Jade Eco Park in Taichung

Verbindung von Natur und Technologie

Der Schweizer Philippe Rahm ist mit seinen Projekten international bekannt geworden: Der Architekt entwirft nicht nur physische Gebäude und Anlagen, sondern erweitert sie um einen dynamischen, meteorologischen Aspekt – er konstruiert sprichwörtlich Atmosphären. Dabei sind die physikalischen Phänomene und klimatischen Faktoren sowohl Ausgangspunkt als auch Endziel des Entwurfsprozesses und bilden das Herzstück der Arbeiten. Mit dem Jade Eco Park hat sein in Paris beheimatetes Team (Philippe Rahm architectes) gemeinsam mit Mosbach Paysagistes und Ricky Liu & Associates Architects + Planners ein ganz spezielles Stadtentwicklungsprojekt im taiwanesischen Taichung mitgestaltet, das 2018 fertiggestellt wurde. 

Gallerie

Taiwan ist etwa nur so groß wie Baden-Württemberg und verfügt dennoch über mehrere Ballungsräume. Einer davon ist die Metropolregion von Taichung, in der heute etwa 2,8 Millionen Menschen. Seit den 1970er Jahren ist die Stadt in rasant gewachsen und hat so die früheren Reisfelder der Umgebung längst geschluckt. Im Rahmen eines Wettbewerbs wurden 2011 Landschafts- und Architekturentwurfe gesucht, die das Gelände des alten Flughafens in einen 70 Hektar großen Park umwandeln. Dieser sollte wiederum das Kernstück eines neuen größeren neuen Stadtteils mit einer Gesamtfläche von 256 Hektar bilden. Den erstplatzierten Entwurf setzten Philippe Rahm architectes in einem mehrjährigen Planungs- und Realisierungsprozess um. 2018 öffnete die Grünanlage schließlich ihre Tore.

Gallerie

Grüne Megastruktur

Auf einer Länge von drei Kilometern modulierte das Planungsteam den Park mit Teichen und Becken, Senken und flachen Erhebungen, die eine große Varietät an Landschaften, Spazierwegen und Aussichtspunkten erzeugen. Das Gelände ist in drei Parzellen zoniert, die durch zwei mehrspurige Straßen getrennt sind. Jedoch verschwinden diese teilweise unter begrünten, in die Hügellandschaft eingebetteten Brücken, die für ein sicheres Spazierengehen sorgen. Auf den Flächen zu finden sind unter anderem Spielplätze und Sportmöglichkeiten, miteinander verbunden durch gewundene Wege. Das Angebot ergänzt ein Besucherzentrum, während ein Wartungsgebäude hilft, die im Park eingesetzten Technik am Laufen zu halten. 

Im Süden befinden sich ein Wasserressourcenzentrum und ein Parkplatz. Das bogenförmige, rund 41 Hektar umfassende Hauptgelände in der Mitte ist als Erholungs- und Sportzone angelegt. Hier steht auch ein 3.500 Quadratmeter großes Besucherzentrum, das Climatorium, das neben einem neben einem Café auch über Flächen verfügt, auf denen die unterschiedlichen Klimakonzepte der Grünanlage vorgestellt werden.

Gallerie

Im Nordteil liegen ein weiterer Parkplatz, ein Verwaltungszentrum sowie ein Kraftwerk mit 10.000 Solarmodulen, das den Strombedarf des Parks deckt. Die Photovoltaik-Paneele stehen jedoch nicht auf dem Rasen, sondern mehrere Meter hoch aufgeständert auf einem weißen Stahlrost. Die Konstruktion funktioniert wie eine gigantische Pergola, die das Sonnenlicht teilweise aussiebt über der von Wegen durchzogenen, weitläufigen Grünfläche. Der schattige Außenraum trägt den Namen Faded Exterior.

Über das Grundstück verteilt sind zwölf thematische Felder, die den Besucher*innen spielerisch oder musisch ihre Sinne aktivieren können. So gibt es beispielsweise ein Hörfeld mit Musik von sich im Wind bewegenden Glockenspielen. Beim Gleichgewichtsfeld kann man hingegen in Netzen über dem Grün schweben.

