Fachwerkträger und unterspannte Träger

Typen, statische Systeme und Beanspruchung

Gallerie

1. Fachwerkträger

Fachwerkträger sind eine ressourcenschonende Alternative zu Vollwand-BSH-Trägern mit Spannweiten ebenfalls bis 60 Metern. Fachwerkträger bestehen aus Ober- und Untergurt sowie aus Streben oder Diagonalen und Pfosten. Ein ideales hölzernes Fachwerk besteht aus rein normalkraftbeanspruchten Stäben, die durch Dreiecksbildung unverschieblich sind. Als Stab wird der Abschnitt eines Fachwerks bezeichnet, der zwischen zwei Knotenpunkten spannt. Die Schwerachsen der sich in einem Knotenpunkt des Fachwerks treffenden Stäbe schneiden sich in einem Punkt, und die äußeren Belastungen wirken direkt in den Knotenpunkten.

Für Ober- und Untergurte sind über die gesamte Spannweite BSH-Träger oder Furnierschichtholzträger üblich. Die Streben und Pfosten werden zwischen Ober- und Untergurt eingesetzt. Verbinden nur Pfosten Ober- und Untergurt, entstehen aus Vierecken zusammengesetzte Fachwerke, die zusätzlich zur Normalkraftbeanspruchung hoch biegebeansprucht sind. Im Holzbau würden solche als Vierendeelträger bezeichneten Fachwerke einen enormen Aufwand für die Ausbildung der biegesteifen Knotenverbindungen bedeuten – sie sind daher ungeeignet und unwirtschaftlich.

Pfostenfachwerk und Strebenfachwerk

Grundsätzlich sind für die am häufigsten verwendeten parallelgurtigen Fachwerkträger zwei Fachwerktypen gängig, abhängig von der Anordnung der Streben und Pfosten. Das sind das Pfostenfachwerk (Pfosten mit diagonalen Streben zwischen den Pfosten) oder das Strebenfachwerk (nur Streben ohne Pfosten). Für druckbeanspruchte Streben und Pfosten kann die seit Jahrtausenden bewährte Verbindung des Versatzes zur Krafteinleitung in die Gurte angewandt werden. Bisher kannte man Stirnversatz oder Fersenversatz bzw. eine Kombination aus Stirn- und Fersenversatz. Üblicherweise wird der Stirnversatz eingesetzt, da beim Fersenversatz am Versatzgrund die Gefahr der Rissbildung durch Querzugversagen des Holzes möglich ist, während dies beim Stirnversatz nicht auftreten kann.
Parallelgurtige Fachwerkträger: Strebenfachwerk und Pfostenfachwerk


Abb: Baunetz (si), Berlin

Durch den Einsatz moderner CNC-gesteuerter Abbundtechnologie im Holzbau ist heute auch der Treppenversatz ohne nennenswerten Mehraufwand möglich. Entwickelt an der Versuchsanstalt für Stahl, Holz und Steine am KIT in Karlsruhe, handelt es sich dabei entlang der Verschneidungsfläche von Strebe und Gurt um eine treppenartige Ausbildung von Fersenversätzen mit geringer Einschnitttiefe von tv = 10 mm und damit geringer Querschnittsschwächung des Gurtes. Die Einschnitttiefe üblicher Stirn- und Fersenversätze beträgt demgegenüber zwischen 30 und 40 mm. Eine 70%ige Tragfähigkeitssteigerung der Strebenkraft im Knoten ist im Vergleich zu einfachen Stirnversätzen möglich.

Gurte aus Buchenholz führen zur Erhöhung der Querdruckfestigkeit im Anschluss. Damit lässt sich die Tragfähigkeit der Verbindung zusätzlich zur Wirkung des Treppenversatzes verdoppeln.

Verbindung bei Zugbeanspruchung

Zugbeanspruchte Streben und Pfosten werden im Ingenieurholzbau üblicherweise mit Schlitzblechen und Stabdübeln formschlüssig mit den Gurten verbunden. Neben Stabdübelverbindungen werden vermehrt auch formschlüssige Verbindungen mit Schrauben oder kraftschlüssige Verbindungen mit eingeklebten Gewindestangen angewandt.

