Neubauten für das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) in Zürich
Weit verzweigt, tief verwurzelt
Der erste Schritt zur Umgestaltung des SRF-Studios in Zürich Leutschenbach ist getan: Im Süden des Komplexes wurden vor Kurzem ein Hoch- und ein Tiefbau errichtet, die – als eine Art Pilotprojekt – die Umsetzung des Masterplans für das weitläufige Areal einläuten. Letzterer stammt, wie auch die Planungen für die Neubauten, von Penzel Valier Architekten und Bauingenieure aus Zürich.
Gallerie
Der neue Hochbau bietet den News- und Sportredaktionen des Senders Raum, integriert aber auch technische Einrichtungen und Installationen, die die Grundlage für weitere Etappen der Transformation des Areals bilden. Gleichzeitig wurde die neue große Tiefgarage mit landschaftlich gestaltetem Dach – dem sogenannten Mediengarten – geschaffen.
Während es beim Hochbau unter anderem darum ging, unterschiedliche Funktionen auf möglichst kleinem Raum sinnvoll zu bündeln, waren bei der Tiefgarage vor allem die Bodenbeschaffenheit und die räumliche Enge zu bewältigen.
Schmale Grundfläche, ausladende Obergeschosse
Der Hochbau lässt sich in drei Bereiche gliedern: den Sockel, der an das benachbarte Gebäude direkt anschließt, die vom Bestand losgelösten, dreiseitig weit ausladenden Obergeschosse und die auf das Dach aufgesetzten Technikeinrichtungen. Dank eines komplexen Tragwerkskonzepts konnten dabei die erforderlichen Nutzflächen sowie weitgehend bis komplett stützenfreie Bereiche geschaffen werden.
Ein durchgängiges baumartiges Stützgerüst trägt zwei als Überzug wirkende Wandscheiben auf dem Dach, von denen wiederum die Decken der Obergeschosse abgehängt sind. In diese Konstruktion eingestellt ist im Sockel eine Art Tisch, der die Decke über dem Erdgeschoss stützt. Dadurch kann insbesondere das erste Obergeschoss wie gewünscht frei von Stützen gehalten werden. Vier Kerne – zwei rechtwinklige und zwei runde – fassen Aufzugsanlagen und Wendeltreppen.
Bei der baumartigen Tragstruktur handelt es sich um eine Stahl-Beton-Hybridkonstruktion. Die Decken über dem Erd- und dem ersten Obergeschoss sind als längs- und quer vorgespannte Kassettendecken in Ortbeton erstellt. In den Etagen darüber kamen Fertigteile zum Einsatz, die man zu Rippendecken kombinieren und über einen Verguss zu leichten, aber steifen Scheiben ausbilden konnte.
In dieses Grundgerüst sind im Erdgeschoss die offenen Fernsehstudios integriert, eingebettet in eine Raumschicht, in der unter anderem Besucherraum, Restaurant und Bar zu finden sind. Das erste Obergeschoss beherbergt die gesamte Sendetechnik und -abwicklung. Darüber finden, durch ein Atrium miteinander verbunden, die Redaktionen mit dem zentralen Newsroom Platz.
Präzision und Ästhetik
Schalungstechnisch besonders hervorzuheben sind im Gebäude für die News- und Sportredaktion die in Ortbeton hergestellten Kassettendecken des Erd- und ersten Obergeschosses. Diese wurden nicht nur so materialsparend wie möglich verwirklicht, sie bieten zudem durch zahlreiche Aussparungen Platz für technische Installationen. Die entsprechende Schalung bestand aus einer Kombination von reversiblen Einlagen und verlorenen Polymerbetonfertigteilen. Einige gebäudetechnische Elemente legte man dabei zeitgleich mit Bewehrung und Vorspannung in die Schalung ein. Betoniert wurde mit selbstverdichtendem Beton in einer einzigen Etappe.
Weniger technisch erscheinen die beiden runden Kerne mit den
Wendeltreppen. Einen Blickfang bildet dabei insbesondere die Treppe
im Foyer, die aufgrund der schrägen Untersichten und der
spiralartigen Geometrie des Treppenauges als Wirbel erscheint.
Verwirklicht wurde die Form mithilfe von in Form geschnittenen
EPS-Elementen.
Blick in die Tiefe
Normalerweise ist eine Tiefgarage architektonisch kaum der Rede wert – beim SRF ist sie ein eigenständiger Bau mit einem ungewöhnlichen, aus den Umständen entwickelten Konzept. Sie befindet sich unterirdisch zwischen zwei Gebäudereihen in einem Raum, der den sogenannten SRF-Campus in Zukunft als grüne Achse prägen wird. Dabei erstreckt sie sich fast über die gesamte Länge des Areals und reicht vier Geschosse in die Tiefe.