Gallerie

Wasser im Überfluss

Nicht nur zum Erholen und Spielen ist der Park gedacht, auch überschüssiges Wasser soll er absorbieren. Bei Unwettern können 80 Prozent seiner Fläche als Rückhaltebecken geflutet werden. 25 Prozent machen während der Regenzeit die sieben Teiche aus. Ein 800 Meter langer Teich auf dem Hauptgrundstück bleibt das ganze Jahr über in Betrieb. Getreu der Überzeugung Rahms, dass Stadtentwicklung künftig in besonderer Weise auf klimatische Herausforderungen reagieren muss, wurde bei dem umfangreichen Projekt das Wissen um physikalische Phänomene wie Konvektion, Wärmeleitung, Wärmeaustausch, Emissionsgrad, Albedo (das Rückstrahlvermögen einer Fläche) und Verdunstung mit einbezogen. Das Ziel war dabei, den Städter*innen ein Stück Natur zurückzugeben und Außenräume zu schaffen, in denen die Extreme des subtropischen, warmen und feuchten Klimas Taiwans abgemildert werden.

Gallerie

Entwurfsgrundlage Klimastudie

Dementsprechend wurden Landschaftsgestaltung und Technologie genutzt, um Parkbereiche mit frischerer und saubererer Luft zu schaffen. Den Startpunkt des planerischen Prozesses bildete die Erstellung von Karten, die auf den Daten von drei numerischen Strömungssimulationen (Computational Fluid Dynamics –CFD) basieren. Eine der Karten zeigt die Wärmeverteilung auf dem Gelände, die zweite die Luftfeuchtigkeit und die dritte die Luftqualität. Dabei stellten die Planer*innen anhand der Karten fest, dass einige Bereiche des Parks grundsätzlich wärmer, feuchter und verschmutzter sind. Dagegen sind andere Gebiete kälter, weil sie auf der Route der kalten Nordwinde liegen, oder trockener, da sie vor dem Südwestwind geschützt sind, der die Luftfeuchtigkeit erhöht. Manche Areale sind wiederum sauberer, weil sie weiter von den Straßen entfernt sind.

Gallerie

Atmosphären gestalten

Ausgehend von den bestehenden klimatischen Bedingungen definierten die Planer*innen drei Klimatypen, die jeweils einem bestimmten atmosphärischen Parameter sowie Aktivitäten wie Entspannung oder Sport gewidmet sind: vier coolia (kühle Bereiche), drei dryia (trockene Bereiche) und vier clearia (Bereiche mit sauberer Luft). Um die Vielfalt der Mikroklimata und sinnlichen Erfahrungen in den verschiedenen Parkbereichen zu erhöhen, überschneiden und überlagern sich die drei Klimatypen nach dem Zufallsprinzip. So kann die Luft an einem Ort beispielsweise weniger feucht und weniger verschmutzt sein, aber immer noch warm, während an anderen Stellen im Park die Luft zwar kühler und trockener ist, aber immer noch verschmutzt. 

Drei jeweils etwa 2,2 Kilometer lange Wege, leiten durch den Park leiten und kreuzen sich in Nord-Süd-Richtung. Der trockene Weg dient sportlichen Aktivitäten. Er weist die größten Höhenunterschiede auf und ist mit Pflanzen und Geräten zur Luftentfeuchtung ausgestattet. Der saubere Weg, der völlig barrierefrei ist, ist für Familien gedacht. Ihn säumen Pflanzen und Geräte, die Schadstoffe aus der Luft filtern. Der kühle Weg verfügt über eine gemäßigte Topographie sowie kühlende Pflanzen und Geräte.

Gallerie

Zusammenspiel aus Pflanzen und Maschinen

Insgesamt rund 10.000 Bäume zählt der Park. Zusätzlich wurden ca. 300 weiße, futuristisch wirkende Klimageräte in der Grünanlage aufgestellt, die die Luft kühlen, trocknen oder reinigen, indem sie physikalische bzw. meteorologische Phänomene imitieren. Die Kühlanlagen arbeiten beispielsweise konvektiv, indem durch einen Wärmetausch im Boden abgekühlte Luft in die Atmosphäre blasen. Andere wirken konduktiv und kühlen durch die Berührung ihrer schwarzen, kalten Oberfläche. Wiederum andere Geräte sondern Nebel oder Regen ab oder filtern und reflektieren das Sonnenlicht. Dazu wurden Baumarten gepflanzt, die mit ihren besonders vielen oder großen Blättern große Schatten erzeugen. Auch Bäume mit weißen Blüten und wachsartigen, hellen Blätter sind vertreten, denn sie reflektieren die Sonnenstrahlen. Außerdem wurden Baumarten gewählt, die über starke Verdunstung die Luft in der Umgebung kühlen

Um die Feuchtigkeit im Park zu reduzieren, wurden vor Regen schützende Unterstände errichtet und Bäume mit dichtem Laub angesiedelt. Zudem sollen Bäume mit Luftwurzeln sowie künstliche Trocknungsgeräte mit Silikatgel-Austauscher die Luft entfeuchten. Weiterhin gibt es Geräte, die Schadstoffe aus der Luft filtern sowie Lärm und die Zahl der Mücken reduzieren sollen. Hier kommen Bäume zum Einsatz, die Stickstoffoxide und andere Aerosole absorbieren und zusätzlich als Lärmschutzwände wirken. Mücken wehren die an Laternenpfeilern angebrachten Ultraschallgeräte ab, deren Frequenz den Flügelschlag von Libellen imitiert.

