École de la Biodiversité in Boulogne-Billancourt

Biodiversität in Lernräumen stärken

Das Bauprojekt des Architekturbüros Chartier Dalix vereint eine Grundschule, eine Sporthalle und eine von diversen Tieren und Pflanzen bewohnte Landschaft in ein und demselben Gebäudekomplex. Der Wunsch des Architekturbüros war es, Biodiversität in städtischen Gebieten aber auch in Lernräumen zu stärken. Die Integration von begrünten Flächen und belebten Fassaden schafft eine Umgebung, in der die Kinder ein tiefergehendes Verständnis für nicht-menschliche Lebewesen und das Thema Biodiversität entwickeln können.

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Boulogne-Billancourt

Die École primaire publique des Sciences et de la Biodiversité liegt im neuen Stadtquartier Île Seguin-Rives de Seine, einem ehemaligen Industriegebiet im Südwesten von Paris. Die Planung des insgesamt rund 74 Hektar großen Areals übernahm die Entwicklungsgesellschaft SAEM Val de Seine gemeinsam mit dem Stadtplanungsamt, die auch das Architekturbüro beauftragten. Wie bei allen städtischen Neubauvorhaben sollten auch beim Schulkomplex ökologische Kriterien besonders berücksichtigt werden, um das Nachhaltigkeitszertifikat HQE (haute qualité environnementale) zu erreichen.

Gartenbau und Ingenieurökologie

Um Räume für Biodiversität in der Stadt wiederherzustellen, stützt sich der Entwurf von Chartier Dalix nicht nur auf klassische Formate aus Gartenbau und Landschaftsarchitektur, sondern vor allem auch auf die Praxis der Ingenieurökologie. Dafür arbeiteten die Architektekt*innen mit dem Ökologen und Berater für Biodiversität Aurélien Huguet und mit Jean-Louis Ducreux zusammen, der sich mit seinem Ingenieurbüro Atelier d'Ecologie Urbaine auf die Bereiche Stadtökologie, Funktionsökologie und belastete Standorte und Böden spezialisiert hat.

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Fassade als Austauschoberfläche

Eingefasst wird der Gebäudekomplex von einer unregelmäßigen Mauer, die an zwei Seiten den Schulhof begrenzt und an den anderen beiden Seiten die Außenfassade bildet. Das Mauerwerk besteht aus irregulär aufeinandergestapelten und speziell präparierten Betonblöcken.

Die Mauer ist als eine Art Austauschfläche konzipiert, um eine maximale Ansiedlung von Pflanzen und Tieren zu ermöglichen. Ihre Wirksamkeit basiert auf mehreren strukturellen Merkmalen: So bieten die Vor- und Rücksprünge sowie die unterschiedlichen Winkel der Betonblöcke entlang der gesamten Fassade eine breite Palette an nutzbarem Lebensraum. Die überlappenden Blöcke mit variierenden Tiefen und Pufferzonen schaffen ideale Bedingungen als Nistplätze für verschiedene Vogelarten, Fledermäuse und Insekten. Einige der Betonmodule sind jedoch bereits mit integrierten Nestern gefertigt. Und zusätzlich sind an der Mauer weitere Nistkästen angebracht. Darüber hinaus fördert die raue Oberfläche und die Rillen auf der lateralen Seite der Blöcke natürliche Bewässerungseffekte. Die Unebenheiten dienen als Auffangbecken für Bodenmaterial und Mikropartikel, die später zur Bildung von Mikroböden beitragen. Das aufgefangene Material wird direkt von der Dachbegrünung weitergetragen oder von Wind und Vögeln verbreitet.

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Im Vorfeld der Planung wurden diverse historische Mauerwerke als Referenz herangezogen, deren poröse und unebene Struktur eine optimale Grundlage für diverse Habitattypen bietet. Des Weiteren studierte das Büro besondere Formelemente von historischen Fassaden wie Gesimse, Kapitelle und Mauerkronen, die für verschiedene Spezies im städtischen Kontext Lebensraum schaffen. Dieser Prozess der pflanzlichen und tierischen Besiedlung ist typisch für alte Mauern, kann aber bis zu 20 Jahre dauern.

