Darwin-Brücken in Montréal

Umgestaltung eines Verkehrsknotenpunktes

Fast 60 Jahre lang hielten die nach dem britischen Naturwissenschaftler benannten Darwin-Brücken auf der Île des Sœurs im kanadischen Montréal den Einflüssen von Witterung, Erosion und Straßenverkehr stand. Zunehmender Verschleiß, Risse und Pfützenbildungen in der Unterführung veranlassten die Stadt schließlich dazu, das Planungsbüro Provencher_Roy mit der Instandsetzung und technischen Ertüchtigung der 37 Meter langen Zwillingsbrücken zu beauftragen. Wo noch vor wenigen Jahren Fußgänger*innen und Radfahrende Schwierigkeiten hatten, die Straßen zu überqueren, stehen heute die sichere Nutzung des vierspurigen Verkehrsknotenpunktes für alle Verkehrsteilnehmenden sowie der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen und eine Verbesserung des Stadtklimas im Vordergrund.

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Städtischer Kontext

Die Urbanisierung der Insel im Sankt-Lorenz-Strom setzte in den 1960er-Jahren ein und war dem damaligen Zeitgeist entsprechend von der Typologie US-amerikanischer Vorstädte inspiriert. Dementsprechend wurden einzelne Siedlungsstrukturen wie „Trauben“ an die städtischen Hauptverkehrswege angebunden. Zahlreiche Fuß- und Radwege, die abseits der Hauptverkehrsachsen verlaufen, verbinden die Wohngebiete mit Parks und anderen Erholungsflächen. Als Verkehrsknotenpunkt an der Schnittstelle zwischen dem städtischen Boulevard de l'Île des Sœurs und dem Fuß- und Radweg, der zum Parc de West-Vancouver führt, repräsentierten die in den 1960er-Jahren errichteten Darwin-Brücken genau diese übergeordnete Form der Siedlungsstruktur. Da die Verkehrsplanung jahrzehntelang vorrangig auf den Autoverkehr ausgerichtet war, galt es bei der Umgestaltung der Zwillingsbrücke eine verbesserte Nutzung für alle Verkehrsteilnehmer*innen mit den aktuellen technischen und rechtlichen Anforderungen zu vereinbaren. 

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Fließende Bewegung, schlichtes Design

Etwa 100 Meter Luftlinie von den Darwin-Brücken entfernt, liegt das architektonische Highlight der Insel: das von Ludwig Mies van der Rohe 1969 geplante Apartmentgebäude Nr. 1 in der Rue Corot. Die Planenden legten besonderen Wert darauf, dass sich Gestalt, Proportionen und Materialität der Brücken harmonisch in die Umgebung einfügen und einen minimalistischen Baukörper formen. So konzipierten Provencher_Roy vier bogenförmige Betonwände, die den Brückenverlauf in einer fließenden Bewegung leiten. Die schlichte Gestaltung umfasst die gesamte Länge der Brücken und akzentuiert den Straßenverlauf des Boulevards. Die äußeren Betonwände dienen zudem als Absturzsicherung für Fußgänger*innen und Radfahrende, welche die Brücke auf 3 Meter breiten Wege in beide Fahrtrichtungen überqueren können.

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70.000 recycelte Weinflaschen

Für den Bau der Brücken wurde Glaspulverbeton verwendet, ein Material, das fein gemahlenes, recyceltes Glas enthält. Bei dieser Betonart werden 10% des erforderlichen ternären Bindemittels durch recyceltes Glaspulver, auch als Glaspuzzolan genannt, ersetzt. Das verwendete Glaspuzzolan besteht aus etwa 40.000 Kilogramm lokal recyceltem Glas, was einer Menge von ca. 70.000 Weinflaschen entspricht. Durch den Einsatz des Glaspulvers konnten der Zementbedarf und die damit verbundenen CO₂-Emissionen um rund 40 Tonnen gesenkt werden. Abgesehen von seiner umweltschonenden Eigenschaft zeichnet sich der Glaspulverbeton auch durch eine Lebensdauer von bis zu 125 Jahren aus, fast 50 Jahre länger als herkömmlicher Beton. Zu dieser Langlebigkeit trägt auch die Verwendung von Edelstahlarmierungen bei, die im Vergleich zu konventionellem Baustahl weniger anfällig für Rostbildung bei Kontakt mit Wasser sind. Das in Québec hergestellte und patentierte Material ist das Ergebnis eines 17-jährigen Forschungsprojekts der Universität Sherbrooke in Zusammenarbeit mit der Stadt Montréal und fand bei der Rekonstruktion der Darwin-Brücken weltweit zum ersten Mal in einem architektonischen Projekt Verwendung.

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Ein versteckter Garten

Von den beiden außenliegenden Fahrbahnen des Boulevards führen seitliche Wege hinunter zur Unterführung, welche die westlich gelegene Wohnsiedlung mit dem östlich der Hauptstraße liegenden Parc de West-Vancouver verbindet. Was von der vierspurigen Fahrbahn aus kaum wahrnehmbar ist, wird hier für Fußgänger*innen und Radfahrenden erlebbar: Der Mittelstreifen zwischen den Brücken wurde abgetragen, sodass sich hier die Unterführung öffnet und eine freie Sicht in Richtung Himmel ermöglicht. Betonstützmauern bilden zwischen den Brücken ein terrassiertes Gelände, das aufwendig bepflanzt wurde und eine einladende Atmosphäre schafft, vergleichbar mit der eines kleinen Gartens. Die Betonwände der Unterführung nehmen dieses Thema auf und sind mit stilisierten Blumenstängeln verziert. Nach Einbruch der Dunkelheit erhellen warme LED-Leuchten den Weg.  

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Versickern, Verdunsten, Verbessern

Die landschaftliche Gestaltung der Darwin-Brücken mit einer Vielzahl an Sträuchern und Pflanzen dient nicht nur der ästhetischen Aufwertung, sondern ist auch als Feuchtgebiet zur Regenwasserversickerung konzipiert. Städtische Feuchtgebiete können Wasser aufnehmen und speichern und so zur Entlastung des städtischen Wassermanagements beitragen. Die Vegetation spielt dabei eine entscheidende Rolle: Pflanzen nehmen Wasser auf und können es durch Transpiration in Form von Wasserdampf freisetzen. Während dieses Prozesses findet ein Gasaustausch statt, bei dem die Pflanzen nicht nur Wasserdampf abgeben, sondern auch Sauerstoff produzieren und Kohlendioxid aufnehmen. Diese Aktivität trägt also nicht nur zur Verbesserung der Luftqualität bei, sondern dient auch als natürliche Kühlung der Luft, die sich wiederum positiv auf das Stadtklima auswirkt. Darüber hinaus fördern Feuchtgebiete die Biodiversität, indem sie Lebensraum für verschiedene Pflanzen- und Tierarten bieten. Die Schaffung und Erhaltung von Feuchtgebieten in der Stadtplanung trägt daher wesentlich zur Unterstützung der ökologischen und hydrologischen Funktionen in städtischen Gebieten bei. -sms

Bautafel

Architektur: Provencher_Roy, Montréal (Architektur und Landschaftsplanung)
Projektbeteiligte:  SNC Lavalin, Montréal (Bauingenieurswesen, Tragwerksplanung und Lichtplanung)
Bauherr*in: Ville de Montréal
Standort: Boulevard de l'Île-des-Sœurs, Montréal / Verdun, Québec, H3E 1C5, Kanada
Fertigstellung: 2021
Bildnachweis: Stéphane Brügger


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