Park auf dem Hügel des Warschauer Aufstands
Freilegen von Erinnerung
Die verheerenden Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs fallen heute meist nur noch vereinzelt aufmerksamen Menschen ins Auge. Denkmäler und Stolpersteine erinnern an die Opfer der Massenmorde und Gewalttaten des nationalsozialistischen Regimes; Trümmerberge verwandelten sich in Parklandschaften und sind als solche kaum noch erkennbar. Im Warschauer Bezirk Mokotów vereint sich beides. Hier erinnert ein Denkmal auf einem Trümmerberg an den Warschauer Aufstand. Die 2023 von Archigrest und Toposcape fertiggestellte Neugestaltung des Geländes schafft eine Landschaft, die Gedenken auf einzigartige Weise mit Naherholung und Zukunftsvision verbindet.
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Ein Jahr nach dem Ghettoaufstand kämpfte die Polnische Heimatarmee vom 1. August bis zum 2. Oktober 1944 in Warschau gegen die deutschen Besatzer, die seit dem Überfall im September 1939 das Land besetzt hielten und die Bevölkerung unterdrückten und ermordeten. Die polnische Armee und Zivilist*innen leisteten erbitterten Widerstand, mussten sich aber nach 63 Tagen im Bezirk Mokotów geschlagen geben. Nach dem Krieg diente das Gelände über zwanzig Jahre als Deponie für die Trümmer der zerstörten Stadt.
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Aus Schutt wird Nährboden für neues Leben
Mit der Zeit wuchs der Schutthaufen zu einem Trümmerberg an, der das flache Umland um 35 Meter überragt. Schutt und Erde boten einen Nährboden für typische Ruderalvegetation, wie sie auf Brachen üblich ist. Erst nach dem Ende der Sowjetunion fand das Gelände wieder Beachtung, als sich ein ehemaliger Teilnehmer des Warschauer Aufstands für ein Denkmal auf der Hügelkuppe einsetzte. Ein Weg erschloss das Denkmal, der übrige Teil des Hügels blieb der Vegetation überlassen. In der öffentlichen Wahrnehmung galt der Ort als schwer zugänglich und unsicher.
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Um den Trümmerberg für die alternden Widerstandskämpfer*innen und die Bevölkerung zugänglicher zu gestalten, schrieb das städtische Grünflächenamt 2019 einen Wettbewerb für eine umfassende Neugestaltung des Geländes aus. Der Siegerentwurf von Archigrest und Toposcape schlug neben der Erschließung des Denkmals ein Erholungsgebiet vor, das die Geschichte der Wiederbelebung der Stadt erzählt und die Warschauer*innen in Kontakt mit der städtischen Natur bringt.
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Wassersensible Gestaltung
Nach einer Analyse der natürlichen lokalen Vegetationsprozesse schlugen die Planenden eine behutsame Modellierung und Bepflanzung des Geländes vor, um die Biodiversität zu steigen. Organisches Material soll die Bodenbildung unterstützen. Kleine Eingriffe in der teils steilen Topografie verhindern einen schnellen Abfluss des Oberflächenwassers und Erosionen durch das Abtragen des Bodens. Zusätzliche Retentionsflächen speichern gezielt Regenwasser.
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Hohlweg und Stege
Aufgrund der komplexen Topografie legte das Planungsteam Stege, künstliche Abflussrinnen und Hohlwege an. In Zusammenarbeit mit Spezialist*innen entwickelten sie einen biorezeptiven Beton, der neue Hohlwege abstützt und die geologischen Schichten des anthropogenen Hügels versinnbildlicht. Ein Großteil des Materials stammt aus dem Areal selbst. Feiner Schutt diente als Zuschlagstoff für den Beton, größere Gebäudefragmente sind als Artefakte ausgestellt. Sie befinden sich auf beschrifteten Sockeln entlang des Weges oder füllen Gabione, die einen Ausstellungsraum für die Nachkriegsgeschichte der Stadt schaffen.
Die Neugestaltung vereint Gedenken und Geschichtsbewusstsein mit einer klimasensiblen Zukunftsvision, indem sie die Kreislaufwirtschaft im Kleinen erprobt und neue Begegnungsorte schafft. Kürzlich gewann das Projekt den European Prize for Urban Public Space 2024 in der Kategorie Stadt. -hs
Bautafel
Architektur: archigrest, Warschau; topoScape, Warschau
Projektbeteiligte: Krzysztof Guraj, Paweł Komorek (Bauingenieurwesen); Krzysztof Kuniczuk (Betontechnik); Piotr Sikorski (pflanzensoziologische Beratung); Adam Przywara (Ausstellung Kulturerbepfad); Kasper Jakubowski (Ausstellung Naturpfad); Kaja Kusztra (Graphikdesign der Ausstellung)
Bauherrschaft: Zarząd Zieleni m.st. Warszawy [Grünflächenamt Warschau]
Fertigstellung: 2023
Standort: Bartycka, Warschau, Polen
Bildnachweis: Michał Szlaga (Fotos)
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