Bogentragwerke

Stützlinie und Parabelform, Brücken und Dachkonstruktionen

Bogentragwerke eignen sich zur Überspannung großer Spannweiten – vorausgesetzt, die immer auftretenden horizontalen Auflagerkräfte (Horizontalschub) können aufgenommen werden, und die erforderliche Höhe für den Bogenstich steht zur Verfügung.

Gallerie

Da ein Bogen als gekrümmter BSH-Träger gleichartig wie ein geradliniger Brettschichtholzträger hergestellt wird, kann fertigungstechnisch z.B. ein Dreigelenkbogen, der aus zwei gleich langen Bauteilen besteht, im Vergleich zu einem geradlinigen Brettschichtholzträger mit bis zu 120 Meter ungefähr doppelt so weit spannen. Auch sein Tragvermögen lässt solche Spannweiten zu. Als wesentliches architektonisches und konstruktives Entwurfskonzept für ein Bogentragwerk gelten die Stützlinie und der Bogenstich.

Die Stützlinie stellt die geometrische Form eines Bogens dar, die unter einer gegebenen Belastung zum momentenfreien Tragwerk führt. Ein solcher Bogen ist rein druckbeansprucht, der Querschnitt voll ausgenutzt und kann daher für eine Stützlinienbelastung sehr schlank ausgebildet werden. Für eine vertikale Gleichlast, wie es bei Dachkonstruktionen der gleichmäßigen Schneelast entspricht, oder wie es bei Bogenbrücken dem Eigengewicht der horizontalen Fahrbahnkonstruktion entspricht, ist die Parabel die Stützlinienform. Für das Eigengewicht des Bogens selbst ergibt sich als Stützlinie die Kettenlinie.

Elegante Parabelform: Dachkonstruktionen und Brückenbauwerke

Das kreisförmige Bogentragwerk entspricht dann der Stützlinie, wenn die Belastung wie bei einer Wasserlast als radiale Gleichlast auf den Bogen einwirkt. Ist ein flacher Bogen geplant, sind die Stützlinien für Eigengewicht und vertikale Gleichlast annähernd deckungsgleich. Die elegante Parabelform ist daher für Dachkonstruktionen als auch für Brückenbauwerke die oft gewählte Bogenform.

Unter veränderlichen Lasten, wie beispielsweise bei halbseitiger Gleichlast auf einen Parabelbogen, wäre eine gegenüber der Parabelform veränderte Stützlinie erforderlich, um eine reine Druckbeanspruchung im Bogen zu erreichen. Da dies nicht möglich ist, sind Momentenbeanspruchungen zusätzlich zu Druckbeanspruchungen die Folge. Dabei gilt, dass das Biegemoment Mp dem Horizontalschub Hp für halbseitige Gleichlast, multipliziert mit dem vertikalen Abstand ep zwischen Parabelbogen und der Stützlinienform unter halbseitiger Gleichlast entspricht: Mp = Hp * ep. Da ep im Scheitel Null ist, ist auch das Scheitelmoment Null. Wie beim Biegeträger werden durch die Momentenbeanspruchung vor allem die in der Belastungsebene liegenden Querschnittsränder stark beansprucht. Große Querschnitte sind daher vor allem für die Tragfähigkeit unter Biegebeanspruchung nötig.

Da die Biegebeanspruchung eines Parabelbogens unter halbseitiger Gleichlast (p) vom antimetrischen Lastzustand p/2 abhängt, beträgt bei einem Zweigelenkbogen oder einem Dreigelenkbogen das maximale Biegemoment im Viertelspunkt des Bogens nur ca. 1/5 des Biegemomentes eines geradlinigen Brettschichtholzträgers gleicher Belastung und Grundrissspannweite (L). Dies liegt zum einen daran, dass sich ein Bogen aufgrund seiner geometrischen Form unter halbseitigen Lasten gespiegelt zur Stützlinie nur in einer S-förmigen Figur verformen kann. Zum anderen kann die halbseitige Last in einen symmetrischen Anteil mit p/2 und einen antimetrischen Anteil mit p/2 aufgeteilt werden. Der symmetrische Anteil beansprucht den Bogen auf Druck, der antimetrische Anteil auf Biegung. Das Moment (Mp) im Bogen beträgt dann maximal: Mp = p/2 * (L/2)²/8 = (p * L²)/64. Die Querschnittserhöhung infolge der Biegebeanspruchung hält sich also aufgrund des eingeschränkten Verformungsverhalten bei Bögen in Grenzen.

Fahrbahn und Bogentragwerk im Brückenbau

Beim Entwerfen eines Bogens ist die Bogenform, die unter Eigengewichtslasten und Anteilen veränderlicher Lasten zu geringen Momentenbeanspruchungen führt, im Normalfall entwurfsrelevant. Bei weitgespannten Brückentragwerken überwiegt das Eigengewicht der horizontalen Fahrbahn und des Bogentragwerkes. Der Langersche Balken beispielsweise nutzt diese Tatsache, indem die Fahrbahn über Zugstäbe am Bogen fixiert ist. Für diese Hauptbelastung wird der Bogen als Stützlinienform (Kettenlinie oder Parabel) ausgebildet, ist damit als Stabbogen hoch druckbeansprucht, annähernd momentenfrei und dadurch filigran. Nicht stützlinienaffine Lasten, z.B. der antimetrische Anteil einer halbseitigen Verkehrslast, werden beim Langerschen Balken dem Fahrbahnträger zugewiesen, der als Biegeträger für diese Zusatzbelastung auszubilden ist.

