Kulturzentrum in Venedig/I
Umbau eines ehemaligen Kranturms
Im Osten der italienischen Lagunenstadt Venedig befindet sich das 480.000 m² große, ehemalige Werftgelände namens Arsenale aus dem 19. Jahrhundert. Auf diesem historisch wertvollen Industrieareal, welches rund ein Zehntel der gesamten venezianischen Stadtfläche einnimmt, waren früher bis zu 16.000 Arbeiter in der Schiffsproduktion beschäftigt. An der ehemaligen östlichen Grenze des Gebietes ragt aus einer Reihe giebelständiger Hallen der Kranturm Torre di Porta Nuova empor. Dieser wurde zwischen 1809 und 1814 errichtet, um als Kranunterbau die Großmasten der Schiffe installieren zu können.
Gallerie
Schon bald verlor der 35 Meter hohe Backsteinturm mit Sockel aufgrund veränderter Technologien im Schiffsbau seine ursprüngliche Funktion und diente jahrelang hauptsächlich als Lagerraum. Mit der Verlegung des Produktionsstandortes an die Küste des naheliegenden Festlandes wurde auch das Werftgelände stillgelegt. Heute werden an der Ostspitze des Areals nur noch kleinere Schiffe erbaut und repariert.
Im Rahmen des EU-Projekts Second Chance mit dem Thema From industrial use to creative impulse sollen Industriebrachen in fünf Städten zum neuen Leben erweckt werden – so auch das ehemalige Werftgelände in Venedig. Zwar werden mittlerweile bereits die meisten der entkernten Hallen als Ausstellungsfläche für Kunstobjekte im Rahmen der alljährlichen Biennale genutzt, jedoch war die Zukunft des Kranturms lange Zeit ungewiss. Den Wettbewerb zur Sanierung und Revitalisierung des mittlerweile baufällig gewordenen Kranturms konnte das venezianische Architektenduo Francesco Magnani und Traudy Pelzel, die sich MAP Studio nennen, mit der Umnutzung zu einem Kultur- und Ausstellungszentrum für sich entscheiden.
Sanierung und Modernisierung
Die Restaurierung und Modernisierung des Turmes
erfolgte durch ein zurückhaltendes, behutsames Konzept. Die beiden
Architekten beschränkten die Eingriffe in die historische
Bausubstanz auf ein Minimum und entwickelten neue Strukturen aus
dem bereits Vorhandenen. So wird vor allem im Inneren des Turms
durch bauliche Veränderungen seine besondere, einzigartige
Atmosphäre erlebbar gemacht. Die wuchtigen, größtenteils
geschlossenen Fassaden wurden zwar saniert, jedoch blieben sie
architektonisch weitgehend unverändert. So blieben auch die
vorhandene Risse in den Backsteinen als sichtbares Relikt aus der
ehemaligen, industriellen Vergangenheit des Turmes bestehen.
Basierend auf einem trapezförmigen Grundriss erinnert der Turm in seinem Querschnitt an eine Basilika mit einem kleinem Seitenschiff. Im EG sind hier alle Nebenräume, wie Garderobe, Aufzug, WCs untergebracht, im Dachgeschoss hingegen die Büroeinheiten. Dem Seitenschiff gegenüberliegend befinden sich ein Konferenzbereich mit darüberliegendem Studienzone. Zwischen diesen beiden Zonen erstreckt sich im Obergeschoss der Ausstellungsbereich und wird hier durch einen beeindruckenden, sich nach oben öffnenden Raum in seiner ganzen Höhe erfahrbar gemacht. Zwei gemauerte Spitzbögen in imposanter Größe unterteilen den Raum.
Über eine wuchtige Stahltreppe und einer gestreckten Rampe im oberen Drittel des Turmes, die beide von den Außenwänden abgerückt und über einen Steg miteinander verbunden sind, durchschreitet der Besucher beim Emporsteigen verschiedene Raumsituationen. Die rauen, gemauerten Wandoberflächen wurden im gesamten Gebäude weitgehend in ihrer originalen Form belassen, so dass die wenigen Ergänzungen mit Stahl oder Beton optisch kaum das Gesamtbild veränderten.
Die oberen Räumlichkeiten sind sowohl über eine Stahltreppe als
auch über eine Rampe und einen Aufzug erreichbar. Eine für die
Öffentlichkeit zugängliche Terrasse, die sich über das gesamte
Turmdach erstreckt, gibt einen eindrucksvollen Blick auf das
Arsenalgelände und die Stadtsilhouette Venedigs frei.
Bautafel
Architekten: MAP studio - Francesco Magnani und Traudy Pelzel, Venedig/I
Projektbeteiligte: Zero4uno Ingegneria S. r. I., Venedig (Tragwerksplanung); Franco Gazzari, Venedig (Bauleitung); Matteo Sirinati, Venedig (Mitarbeit)
Bauherr: Arsenale di Venezia S. p. A.
Fertigstellung: 2011
Standort: Porta Nuova, Arsenale, Venedig
Bildnachweis: D. Haas-Arndt, Hannover; Davide Toffanin, Venedig/I und MAP studio - Francesco Magnani und Traudy Pelzel, Venedig/I