Für die Bemessung von Fachwerkträgern kann das Biege- und Querkrafttragverhalten getrennt betrachtet werden. Ober- und Untergurt tragen das globale Moment als Kräftepaar mit dem Hebelarm als Abstand der Schwerachsen von Ober- und Untergurt ab. Liegt statisch ein Einfeldträgersystem vor, nimmt der Obergurt die Biegedruckkräfte auf, der Untergurt die Biegezugkräfte. Die Streben und Pfosten tragen die Querkraftbeanspruchung in die Auflager ab, die Querkraft fließt zu den Auflagern.

In Abhängigkeit vom statischen System des Fachwerkträgers entscheidet die Neigung der Streben und Pfosten darüber, ob Druck oder Zug in den Streben und Pfosten vorliegt. Die Lage des Querkraftnulldurchgangs des globalen statischen Systems bildet eine Art Symmetrieachse für die Streben gleicher Beanspruchung. Bei einfeldrigen, parallelgurtigen Strebenfachwerken ist z.B. der Querkraftnulldurchgang in Feldmitte. Zugdiagonalen steigen dann ab der Mitte zum linken Auflager nach links oben, zum rechten Auflager nach rechts oben an. Druckdiagonalen fallen umgekehrt ab der Mitte zum linken Auflager nach links unten, zum rechten Auflager nach rechts unten. Sind die Streben in einem Pfostenfachwerk druckbeansprucht, sind die Pfosten zugbeansprucht und umgekehrt. In einem reinen Strebenfachwerk treten sowohl Zug- als auch Druckdiagonalen auf.

Auflagerung, Untergurt und Obergurt

Fachwerkträger werden üblicherweise am Untergurt aufgelagert. Wird als Auflagerung der Obergurt gewählt, ist die letzte Diagonale sinnvollerweise eine Zugdiagonale, die zum Auflager hin ansteigt. Dies ist bei Anschlüssen von Fachwerk-Nebenträgern an Fachwerk-Hauptträger sinnvoll, da dann im Kreuzungsbereich der Träger die letzten Pfosten entfallen können und damit einfache Anschlüsse möglich werden. Ein elegantes Beispiel ist z.B. das Dachfachwerk der neuen, 114 Meter langen und 97 Meter breiten Produktionshalle der SWG Produktion Schraubenwerk Gaisbach aus Buchenfurnierschichtholz (s. Bildergalerie Abb. 1 und 2).

Wird der Verlauf des Untergurts dem globalen Momentenverlauf angepasst, spricht man von einem Fischbauchträger (s. Bildergalerie Abb. 4 und 5). Fischbauchträger sind Einfeldträger. Ober- und Untergurt sind durch eine Ausfachung aus Streben oder aus Streben und Pfosten formschlüssig ausgesteift. Ein parabelförmig gekrümmter Untergurt entspricht der Seillinie für Gleichlast. Als Seillinie bezeichnet man die Seilgeometrie, die sich unter einem vorgegebenen Belastungszustand so einstellt, dass der Beanspruchungszustand momentenfrei ist und nur Zugkräfte im Seil entstehen.

Obergurt und Ausfachung leiten jedoch die Gleichlasten punktuell an den gekrümmten Untergurt weiter, der dadurch in Abhängigkeit von den Knotenabständen von Ausfachung und Untergurt zusätzlich biegebeansprucht wird. Die Horizontalkomponente der Zugkraft des Untergurtes am Auflager wird mit der Drucknormalkraft des Obergurts kurzgeschlossen. Fischbauchträger sind daher selbstverankerte Systeme. Die Vertikalkomponente der Untergurt-Zugkraft entspricht annähernd der Auflagerkraft. Nur ein geringer Anteil, ca. 40% der Gleichlast auf dem Obergurtstab, der mit dem Auflager verbunden ist, wird als Querkraft im Obergurt direkt ins Auflager eingeleitet.

