Demonstrationshaus autartec am Bergheider See

Gebäude als Technologiedemonstrator

Seit Beginn der 1990er-Jahre entsteht durch Rekultivierung des Lausitzer Braunkohlereviers das Lausitzer Seenland, zu dem auch der rund 330 Hektar große Bergheider See gehört. Hier hat zu Füßen der ehemaligen Abraumförderbrücke F60 das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI zusammen mit Projektpartnern den Prototypen eines Hauses errichtet, der zeigen soll, wie autarkes Wohnen auf dem Wasser funktionieren kann.

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Den Anstoß zur Entwicklung des Projekts gab das Bestreben der Forschenden, regenerative Wasserkreisläufe wirkungsvoll zu schließen und gleichzeitig eine weitgehend autarke Energieversorgung in urbanen Siedlungsstrukturen zu erreichen. So entstand das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF geförderte Forschungsvorhaben autartec, zu dem sich im September 2014 ein Konsortium aus klein- und mittelständischen Industriefirmen, Ingenieurunternehmen, wissenschaftlichen Institutionen sowie künftigen Anwendern zusammenfand. Ihr selbsterklärtes Ziel: die Möglichkeiten des autarken Wohnens auszuloten, indem funktionstragende Strukturkomponenten für Gebäude mit weitestgehend autarker Strom- und Wärmeversorgung in einem real gebauten Demonstrationsprojekt untersucht werden.

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Elektrische Energie

Die architektonische Gestalt des Demonstrationshauses folgt aus dem technologischen Ansinnen: Die drei autarken Versorgungsbereiche elektrische Energie, thermische Energie und Wasseraufbereitung sind in drei sich durchdringende Quader übersetzt, deren Außenflächen für den jeweiligen Energieertrag optimal ausgerichtet sind. Die Energiegewinnung erfolgt zum einen über klassische kristalline Photovoltaikmodule, die an einer um dreißig Grad geneigten Fassade angeordnet sind, als auch über halbtransparente Dünnschicht-PV-Elemente, die in einer der Glasfassaden verbaut sind. Die insgesamt 54,2 Quadratemter große PV-Fläche liefert bis zu 8,5 kWp, die in den Stufen der Wendeltreppe im Wohnraum und in in den Wänden integrierten Lithium-Ionen-Batterien mit einer Kapazität von 50 kWh gespeichert werden, womit das Haus bis zu fünf Tage lang versorgt werden kann. Für einen optimalen Ausgleich zwischen Energieerzeugern, Speichern und Verbrauchern sorgt ein Hausenergie-Managementsystem.

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Thermische Energie

Eine weitere wichtige Rolle spielen die Wärmegewinnung und -speicherung sowie effiziente Kühlsysteme. Auch die Dämmung des Hauses auf schwimmenden Metallpontons war eine Herausforderung. Einzelne Dach- und Fassadenelemente sind deshalb für hohe Wärmeerträge und natürliche Kühleffekte ausgelegt: Eine um 15 Grad geneigte Dachfläche ist mit Solarthermiekollektoren (7 kWp, Vorlauftemperatur 85 °C) zur Warmwassererzeugung versehen. Eine 8-kW-Wärmepumpe wird außerdem mit der Wärmeenergie des Seewassers versorgt. Ein 291 Liter fassender Schichtspeicher speichert die gewonnene Wärmeenergie und macht sie für einen späteren Zeitpunkt verfügbar. Für Gemütlichkeit in der kalten Jahreszeit sorgt ein wasserführender Kaminofen, der an das Heizsystem angeschlossen und zudem mit einem 45 kg großen Salzhydratspeicher mit 7,5 kWh Speicherkapazität ausgestattet ist. Im Sommer schützt eine begrünte Außenwand die Gebäudehülle vor dem Aufheizen. Außerdem senkt an heißen Tagen eine adiabate Kühldecke (zweistufig, Kühlleistung 1,6 kW) die Raumtemperatur.

