Parkhaus im Neckarpark in Stuttgart
Vereinte Widersprüche
Ein nachhaltiges Parkhaus? Was paradox klingt, wurde von asp
Architekten in Stuttgart überzeugend umgesetzt. Als Teil des
neugeplanten Quartiers „Neckarpark“ schafft der Neubau Platz für
einen Großteil der benötigten Autostellplätze und dient zugleich
als Energiezentrale für das Viertel mit 850 Wohneinheiten.
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Nachhaltige Stadtentwicklung im Heilquellenschutzgebiet
Das neu entstehende Quartier auf dem Gelände des ehemaligen
Güterbahnhofs in Bad Cannstatt bei Stuttgart sollte über eine
eigene nachhaltige wie zukunftsfähige Energieversorgung verfügen.
Außerdem galt es bei der Planung die unterirdischen Heilquellen zu
berücksichtigen; eine bauliche Herausforderung, die bereits beim
umstrittenen Bauvorhaben des Stuttgarter Hauptbahnhofs für Probleme
sorgte. Dazu kam, dass die Gesamtheit der benötigten
Autostellplätze nicht in Tiefgaragen untergebracht werden konnte.
Als Lösung für die unterschiedlichen Anforderungen wurde ein
zentrales Parkhaus vorgesehen, das zugleich die Energiezentrale für
das Viertel beherbergt.
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Rautenförmige Stahlkonstruktion für stützenfreie
Ebenen
Außenliegende Stahlträger, die sich rautenförmig um das Gebäude
legen, bestimmen die Erscheinung des viergeschossigen Parkhauses.
Diagonale Stahlbetonträger machen den Lastabtrag auch im Inneren
des Gebäudes ablesbar und ermöglichen in Kombination mit
Stahlträgern stützenfreie Parkflächen. Die Autostellplätze sind auf
insgesamt sechs Ebenen verteilt. Rund 20 Prozent der 344 Parkplätze
sind mit elektrischen Ladestationen ausgestattet, die restlichen 80
Prozent können mit Ladeanschlüssen nachgerüstet werden. Neben einer
Fahrradgarage im Erdgeschoss mit 185 Stellplätzen befindet sich
dort auch eine Fahrradwerkstatt. Dies soll laut asp Architekten zum
Umdenken in Bezug auf alternative Mobilitätskonzepte anregen, um
den motorisierten Individualverkehr in Zukunft möglichst weit zu
reduzieren.
Im Erd- und im Untergeschoss ist die von außen einsichtige Energiezentrale untergebracht, die das Viertel mit Wärme versorgt. Ein Großteil des Bedarfs der 850 Wohneinheiten wird mithilfe von Wärmepumpen gedeckt, die Energie aus dem Abwasser eines nahe gelegenen Kanals Energie gewinnt. Pufferspeicher und Blockheizkraftwerke speichern die gewonnene Wärmeenergie und ermöglichen den Betrieb der Wärmepumpen. Auf dem begrünten Dach aufgeständerte Solarmodule ergänzen das nachhaltige Energiekonzept.
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Gebäudehülle
Die Anforderungen an die Gebäudehülle waren ebenfalls heterogen.
Zum einen sollte der Neubau als Schallschutzbarriere für das
Quartier dienen, wenn im Herbst das jährlich stattfindende
Volksfest Cannstatter Wasen in unmittelbarer Nachbarschaft
stattfindet. Zum anderen war eine natürliche Durchlüftung des
Parkhauses gefordert: Während Ersteres eine geschlossene Fassade
voraussetzt, erfordert Letzteres eine offene Gebäudehülle. Diesen
Widerspruch lösten die Planenden, indem sie auf der Nordseite eine
Fassade aus grünen Glaspaneelen vorsahen, die das Gebäude in
Richtung Straße und Festgelände luftdurchlässig schließt. Die
übrigen drei Fassaden hingegen sind offen gestaltet. Entsprechend
den Richtlinien des neuen Viertels galt es eine
Fassadenbegrünungsquote von 30 Prozent umzusetzen, die jedoch nicht
bodengebunden sein musste. Diese Quote konnte mit Pflanzentrögen
erfüllt werden, in die offenen Fassaden integriert sind. Ein
Edelstahlnetz dient als Rankhilfe für die Pflanzen und zugleich als
Absturzsicherung.
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Treppenskulptur und strapazierfähige Bodenbeschichtung
Die Haupterschließung des Parkhauses für Fußgänger*innen liegt auf der Ostseite des Gebäudes. Wie eine rote Skulptur verläuft das Treppenhaus entlang der Fassade und sticht deutlich hervor. Rot ist auch die Hauptfarbe des von Tillack Knöll entworfenen Gebäudeleitsystems. Die Bodengestaltung greift diese farbliche Markierung teils auf. Für den Boden des Parkhauses wurden unterschiedliche Typen eines Bodenbeschichtungssystems verwendet. Da die obere Deckschicht in allen Bereichen dieselbe ist, sind die Unterschiede visuell kaum sichtbar. In Bereichen mit einer zu erwartend hohen Frequenz – wie Rampen, Ein- und Ausfahrten – wurde eine Beschichtung mit hoher Verschleißfähigkeit gewählt. Laut Hersteller sei diese zudem emissionsärmer als herkömmliche Systeme, da bei der Herstellung 90 Prozent weniger Sand verwendet wird als üblich. Auf den sonstigen Fahr- und Parkflächen sowie auf den Fußwegen kamen zwei strapazierfähige Beschichtungen mit griffiger, schmutzunempfindlicher Oberfläche zum Einsatz. Grauabstufungen und Markierungen heben Fußwege und Fahrbahn voneinander ab.
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Als klarer Baukörper mit stringenter Funktionsaufteilung und konsequentem Tragwerkssystem vereint das Parkhaus im Neckarpark widersprüchliche Anforderungen. Dabei ermuntert es hoffentlich in Zukunft trotzdem vom motorisierten Individualverkehr Abstand zu nehmen – viele potenzielle Umnutzungsmöglichkeiten wären auf den lichten Parkebenen denkbar. -hs
Bautafel
Architektur: asp Architekten, Stuttgart
Projektbeteiligte: Mayr Ludescher Partner, Stuttgart (Tragwerk); IBS Ingenieurgesellschaft, Bietigheim-Bissingen (Planung, Bauleitung TGA Energiezentrale); IB Neckermann + Partner Ingenieure, Gerlingen (TGA, HLS Parkhaus); Ingenieurbüro Werner Schwarz, Stuttgart (TGA, ELT Parkhaus); DS-Plan, Stuttgart (Fassadenplanung); Koeber Landschaftsarchitektur, Stuttgart (Fassadenbegrünung); Kuhn Decker, Stuttgart (Brandschutz); GN Bauphysik, Stuttgart (Bauphysik); Studio Tillack Knöll, Stuttgart (Orientierungssystem); Züblin AG (Bodenbeschichtung: Viasol Deck OS10 (Rampen; Ein- und Ausfahrten), OS11a (Fahr- und Parkflächen) und OS11b (Fußwege; Fahrradgarage) von Viacor, Rottenburg)
Bauherr/in: Landeshauptstadt Stuttgart, Tiefbauamt, Amt für Umweltschutz, Stuttgart
Fertigstellung: 2021
Standort: Frachtstraße 30, 70372 Stuttgart
Bildnachweis: Zooey Braun, Stuttgart; asp Architekten
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