl (Elektro- und Fördertechnik); IC-Prause, Wien (Bauphysik); Müller-BBM, Planegg (Akustik, Schallschutz); WSDG-E, Basel (Studioplanung)
Bauherr: Bundesimmobiliengesellschaft, Wien
Fertigstellung: 2020
Standort: Anton-von-Webern-Platz 1, 1030 Wien
Bildnachweis: Toni Rappersberger, Wien; Hertha Hurnaus, Wien