2. Unterspannte Träger

Unterspannte Träger sind statisch betrachtet Einfeldträgersysteme. Die zugbeanspruchte Unterspannung ist ein von Auflager zu Auflager polygonal verlaufender Stabzug, der über druckbeanspruchte Luftpfosten mit dem druck- und biegebeanspruchten Obergurt verbunden ist. In Abhängigkeit von der Anzahl der Luftstützen (X) spricht man vom X-fach unterspannten Träger. Unterspannte Träger sind aufgrund fehlender Streben ab zwei Luftstützen verschiebliche Systeme, da sich viereckige Maschen zwischen Ober- und Untergurt ausbilden. Das setzt bei unterspannten Trägern zur Vermeidung kinematischer Systeme deshalb voraus, dass der Obergurt als ein Träger von Auflager zu Auflager spannen muss.

Unterspannter Träger; Abb.: Jürgen Graf
Wie bei Stützlinienbelastungen von Bögen lässt sich näherungsweise die Drucknormalkraft im Obergurt und der horizontale Anteil der Zugkraft (H) in der Unterspannung in Abhängigkeit von der Seillinienlast (Eigengewicht (g) und von der veränderlichen Last (p)), von der Spannweite (Lges) und von der Stichhöhe des Trägers in Feldmitte (f2) ermitteln zu: H = ((g+p) * Lges2) / (8 * f2). Der vertikale Anteil der Unterspannung entspricht wie beim Fischbauchträger annähernd der Auflagerkraft. Nur ein geringer Anteil, ca. 40% der Gleichlast auf dem Obergurtstab (L), der mit dem Auflager verbunden ist, wird als Querkraft im Obergurt direkt ins Auflager eingeleitet. Für die Abschätzung der Biegebeanspruchung des Obergurtes kann unter Vernachlässigung der Systemverformung näherungsweise als Grenzzustand ein Durchlaufträger mit gleichen Spannweiten (L) zwischen den Luftpfosten angenommen werden (s. Bildergalerie Abb. 3).

Für den dreifach unterspannten Träger liegt für den Obergurt ein Vierfeldträger vor. Der Vierfeldträger hat Feld- und Stützmomente, wobei bei gleicher Querschnittsform des Obergurtes über die Gesamtlänge die Stützmomente maßgebend werden. Näherungsweise betragen die Biegemomente (M) unterspannter Träger dann in Abhängigkeit von den Abständen der Luftpfosten (L): M = ((g+p) * L2) / 12 (bei einfacher Unterspannung); M = ((g+p) * L2) / 10 (bei zweifacher Unterspannung) und M = ((g+p) * L2) / 11 (ab dreifacher Unterspannung).

Verformung und Biegebeanspruchung

Im Gegensatz zu fischbauchartigen Fachwerkträgern führen halbseitige veränderliche Gleichlasten bei unterspannten Trägern aufgrund der Verschieblichkeit viereckiger Maschen zu hohen vertikalen Verformungen, verbunden mit hohen Biegebeanspruchungen im Obergurt (s. Bildergalerie Abb. 3). Diese sind im Vergleich zu den Verformungen und Biegebeanspruchungen bei Seillinienbelastung deutlich höher. Die Drucknormalkraft im Obergurt wird bei halbseitig veränderlicher Gleichlast geringer als bei Gleichlast über die gesamte Trägerlänge.

Eine Vordimensionierung der unterspannten Träger ist daher mit dem Lastzustand Gleichlast und dem Lastzustand halbseitiger veränderlicher Last zu führen; daraus sind die bemessungsrelevanten Schnittgrößen zu ermitteln. Zusätzlich ist zu beachten, dass ein Knicknachweis in und aus der Trägerebene zu führen ist.

Ein besonderer Trägertyp eines unterspannten Trägers ist der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfundene Polonceau Träger. Aufgrund seiner einfachen Unterspannung ist er auch ein Fachwerkträger. Polonceau Träger werden vorwiegend für Dachkonstruktionen eingesetzt. Zwei einfach unterspannte Träger, die gelenkig im First miteinander verbunden sind, werden zur Vermeidung eines kinematischen Systems über einen Zugstab kurzgeschlossen.

Polonceau Träger; Abb.: Baunetz (si), Berlin

Autoren: Jürgen Graf, Reiner Klopfer

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Die Multihalle in Mannheim, 1974 von Carlfried Mutschler und Frei Otto als Lattengitterschale mit einer Spannweite von 85 Metern errichtet (Aufnahme aus dem Jahr 1975)

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