Gallerie

Orientierung per Smartphone-App

Der surreale Eindruck, den die Landschaft aus Wasser, Pflanzen und weißen Maschinen macht, wird dadurch verstärkt, dass bei vielen der Klimageräte einige unerwartete Dinge geschehen: Innerhalb weniger Minuten kann eine rauschende Brise entstehen, die Nebelschwaden erzeugt, während sich die Farbe des Lichts ändert und die Temperatur sinkt.

Was gerade in den unterschiedlichen Zonen passiert, erfahren die Besucher*innen über eine Smartphone-App. Sie visualisiert die Daten der im Park verteilten Sensoren, die kontinuierlich Lufttemperatur, Sonneneinstrahlung, Wind, Luftfeuchtigkeit und Luftverschmutzungen messen. Aus den Aufzeichnungen wird eine dynamische Karte erstellt, die in der App aufrufbar ist und jederzeit über die aktuellen klimatischen Bedingungen an jedem Ort des Parks informiert.

Bautafel

Architektur: Philippe Rahm Architectes, Paris
Projektbeteiligte: Mosbach Paysagistes (Landschaftsarchitekt); Ricky Liu & Associates; BOLLINGER & GROHMANN (Tragwerk); Patrick RIMOUX (Lichttechnik); Böllinger & Grohmann (Bauingenieurwesen); Transsolar (Klimatechnik)
Buaherr*in: Taichung City Government
Standort: Taichung, Taiwan
Fertigstellung: 2018
Bildnachweis: Philippe Rahm Architectes (Fotos und Pläne)

Fachwissen zum Thema

Dachintegrierte Photovoltaikanlage am Berliner Hauptbahnhof; gmp Architekten

Dachintegrierte Photovoltaikanlage am Berliner Hauptbahnhof; gmp Architekten

Funktionen

Sonnenschutz und Stromerzeugung

Glasfassaden und Glasdächer dienen zunehmend der Integration von Solarzellen zur photovoltaischen Stromgewinnung. Die einfallende...

Sonnenstandsberechnungen sind grundlegend, um Gebäudeausrichtung, Verschattung und Sonnenschutzelemnte planen zu können. Im Bild zu sehen ist das Hochhaus im Bremer Stadtteil Neue Vahr, dessen 189 Apartments alle der „Feierabendsonne“ zugewandt sind.

Sonnenstandsberechnungen sind grundlegend, um Gebäudeausrichtung, Verschattung und Sonnenschutzelemnte planen zu können. Im Bild zu sehen ist das Hochhaus im Bremer Stadtteil Neue Vahr, dessen 189 Apartments alle der „Feierabendsonne“ zugewandt sind.

Bauphysik

Sonnenstandsdiagramm

Diagramme und Berechnungsformeln helfen einzuschätzen, wie sich Sonnenlicht und Schatten an einem Gebäude verhalten.

Bauphysik

Strahlungstechnische Größen

Die Berechnung des sommerlichen Wärmeschutzes bezieht sich auf transparente Bauteile wie die Verglasung.Die zur Beschreibung...

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
Baunetz Wissen Sonnenschutz sponsored by:
MHZ Hachtel GmbH & Co. KG
Kontakt: 0711 / 9751-0 | info@mhz.de
Zum Seitenanfang

 Das Pariser Architekturbüro hat im aufstrebenden Quartier Brazza in Bordeaux ein multifunktionales Sportzentrum errichtet.

Das Pariser Architekturbüro hat im aufstrebenden Quartier Brazza in Bordeaux ein multifunktionales Sportzentrum errichtet.

Freizeit /​ Sport

Multifunktionales Sportzentrum in Bordeaux

Gestapeltes Schwitzen

Der 2018 eröffnete Jade Eco Park in Taichung wurde von Philippe Rahm architectes gemeinsam mit Mosbach Paysagistes und Ricky Liu & Associates Architects + Planners entworfen. Im Bild zu sehen ist das zum Park gehörende Solarkraftwerk.

Der 2018 eröffnete Jade Eco Park in Taichung wurde von Philippe Rahm architectes gemeinsam mit Mosbach Paysagistes und Ricky Liu & Associates Architects + Planners entworfen. Im Bild zu sehen ist das zum Park gehörende Solarkraftwerk.