Die Fassade bedarf keiner Wartung. Sie unterstützt das Ökosystem, lenkt es jedoch nicht aktiv, sondern schafft günstige Bedingungen für spezifische lokale Zielarten, ermöglicht aber auch ungeplante Entwicklungen beziehungsweise Besiedlungsprozesse.

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Begrünte Terrassen

Während die Vegetation der Mauer noch einige Zeit braucht, um sich gemäß der angenommen Prognosen zu entwickeln, hat sich das Dach sehr bald nach Fertigstellung des Gebäudes in die bewaldete Dachbegrünung verwandelt, die sich das Architekturbüro erhofft hatte. Die Schule befindet sich in einem dichten Neubaugebiet und erstreckt sich über fünf Geschosse. Jedes der Geschosse bietet einen eigenen Außenraum, wobei die beiden größeren im Erd- und im 1. Obergeschoss als Pausenhöfe dienen. Die drei oberen terrassenförmig angelegten Geschossebenen sind vielfältig bepflanzt und über eine Treppe vom Schulhof erreichbar. Die Vegetation verändert sich je nach Niveau: sie beginnt mit Wiesenflächen auf Rampen und Balkonen und schließt mit einem kleinen Wald auf dem Dach ab.

Durch die Zusammensetzung der Substrate und die Erdmenge kann die Morphologie von Vegetation und Wald präzise geplant und gesteuert werden. Als Hauptmodell für die Artenverteilung wurde eine Eiche-Hainbuche-Mischung gewählt, die typisch ist für die Wälder in der Region Ile-de-France. Diese Mischung diente als Grundlage für die Festlegung der erforderlichen Erdtiefe in jeder Zone. Jedoch wurde für die Anpassung an die spezifischen Anforderungen der Dachbegrünung bestimmte Arten, wie beispielsweise Eichen, ausgeschlossen, da ihre Pfahlwurzeln die Gebäudeabdichtung gefährden könnten.

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Die Dachfläche von etwa 2.000 m² ist in drei Hauptzonen unterteilt, die verschieden starke Erdschichten aufweisen. Diese Variationen sind notwendig, um die Bedingungen des Waldmodells zu simulieren und das Baumwachstum insbesondere an den Dachrändern zu begrenzen. Die Kernwaldzone mit einer Substratschichtdicke von etwa 1,00 m und einer Fläche von 550 m² beheimatet 220 Bäume, darunter die höchsten Vertreter der vorhandenen Artenliste. Eine zweite, etwa 500 m² große Fläche dient als Strauch- und Unterholzzone und geht allmählich in die angrenzende Prärievegetation über. Hier reicht die Dicke der Bodenschicht von 1,00 m bis 0,50 m. Schließlich erstreckt sich auf einer 50 cm dicken Erdschicht eine mesophile Prärie über eine Fläche von etwa 850 m². In dieser Zone gedeihen zahlreiche mehrjährige Pflanzenarten, Sukkulenten und Leguminosen. Sie spielt eine bedeutende Rolle im lokalen Ökosystem, da sie eine Vielzahl von Insekten beherbergt.

Bautafel

Architektur: ChartierDalix, Paris
Projektbeteiligte: Sophie Deramond (Bauleitung), EVP (Tragswerksplanung), Cferm (Energieplanung), F. Bougon (Kostenanalyse), Aurélien Huguet (Ökologe und Berater Biodiversität), Atelier d'Ecologie Urbaine (Gebäudebegrünung und Biodiversität), Begc (Küchendesign), Peutz (Akustik)
Bauherr*in: Saem Val de Seine
Standort: Boulogne-Billancourt, Frankreich
Fertigstellung: 2015
Bildnachweis: Myr Muratet, Takuji Shimmura, Cyrille Weiner

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Grundlagen

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