Wohnhochhaus Patch 22 in Amsterdam
Mehrgeschossige Holzkonstruktion als Nullenergiegebäude
Noch bis vor Kurzem wohnte in Amsterdam Noord nur, wer musste.
Rau ging es hier zu, industrielle Brachflächen prägten das Bild.
Dann kamen die Künstler und Kreativen in das durch das Gewässer IJ
vom Zentrum getrennte Stadtviertel, es folgten schicke Restaurants
und hippe Bars, trendige Geschäfte, das niederländische Filmmuseum
Eye und nun die Menschen, die sich eine Eigentumswohnung leisten
können. So wie die Bewohner des Patch 22 genannten
Mehrfamilienhauses, das sowohl in konstruktiver als auch in
technischer Hinsicht außergewöhnlich ist. Es gilt nicht nur als
höchstes Wohnhaus der Niederlanden, dessen tragende Struktur aus
Holz besteht, es ist auch ein Nullenergiegebäude, d.h. es
produziert genau soviel Energie, wie es verbraucht. Geplant haben
es Frantzen et al Architekten aus Amsterdam.
Gallerie
Errichtet auf einem ehemaligen Dockgelände, stapelten die
Architekten ein halbes Dutzend Geschosse wie Schachteln
übereinander. Leicht gegeneinander versetzt ragen sie insgesamt 30
Meter in die Höhe. Die im Grundriss rechteckigen Wohngeschosse
ruhen auf einem L-förmigen, sechs Meter hohen und großflächig
verglasten Erdgeschoss mit Gewerbenutzung. Als einzige Etage wird
es von V-Stützen aus Beton getragen, in den sechs Stockwerken
darüber besteht die Tragkonstruktion aus dem Holz des
Riesenmammutbaumes, der vielen eher unter der englischen
Bezeichnung Redwood bekannt ist. Während die nach Süden und Norden
ausgerichteten Längsseiten jeweils geschosshoch verglast sind, hat
die westliche Stirnseite schmale hochrechteckige Fensterschlitze;
die Ostfassade ist komplett geschlossen und mit senkrecht
montierten Douglasienlatten verkleidet. Hinter den Glasflächen der
Nord- und Südfassade befinden sich üppige Loggien; an der zum
Wasser orientierten Südseite ist die Tragstruktur mit den weit
gewinkelten diagonalen Holzstützen besonders
augenscheinlich.
Die Gesamtfläche des Gebäudes beträgt rund 5.400 Quadratmeter;
die Art der Konstruktion ermöglichte flexibel teilbare Grundrisse
mit bis zu maximal acht Wohnungen pro Geschoss. Aufzüge und Treppen
sowie der Strang der Versorgungsleitungen sind in einem schmalen
Erschließungskern aus zweischaligen Betonwänden untergebracht und
auch die weit gespannten Geschossdecken sind aus Beton gefertigt.
Die Wände hingegen bestehen aus Holz, ebenso die tragenden Stützen
und Balken. Die Holzstützen haben einen Querschnitt von 45 x 55 cm,
die Balken messen 80 x 45 cm. Wie die Wände sind sie von 8 cm
starkem Brettschichtholz aus Tanne ummantelt. Im Brandfall kann die
äußere Holzschicht verbrennen und die statisch und strukturell
notwendige Holzkonstruktion durch Verkohlen bis zu 120 Minuten
schützen.
Heizung
Sämtliche Sanitär-, Elektro- und Heizungsinstallationen des
Nullenergiehauses sind in den Hohlraumböden der einzelnen Geschosse
untergebracht, was zu der flexiblen Grundrissgestaltung beiträgt.
Einzeln abnehmbare Paneele erlauben den Zugang zu Wartungszwecken
und die Anpassung der technischen Installationen an die Bedürfnisse
der Nutzer. Ein zentraler, automatisch gesteuerter Pelletofen
erzeugt die Wärme, die über eine Fußbodenheizung in den Wohnungen
verteilt wird. Der Brennstoff aus Restholzpresslingen verbrennt
CO₂-neutral.
Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung versorgen die Wohnungen mit frischer Luft und tragen zur effizienten Energienutzung bei. Sie sind am oberen Teil der Wand zwischen Innenraum und Loggia angebracht und werden von Sensoren gesteuert, die Luftparameter wie CO₂, Temperatur und Luftfeuchtigkeit messen und die Lüftung automatisch und nach Bedarf regeln. Die Lüftungsrohre verlaufen unter den Decken und blieben in vielen Wohnungen unverkleidet.
Auf dem Flachdach befindet sich eine Photovoltaikanlage, die das Mehrfamilienhaus mit grünem Strom versorgt. Die Warmwasserbereitung erfolgt mittels thermischer Solarkollektoren. Zudem wird Regenwasser auf dem Dach aufgefangen, in einem Tank unter dem Gebäude gesammelt und zum Spülen der Toiletten genutzt. Nachhaltigkeit war oberstes Gebot bei der Planung.
Bautafel
Architekten: Frantzen et al Architekten, Amsterdam (Tom Frantzen, Karel van Eijken, Laura Reinders)
Projektbeteiligte: H2O Bouwmanagement, Zeist (Tragwerksplanung); LBP sight, Utrecht (Bauphysik); Pieters Bouwtechniek, Amsterdam (Bauingenieur); BVej, De Bilt (Brandschutz)
Bauherr: Lemniskade Projecten, Amsterdam
Fertigstellung: 2016
Standort: Johan van Hasseltkade 280, Amsterdam
Bildnachweis: Luuk Kramer, Amsterdam
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