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Wasseraufbereitung

Durch Kochen, Duschen und Toilettennutzung entstehen in einem Gebäude täglich große Mengen an Abwasser. Um dem Anspruch der Autarkie gerecht zu werden, ist dem Haus eine Filtrationsanlage eingerichtet, mit dem Grauwasser wieder in Trinkwasserqualität aufbereitet wird. Um dies zu erreichen, wurden innerhalb des Forschungsprojekts verschiedene Verfahren untersucht und entwickelt. Die nun eingebaute, miniaturisierte Aufbereitungsanlage verzichtet vollständig auf den Einsatz biologischer Reinigungsstufen und Chemikalien. Das Konzept der Anlage besteht aus der Integration konventioneller Wassertechnik für Gebäude, der Zwischenspeicherung von Grauwasser (1.000 Liter) und der Bereitstellung mehrerer Wassertanks in Trinkwasserqualität (insgesamt 1.000 Liter) mit einer keramischen Membranfiltration und einer Photokatalyse. Teile der Anlage sind in den Schwimmkörpern der Plattform verbaut. Die wichtigen Anlagenteile werden im Gebäude gut sichtbar gezeigt.

Hausenergiemanagementsystem

Beim Entwurf der Steuerung wurde drauf geachtet, dass alle Geräte, Sensoren und Aktoren einzeln eingebunden werden. Dadurch soll es vor allem möglich sein, die einzelnen Komponenten ganzheitlich und zielgenau zu steuern und auszuwerten und so aussagekräftige Forschungsergebnisse zu erhalten. Das Kommunikationsprotokoll basiert auf Modbus / CAN-Bus, die Steuerung auf PLC (programmable logic controller), die Programmierung auf TwinCAT.

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Gute Nachbarschaft

Im Juni 2021 erhielt das Demonstrationshaus einen schwimmenden Nachbarn: Das aquaforum gründet auf einer privaten Initiative und entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IVI. Es ist ein solarbetriebenes Konferenzschiff, mit dem künftig Seminare und Tagungen direkt auf dem Wasser möglich sind. Der Trimaran hat eine Grundfläche von 16,5 x 7 Metern und bietet Platz für dreißig Personen bei voller Bestuhlung. Ausgestattet ist das vierzig Tonnen schwere Schiff mit zwei 25-kW-Elektromotoren, die es auf immerhin zehn Kilometer pro Stunde bringen können. Die Batterien können mit dem Forschungshaus autartec verbunden werden und dienen somit als erweiterter Energiespeicher für kalte, sonnenarme Tage.

Technologiedemonstrator der Zukunft

Die Vision der Projektpartner ist die Entstehung inspirierender und gut vernetzter Siedlungsstrukturen mit dezentralen Systemen zur autarken Energieversorgung, strukturintegrierten Funktionselementen, natürlichen Klimatisierungsprozessen und umfassenden Hausautomationen, bei gleichzeitiger Verbindung regionaler Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten. Mit dieser Idee soll etwa auch das Leben im ländlichen Raum für junge Leute attraktiver werden.

Autor: Thomas Geuder – Der Raumjournalist, Stuttgart

Bautafel

Architektur: autartec®-Designteam, bestehend aus: Maren Kupke (AIB - Architekten Ingenieure Bautzen), Ernst-Eckart Schulze (Fraunhofer IVI, Dresden) und Thomas Wilde (Wilde Metallbau, Massen)
Projektpartner/innen: AIB, Bautzen (Bemessung des Energiebedarfs und konstruktive Entwicklung der Carbonbetonbauteile); AWAS, Dresden; bendl HTS, Sebnitz; Beratungsgesellschaft für Wirtschaftliches Bauen (BWB), Sebnitz; Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg; Fraunhofer IKTS, Dresden; Fraunhofer IVI, Dresden; GEDES e. V., Löbau; Heliatek, Dresden; ifn Anwenderzentrum, Dresden; INNIUS DÖ, Dresden; Rupp Betonerzeugnisse, Neustadt/Orla; Technische Universität Dresden; TUDAG – Deutsches Zentrum Textilbeton, Dresden; Wilde Metallbau GmbH
Projektträger: Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich
Gefördert vom: Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bonn/Berlin
Fertigstellung: 2019
Standort: Hafen Bergheider See, 03238 Lichterfeld-Schacksdorf
Bildnachweis: Fraunhofer IVI, Dresden; Julia Blöser, Berlin

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