Wohnquartier Wientalterrassen in Wien
Regenerative Wärmeversorgung mit ungewöhnlichen Wärmequellen
Das Flüsschen Wien schlängelt sich aus Westen kommend südöstlich des Wiener Zentrums durch die Stadt, eingebettet in die städtische Infrastruktur und bildet das Wiental. In diesem liegt auch der 14. Bezirk Penzing, wo ein neues Wohnquartier nach Plänen des österreich-finnischen Architekturbüros Berger + Parkkinen in Arbeitsgemeinschaft mit Architekt Christoph Lechner & Partner errichtet wurde. Die fünf parallel zur Bahntrasse Richtung Westbahnhof ausgerichteten Baukörper zeichnen sich durch ihren nachhaltigen Betrieb aus, der gänzlich auf fossile Brennstoffe verzichtet und stattdessen auf regenerative Energien setzt – unter Einsatz einiger ungewöhnlicher Wärmequellen.
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Die 30.000 Quadratmeter große Wohnanlage bietet Wohnraum für
ganz unterschiedliche Bedürfnisse. Insgesamt 295 Wohnungen gibt es
in dem neuen Quartier. Davon sind 196 Mietwohnungen, die staatlich
gefördert werden. Zusätzlich gibt es 99 kleinere SMART-Wohnungen
sowie zwei Wohngemeinschaften für Kinder und Jugendliche und zwei
betreute Einheiten für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Die
Anlage beherbergt auch ein Tageszentrum, das vom Kuratorium Wiener
Pensionisten-Wohnhäuser betrieben wird, sowie ein Tageszentrum für
externe Rollstuhlfahrer*innen und Büroräume.
Alle Wohnungen sind nach Süden, Westen oder Osten ausgerichtet. Zur nördlich vorbeiführenden Bahntrasse zeigen sich die Baukörper weitgehend geschlossen. Auf dem Dach des um zwei Geschosse niedrigeren Bauteils entlang der Südseite sind großzügige und begrünte Gemeinschaftsterrassen angelegt – die namensgebenden Wientalterrassen.
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Passive Maßnahmen zur Energieeffizienz
Ein wichtiger Aspekt für die Bauherrin und das Planungsteam war das Thema der Nachhaltigkeit in Bau und Betrieb. Entsprechend wurden zunächst einige passive, also bauliche Maßnahmen vorgenommen, etwa der Einbau von hochwärmedämmenden Fenstern oder wassersparenden Armaturen. Ein speziell entwickeltes Recyclingsystem vor Ort soll zusätzlich einen nachhaltigen Lebensstil fördern. Der begrünte Dachgarten dient als Puffer, um städtische Wärmeinseln zu reduzieren.
Zur Nachhaltigkeit gehört auch die Langlebigkeit des Gebäudes: Die Grundrisse sind modulierbar konzipiert, bestehen also aus Leichtbauwänden, die ohne allzu großen Aufwand entfernt werden können. Sogenannte „Schalträume“ sind im Grundriss so angeordnet, dass sie den angrenzenden Wohnungen zugeordnet oder von ihnen abgetrennt werden können. Auch das Zusammenschließen zu größeren Einheiten, etwa zur Nutzung als Büro, ist vorgedacht.
Mehrere Energiequellen für autarken Betrieb
Um bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen, wurde die Gebäudetechnik so konzipiert, dass die Kosten für Heizung, Warmwasser und Kälte minimiert werden und weitgehend unabhängig von fossilen Brennstoffen sind. Stattdessen werden fast ausschließlich erneuerbare Energien genutzt. Das Energiekonzept basiert auf dem Niedrigstenergiehausstandard. Die Hauptakteure in diesem System sind Wärmepumpen, die ihre Umweltenergie aus verschiedenen Quellen beziehen. Neben herkömmlichen Tiefensondenfeldern mit Niedertemperatur-Solarabsorbern ist auch der Gehweg vor der Wohnanlage mit einem Asphaltkollektor ausgestattet, um Wärme aus der Sonne zu gewinnen.
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Eine weitere wichtige Energiequelle ist das Abwasser, das bisher noch viel zu selten zur Energiegewinnung genutzt wird. Da der tägliche Abwasseranfall direkt mit dem Warmwasserbedarf zusammenhängt, stellt es eine konstante Wärmeenergiequelle dar. Zusätzlich werden unverglaste Niedertemperatur-Solarabsorber eingesetzt, um die Effizienz der Wärmepumpen in der Übergangszeit zu verbessern und im Sommer das Tiefensondenfeld vollständig zu regenerieren. Die Stromversorgung erfolgt hauptsächlich über eine Photovoltaikanlage. Falls zusätzliche Energie benötigt wird, wird sie aus dem öffentlichen Stromnetz bezogen.
Modell für nachhaltige Architektur
Die Räume werden durch Aktivierung der Betondecken beheizt. Dieses System hat den Vorteil, dass es im Sommer auch zur Kühlung der Räume genutzt werden kann und mit der dabei abgeführten Wärme gleichzeitig die Tiefensonden regeneriert werden. Die zentrale Warmwasserversorgung erfolgt ausschließlich durch die Abwasserwärmerückgewinnung in Verbindung mit einer Wärmpumpe und einem Pufferspeicher. Um die Wärmeverluste des Zirkulationskreislaufs auszugleichen, ist eine kleine Luft/Wasser-Wärmepumpe integriert. Diese nutzt die Abwärme im Haustechnikraum, insbesondere die Motorabwärme der Wärmepumpen sowie die Verluste der Rohrleitungen und des Pufferspeichers. Dadurch werden die Temperaturen im Technikraum gesenkt und die Lebensdauer der technischen Geräte erhöht.
Mit all diesen Maßnahmen soll das Wohnquartier Wientalterrassen einen neuen Standard für nachhaltige Architektur in Wien setzen und als Modell für zukünftige Projekte in der Stadt und weltweit dienen. -tg
Bautafel
Architektur: ARGE KDG / Architekt Christoph Lechner & Partner und Berger+Parkkinen Architekten, beide Wien
Projektbeteiligte: Atelier für Landschaft Lindle Bukor, Wien (Landschaftsarchitektur); Gmeiner Haferl, Wien (Statik); HTB-Plan-Haustechnik Planungs, Wien (Haustechnik); Schöberl & Pöll, Wien (Bauphysik); Ing. Robert Brugger / Prüfstelle für Brandschutztechnik, Wien (Brandschutz)
Bauherr*in: WBV-GPA Wohnbauvereinigung für Privatangestellte, Wien
Fertigstellung: 2022
Standort: Käthe-Dorsch-Gasse 17, 1140 Wien, Österreich
Bildnachweis: Berger+Parkkinen, Wien; Daniel Hawelka, Wien/Linz; Wolfgang Thaler, Wien
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