Umgehungsstraße Brixen-Vahrn
Stilvolle Entlastung
Umgehungsstraßen werden meist eher als ein notwendiges Übel begriffen und weniger als eine Gestaltungsaufgabe. Wie es anders geht, zeigt die Westumfahrung Brixen-Vahrn, die im Moment in Südtirol entsteht. Ein fünf Kilometer langes Teilstück wurde inzwischen fertiggestellt – die Tunneleingänge, Lüftungskamine und Begleitbauten entwarf das ortsansässige Büro Modus Architects.
Gallerie
Die insgesamt acht Kilometer lange Umgehungsstraße verläuft entlang der Brennerautobahn und der entsprechenden Eisenbahnstrecke. Bei dem bereits verwirklichten Teilstück waren aufgrund der Topologie – oder vorhandener Bebauung an der Oberfläche – zwei Tunnelbauwerke nötig; zudem wurden die zwei Anschlüsse an die Ortszentren von Brixen und Vahrn in Tunnelbauweise ausgeführt. Einige der Zutaten für den Tunnelbeton, unter anderem die Körnung, stammen dabei von der Baustelle des Brennerbasistunnels, die nur etwa 64 Kilometer entfernt liegt.
Beschleunigte Wahrnehmung
Die Einfahrten in diese Bauwerke sind so gestaltet, dass sie als Portale wahrgenommen werden. Der südliche Tunneleingang, der gleichzeitig einen der beiden Startpunkte der Umgehungsstraße darstellt, ist rundlich geformt und entwickelt sich aus einer Stützwand heraus, sodass er als natürliche Fortführung der Straße erscheint und die automobil Reisenden ins Innere zieht.
Zwischen dem Nord- und Südtunnel ist ein kurzes Teilstück an der Oberfläche geführt. Hier dockt ein etwa 500 Meter langer Mittelanschluss an – ein weiterer kurzer Tunnel, der die Verbindung zum Stadtzentrum von Brixen herstellt. Zum Stadtzentrum hin weitet sich die Zufahrt in dieses Bauwerk auf; der obere Anschluss ist herzförmig geschwungen gestaltet.
Im Unterschied dazu ist der ebenfalls mit einem Tunnel hergestellte Anschluss des benachbarten Ortes Vahrn im Norden mit eckigen Portalen gestaltet, die sich nach beiden Seiten aufweiten. Auf der stadtseitigen Einfahrt kragt die Betondecke aus und scheint die Autofahrerinnen und -fahrer dadurch heranzuwinken.
Bleibende Eindrücke
Mit Brettern geschalter sowie glatter Ortbeton, strukturierte Fertigteile aus Porenbeton sowie Lärmschutzwände mit rhythmisch angeordneten Lärchenholzstützen prägen das Umfeld der Tunneleingänge. Ein skulpturaler Abluftkamin aus Cortenstahl macht oberirdisch im Bereich des Südtunnels auf das Verkehrsbauwerk aufmerksam.
Der Entwurf von Modus Architects verbindet Landschaft und Verkehrsinfrastruktur und sorgt für einen spannungsvollen Übergang zwischen unterirdischen und oberirdischen Arealen. Als Teil des urbanen Raums von Brixen sind die architektonisch gestalteten Elemente der Umgehungsstraße entscheidend für die Wahrnehmung der automobil Reisenden, die Brixen und Vahrn auf dieser Route passieren.
Schalung: Ingenieurbau trifft Architektur
Während der Südtunnel und der Ortsanschluss Brixen vorwiegend bergmännisch realisiert wurden, ließen sich die weiteren Tunnelbauwerke weitgehend in offener Bauweise ausführen. Für die Verwirklichung der Wände und Decken kamen zum Teil Tunnelschalwagen zum Einsatz. Portale mit besonderem Querschnitt wurden nach der Fertigstellung der eigentlichen Tunnel davor betoniert.
Verwendet wurden je nach Anforderung unterschiedliche Schalungselemente. Im Bereich des sich aufweitenden, herzförmigen Tunneleingangs des Mittelanschlusses Brixen etwa ließ man zunächst die leicht schrägen Wände im Bereich der unteren zwei Drittel konventionell schalen und betonieren. Danach wurde mithilfe eines Schalungstisches und speziell für dieses Projekt gezimmerten Schalungen das geschwungene obere Drittel erstellt. Aufgrund der gewählten Schalhaut zeigt die Oberfläche den Abdruck schmaler Bretter.
Auch die Portale der Tunnel des Ortsanschlusses Vahrn zeigen
diese Sichtbetontextur. Die Eingänge flankieren dort zudem dunklere
Fertigteilelemente mit einem rhythmischen Streifenmuster, das
mithilfe entsprechender Schalungseinlagen im Fertigteilwerk
entstand. Die poröse Struktur dieser Elemente wirkt
schallabsorbierend und trägt dadurch zur Lärmreduzierung bei. Als
Material verwendete man einen Leichtbeton mit Blähtonkugeln als
Zuschlag. -chi
Bautafel
Architektur: MoDusArchitects, Brixen (Sandy Attia, Matteo Scagnol)
Projektbeteiligte: Bauingenieurbüro Valdemarin, Brixen, mit EUT Energie und Umwelttechnik, Brixen, Bergmeister – innovative & responsible engineering, Vahrn, und Geoconsulting Int., Bozen (Bauleitung und Planungteam); PAC, Bozen, mit Wipptaler, Sterzing, und Betoneisack, Chiusa (Generalunternehmen); Studio Tema, Forli'-Cesena (technologische Beratung)
Bauherrschaft: Ressort für Infrastruktur und Mobilität der Autonomen Provinz Bozen, Italien
Standort: Brixen, Provinz Bozen, Italien
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Leonhard Angerer, Brixen; Gustav Willeit, Kurfar / Zürich; Mario Valdemarin, Brixen; MoDus Architects, Brixen