Freizeit /​ Sport

Jade Eco Park in Taichung

Verbindung von Natur und Technologie

Mit Hilfe eines denkmalgerechten Instandsetzungskonzeptes des Ingenieursbüro Knippershelbig und mit Hilfe der Wüstenrotstiftung konnte das einsturzgefährdete ikonische Sonnensegel in Dortmund von dem Verfall gerettet werden.

Mit Hilfe eines denkmalgerechten Instandsetzungskonzeptes des Ingenieursbüro Knippershelbig und mit Hilfe der Wüstenrotstiftung konnte das einsturzgefährdete ikonische Sonnensegel in Dortmund von dem Verfall gerettet werden.

Freizeit /​ Sport

Instandsetzung: Sonnensegel in Dortmund

Substanzschonende Sanierung des Holzschalentragwerks von 1969

Raumwunder mit bewegter Hülle: Mit einer variantenreich gestalteten Ziegelfassade und durchdachtem Raumkonzept wartet das Sportzentrum Camp del Ferro in Barcelona auf Sporttreibende und die, die dabei zuschauen wollen.

Raumwunder mit bewegter Hülle: Mit einer variantenreich gestalteten Ziegelfassade und durchdachtem Raumkonzept wartet das Sportzentrum Camp del Ferro in Barcelona auf Sporttreibende und die, die dabei zuschauen wollen.

Freizeit /​ Sport

Sportzentrum in Barcelona

Stein auf Stein im Sportverein

Einen in die Jahre gekommenen Sportkomplex im spanischen Cáceres werteten Picado de Blas Arquitectos durch ein Café mit großer Außenterrasse auf.

Einen in die Jahre gekommenen Sportkomplex im spanischen Cáceres werteten Picado de Blas Arquitectos durch ein Café mit großer Außenterrasse auf.

Freizeit /​ Sport

Kaffeebar in Cáceres

Pause unterm Sonnendach

Das auf einer künstlich aufgeschütteten Landzunge angelegte Naherholungsgebiet besitzt eine Fläche von 100 Hektar

Das auf einer künstlich aufgeschütteten Landzunge angelegte Naherholungsgebiet besitzt eine Fläche von 100 Hektar

Freizeit /​ Sport

Gewächshäuser im Garden by the Bay in Singapur

Außen liegende Gegenzuganlagen mit textiler Bespannung aus weißem Tuch

Die ungewöhnliche Konstruktion ist inmitten eines Elendsviertels südlich von Bogota gelegen

Die ungewöhnliche Konstruktion ist inmitten eines Elendsviertels südlich von Bogota gelegen

Freizeit /​ Sport

Wald der Hoffnung in Bogota

Sportfeldüberdachung aus Dodekaedern mit grünem Stahlgewebe

Die neue Sporthalle des Collegio Salesiano San Juan Bosco überdacht eine Fläche von 1.550 m²

Die neue Sporthalle des Collegio Salesiano San Juan Bosco überdacht eine Fläche von 1.550 m²

Freizeit /​ Sport

Sporthalle in Barakaldo

Aquamariner Lichtfilter aus gefalteten Lochblechen

Der Pavillon wurde in Form eines Tonnengewölbes errichtet

Der Pavillon wurde in Form eines Tonnengewölbes errichtet

Freizeit /​ Sport

Pavillon in Chicago/USA

Transluzente Sonnenlichtfilter in Haubenform

Das Badehaus mit geöffneten Läden

Das Badehaus mit geöffneten Läden

Freizeit /​ Sport

Badehaus in Lochau

Faltschiebeläden aus Weißtanne

Silbrige Alu-Boxen am Wasser

Silbrige Alu-Boxen am Wasser

Freizeit /​ Sport

Ferienhäuser in La Torerera/E

Aluminium-Rolltore zum Schutz vor Sonne und Einbrechern

Kleinod von Campo Baeza in Cádiz/E

Freizeit /​ Sport

Kleinod von Campo Baeza in Cádiz/E

Zwischen Kathedralen

Isolierverglasung mit integrierten Solarzellen an der Südfassade

Isolierverglasung mit integrierten Solarzellen an der Südfassade

Freizeit /​ Sport

Turnhalle Burgweinting in Regensburg

Photovoltaik-Verglasung als Sonnenschutz

Green Stories

Ökologisch nachhaltig – zeitlos ästhetisch: Plissee-, Rollo- und Flächenvorhänge aus recycelten Stoffen von MHZ.

Partner-Anzeige