Jali
Indische Fenstergitter aus Stein und Holz
Das Wort Jali stammt aus dem Sanskrit, der mehrere 1.000 Jahre alten klassischen wie heiligen indischen Sprache. Es bedeutet Gitter oder Netz und bezeichnet perforierte Platten respektive Tafeln aus Stein oder Holz, die die Fensteröffnungen vollständig ausfüllen. Sie sind beispielsweise aus rotem Sandstein gefertigt, wie die Jalis, die im Metropolitan Museum of Art in New York als Artefakte aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts aufbewahrt werden. Diese haben die Dimensionen 186 cm Höhe und 131,4 cm Breite bei einer Stärke von 9 cm.
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Klimaschild, Öffnungen und Muster
Jalis wurden als Reaktion auf die extremen Temperaturen, heißen Winde und langen Trockenphasen im Norden des indischen Subkontinents entwickelt. Sie funktionieren klimatisch als Hitzeschild, in dem sie den Innenraum verschatten und gleichzeitig durch ihre unzähligen kleinen Öffnungen kühlend durchlüften lassen.
Die Öffnungen entstehen durch äußerst komplizierte und komplexe geometrische Muster. Diese werden aus Sternen, Polygonen oder floralen Linien unter Einbeziehung von Hufeisenbögen, verschiedensten gedrückten Spitzbögen, Eselsrücken oder sogenannten Tudorbögen aufgebaut. Die Muster erzeugen geometrisch-rhythmische Zwischenfelder, durch die wiederum eine Inszenierung von Licht und Schatten entsteht. Während des Tages verändert sich der Lichteinfall kontinuierlich durch den Verlauf der Sonne und bewirkt dabei als sakral beschriebene Stimmungen. Aus dem Rauminneren wirken Jalis als Sichtblende und erlaubten beispielsweise eine diskrete verborgene Teilnahme von Frauen an bestimmten Zeremonien.
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Mogul-Zeit
Die verschiedenen historischen Muster insbesondere aus der Mogul-Zeit (von 1526 mit Babur bis 1858 mit Bahadur Shah II) werden von Fachleuten sowohl zeitlich als auch regional unterschieden, beispielsweise Fatehpur Sikri und Sikandra bei Agra in Uttar Pradesh, Ahmedabad in Gujarat oder Jaipur in Rajasthan. Eines der berühmtesten Mogul-Bauwerke ist das Taj Mahal in Agra, heute UNESCO-Weltkulturerbe, 1648 für die verstorbene Mumtaz Mahal, die Frau des Modul-Herrschers Shah Jahan errichtet, mit zahlreichen Jali aus weißem Marmor.
Fertigung
Für die Fertigung eines Jali war ein sehr hohes Verständnis von Geometrie und Plastizität sowie geradezu perfektionistisches handwerkliches Können mit Feilen und Meißeln erforderlich. Prinzipiell ähneln sie den im Nahen Osten verbreiteten Maschrabiyyas.
Heute werden Jalis nicht nur in Indien als architektonische Elemente wiederentdeckt und zeitgenössisch interpretiert. So werden neu hergestellte Jalis mit Laser- oder Hochdruckwasserstrahlen geschnitten, aus einzelnen Modulen zusammengefügt oder im 3D-Druck parametrisch generiert.
Originale Jalis sind nicht nur historische Relikte und kostbare Artefakte in den Museen. Möglicherweise geben sie im Umgang mit durch den Klimawandel bedingten steigenden Temperaturen Anregungen für eine zeitgenössische Architektur auch in Europa. -sj