Neben der baulichen Enge zwischen den auf Pfählen gegründeten Gebäuden war es vor allem der ungünstig beschaffene Boden, der bei der Planung bewältigt werden musste. Der siltig-tonige, nicht tragfähige Untergrund sowie der hohe Grundwasserspiegel boten alles andere als ideale Bedingungen für ein solches Bauwerk. Hinzu kam der Wunsch nach einer parkähnlichen, dichten Bepflanzung auf der Garagendecke, kombiniert mit einer längsverlaufenden Wasserabführung.
Archaische Höhle
Für die Umsetzung wurde zunächst mit einer umlaufenden Schlitzwand bis auf die undurchlässige und tragfähige Molasse in circa 30 Meter Tiefe ein Rahmen erstellt. Dieser verhindert das Eindringen von Wasser und dient als Tragstruktur. In dem abgegrenzten Bereich schuf man anschließend weitere kurze Schlitzwandscheiben. Statt nun unmittelbar mit dem Aushub zu beginnen, wurde zunächst auf das Terrain ein Deckel gegossen.
Dadurch war das Areal nach dem Aushärten wieder befahrbar, sodass die weiteren Arbeiten an der Tiefgarage unterirdisch durchgeführt werden konnten. Deckelbauweisen sind vor allem aus dem Tunnelbau bekannt. Kommen sie beim Bau von Tiefgaragen zum Einsatz, wird in der Regel doppelgeschossig ausgehoben und nur jede zweite Decke auf dem Untergrund geschalt. In Leutschenbach hingegen arbeite man sich Stockwerk für Stockwerk nach unten.
Bagger als Schalungsbauer
Vor dem Guss des obersten Deckels ließ das Planungsteam das Terrain nach Wunsch formen und dabei mit Kalk und Zement stabilisieren. Für den Modellierungsprozess nutzte man GPS-gesteuerte Bagger, die anhand der einprogrammierten Hochpunkte die gewünschte Form halbautomatisch umsetzten. Es entstand eine gewölbte Form, die auf statische Gegebenheiten und Erschließungswege ebenso abgestimmt ist wie auf die Bepflanzung und Entwässerung auf der Oberseite.
Von oben nach unten
Nach der Fertigstellung der obersten Decke konnte der Aushub der obersten Etage der Tiefgarage beginnen. Die folgenden Untergeschosse wurden in ähnlicher Bauart erstellt. Anders als beim obersten Deckel verwendete man als Schalhaut bei den unteren Decken lose auf den Untergrund gelegte, dünne Holzfaserplatten, die es erlaubten, die Bauteile flexibel und abhängig vom vorgefundenen Baugrund in kleinen Etappen von etwa sechs Metern direkt im Nachgang an den Aushub zu betonieren. Die geschuppte Oberflächenstruktur der überlappend gelegten Faserplatten harmoniert mit der sehr rauen Erscheinung der Schlitzwände.
Die Oberlichtöffnungen und weitere Durchbrüche wurden nach der Fertigstellung der Geschosse freigelegt und mit geschwungenen, hellen Sichtbetonelementen gesäumt, die gleichzeitig die Absturzsicherungen ausbilden. Diese sehr präzisen und glatten Bauteile – die im starken Kontrast zu der Tiefgarage stehen, die archaisch, ausgebuddelt erscheint – korrespondieren wiederum mit dem Hochbau, der die Schweizer Fertigkeit im Betonbau mit homogenen, samtigen Flächen zum Ausdruck bringt.
Die Neubauten konnten als Ensemble eine von vier Auszeichnungen des Schweizer Architekturpreises Beton 21 erringen. -chi
Bautafel
Architektur: Penzel Valier, Zürich
Projektbeteiligte: Krebs und Herde, Winterthur (Landschaftsarchitektur); Billionpoints/Bieling Design, München (Studioplanung); Gruner Gruneko, Basel (HLK-Planung und Fachkoordination); HKG Engineering, Schlieren (Elektroplanung); Reflexion, Zürich (Lichtplanung); Getec, Zürich (Sanitärplanung); Jobst Willers Engineering, Zürich (Gebäudeautomation); Gartenmann Engineering, Zürich (Bauphysik)
Bauherr/in: Schweizer Radio und Fernsehen SRF, Zürich
Standort: Fernsehstrasse 12-14, 8052 Zürich
Fertigstellung: 2019-20
Bildnachweis: Kuster Frey, Zürich; Georg Aerni, Zürich