Eine andere Möglichkeit, schlanke Bogentragwerke geringer Biegebeanspruchungen zu erhalten, besteht darin, Biegeverformungen, die immer mit der Biegebeanspruchung einhergehen, stark einzuschränken oder zu verhindern. Das Verhindern von Bogenverformungen kennt man schon von den zahlreichen Brücken und Viadukten der Römerzeit. Halbkreisförmige Bogentragwerke wurden durch Ausmauerungen vom Bogenkämpfer bis zum Scheitel ausgesteift – damit wurden die gemauerten Bogentragwerke überhaupt erst möglich. Die römische Bauweise der Bogenaussteifung wird heute z.B. bei Grün- und Wildbrücken (Abb. 2-4) angewandt.

Der Bogenstich (f) im Verhältnis zur Grundrissspannweite (L) des Bogens bestimmt ganz maßgeblich die Größe des Horizontalschubs des Bogens. Bei rein vertikaler Belastung ist der Horizontalschub über die Bogenlänge konstant. Der Horizontalschub (H) eines unter Gleichlast (q) stützlinienbeanspruchten Zweigelenk- und Dreigelenk-Parabelbogens berechnet sich zu: H = (q * L²)/(8 * f). Das heißt, die horizontalen Auflagerkräfte sind vom Wert her gleich groß und gegensinnig gerichtet. Sie heben sich gegenseitig auf.

Gewölbte Dachkonstruktionen

Das bedeutet für gewölbte Dachkonstruktionen, dass bei vertikaler Belastung ein horizontales Zugband zwischen den Bogenauflagern horizontale Auflagerkräfte vermeiden kann, da die Auflagerkräfte sich im Bogen-Zugbandsystem kurzschließen. Der Horizontalschub ist vom Bogenstich f durch die Funktion 1/f abhängig. Die Funktion 1/f (bzw. allgemein 1/x) entspricht einer Hyperbelgleichung und strebt für einen Bogenstich, der gegen 0 geht (f 0), gegen unendlich. Das bedeutet, dass der Horizontalschub und damit auch die Druckbeanspruchung des Bogens für sehr flache Bögen extrem groß wird.

Ein Bogenstich zum Spannweitenverhältnis von f/L < 1/10 ergibt für ein weit gespanntes Tragwerk wenig Sinn. Flache Bögen reagieren auch empfindlich auf Verschiebungen der Auflager mit hohen Biegebeanspruchungen oder gar Stabilitätsversagen. Auflager flacher Bögen sind deshalb extrem steif auszubilden, wie dies z.B. bei Auflagerungen von Bögen im Fels der Fall ist. Wird für eine Dachkonstruktion architektonisch ein solch flacher Bogen dennoch gewollt, ist ein gebogener BSH-Biegeträger konstruktiv sinnvoller.

Druckbeanspruchte Tragwerke sind immer knickgefährdet. Die Länge der Knickfigur mit gleicher Krümmungsrichtung wird als Knicklänge bezeichnet. Von ihr und der Biegesteifigkeit des Querschnitts hängt das Knicken eines Stabes und somit auch eines Bogens ab. Ein Druckstab, geradlinig oder gekrümmt, kann theoretisch in alle Richtungen knicken. Die Querschnittsform legt die Hauptknickrichtungen fest. Bei Rechteckquerschnitten liegen die Hauptknickrichtungen in und aus der Bogenebene.

Knickverhalten von Druckstäben

Knicken führt zur Verschiebung eines Druckstabs aus der Stabachse heraus. Geradlinige oder gekrümmte Druckstäbe unterscheiden sich ganz wesentlich in ihrem Knickverhalten. Während der geradlinige Druckstab bei gelenkiger Lagerung (Eulerfall 2) über die ganze Länge zwischen den Lagern in einer Knickfigur mit gleicher Krümmungsrichtung knickt, knickt der mit dem Eulerfall 2 vergleichbare Zweigelenkbogen antimetrisch nur über die halbe Bogenlänge (Abb. 5). Damit reduziert sich die Knicklänge des Bogens gegenüber einem geradlinigen Druckstab gleicher Lagerungsbedingung und Länge um die Hälfte.

Die Drucknormalkraft, bei der ein rein druckbeanspruchter Stab zu knicken beginnt, wird als Knicklast bezeichnet. Da die Knicklänge den Wert der Knicklast entscheidend beeinflusst, ist bei gleicher Biegesteifigkeit und Ausgangslänge von Bogen und geradlinigem Druckstab die Knicklast des Bogens viermal höher. Das Trägheitsmoment des Bogenquerschnitts kann somit im Vergleich deutlich kleiner und der Querschnitt an sich schlanker ausfallen.

Werden Bogentragwerke bei Bauwerken durch Dachscheiben ausgesteift, kann ein Knicken aus der Bogenebene heraus ausgeschlossen werden. Auch dies führt zur Erhöhung der Schlankheit solcher Tragwerke. Bei freispannenden Bogentragwerken dagegen, wie sie bei Brücken üblich sind, sind größere Querschnitte dann neben der Abtragung von Biegebeanspruchungen unter nicht stützlinienaffinen Lasten auch zur Knickaussteifung der Bögen erforderlich. Abhilfe schaffen räumliche Abspannungen oder Doppelbögen mit fachwerkartigen Aussteifungen zwischen den Bögen.

Autoren: Jürgen Graf, Reiner Klopfer

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Stützen werden im Holzbau sowohl für Skelettkonstruktionen verwendet, wenn sie als systematische Teile des Tragwerks eingesetzt sind, als auch in Kombination mit flächig lastabtragenden Bauteilen, wenn punktuell Öffnungen oder Raumzusammenhänge hergestellt werden sollen (wie hier im Bild).

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Gitterschalen

Die Multihalle in Mannheim, 1974 von Carlfried Mutschler und Frei Otto als Lattengitterschale mit einer Spannweite von 85 Metern errichtet (Aufnahme aus dem Jahr 1975)

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