Wohnhaus in British Columbia

Verborgene Fächer aus Beton

Mit der Leuchtenmarke Bocci und den dazugehörigen gläsernen Unikaten machte sich der kanadische Künstler, Designer und Architekt Omer Arbel weltweit einen Namen. Die experimentelle Herangehensweise an Design setzt er inzwischen auch im größeren Maßstab um. Eines der Ergebnisse versteckt sich inmitten weitläufiger Heuwiesen südlich von Vancouver. Das Wohnhaus für ein privates Bauherrenpaar erhebt sich bis zu zwei Etagen über Erdniveau, wirkt jedoch größtenteils von Vegetation überwachsen. Aus der scheinbar eingegrabenen, massiven Betonstruktur ragen vier Volumen aus Holz heraus.

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Im Inneren zeigt sich die künstlerische und experimentelle Seite des Projekts, die letztendlich auch Anlass für die Realisierung des Vorhabens war: Bis zu 10 Meter hohe Säulen aus Beton fächern sich nach oben weit auf und werden zu dominanten Deckenelementen, den sogenannten Seerosen. Am speziellen Guss des Betons sowie dem Schalungsbild durch Gewebeeinlagen tüftelte das Büro aus Vancouver Omer Arbel Office nach eigenen Angaben rund 15 Jahre lang. Erst nachdem der Guss der ersten Säule vor Ort geglückt war, entschied der Bauherr, das Einfamilienhaus umsetzen zu lassen. Die unterschiedlich großen, skulpturalen Elemente bilden den Kern des Projekts, um die herum sich die weiteren Räume entwickeln.

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Beton, Holz und Glas in fließendem Übergang zur umgebenden Natur

Die Absicht sei es gewesen, zunächst Kunstwerke aus Beton zu schaffen, die den Anschein eines archäologischen Funds erwecken. Die nahtlos über die Dächer der Zwischenbauten verlaufenden Wiesenabschnitte sollten diesen Eindruck zusätzlich verstärken. Innen wie außen bilden Materialkonstraste einen weiteren zentralen Konzeptansatz. Den skulpturalen Betonsäulen stehen die warmen Oberflächen von Holzvertäfelungen, -einbauten und Möbeln gegenüber. Die reliefartige Struktur der Säulen wiederum bilden einen Kontrast zum glatten Boden, der ebenfalls aus Beton besteht. Außen sind die mit Zedernholz bekleideten Kuben und die unterschiedlich dimensionierten Verglasungen ein Gegenspieler zu den massiven, ondulierten Wänden, die aus dem Unterbau des Gebäudes hervortreten.

Auf dem rechteckigen Grundstück entstanden insgesamt 740 Quadratmeter Bruttogrundfläche. Im Wohnhaus mit Projektnamen 75.9 – Omer Arbels Designarbeiten erhalten eine fortlaufende Nummer – reihen sich mehrere Schlafzimmer und Bäder rund um einen zentralen offenen Wohnbereich mit Küche. In diesem lassen sich die Kernelemente des Entwurfs auch besonders eindrucksvoll betrachten.

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Ungewöhnlicher Entstehungsprozess der Betonelemente

Die Seerosen-Deckenelemente seien das Resultat einer fortwährenden Suche nach alternativen Methoden, um Beton zu formen, erklärt Omer Arbel. Anstelle einer herkömmlichen Holzschalung verwendete sein Team ein Geotextil, das zwischen radial angeordneten Sperrholzrippen gespannt wurde. Die Form verjüngt sich nach unten und fächert oben weit aus. Die nahtlose, vertikale Struktur entsteht durch unterschiedlich eng stehende Holzrippen. Der Säulenschaft weist dadurch klassische Kanneluren auf, im oberen Bereich münden diese in die immer weiter werdende Form konvexer Blütenblätter. Der tiefe, obere Teil des Säulentrichters blieb hohl und wurde jeweils mit Wurzelballen ausgewachsener Magnolienbäume gefüllt, die nun aus dem Wohnhaus überall da emporragen, wo eine Säule abschließt.

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Eine weitere Absicht des Künstlers und Architekten war es, das Material die Form bestimmen zu lassen und immer weniger – statt wie sonst immer mehr – Einfluss auf das Ergebnis des architektonischen Bauprozesses zu nehmen. Auch der Betonguss selbst wich von der herkömmlichen Technik ab. So wurde das Ausgangsmaterial, das eine spezielle Mischung aufwies, nur langsam in die Textilschalung gegossen. Dadurch konnte der Baustoff schon während des Gussprozesses kontinuierlich abhärten. Damit verringerte sich die Gefahr, an der Basis Druckstellen oder an den Fugen Schwachstellen entstehen zu lassen.

Durch das mikroperforierte Gewebe gelangte während des Aushärtens zudem Luft an den Beton. Die Blasen ließen sich leicht entfernen; nach dem Ausschalen blieb die Gewebestruktur des Geotextils auf der Betonoberfläche zurück. Die Technik trägt laut Architekten dem plastischen Charakter des Materials Rechnung und resultiert in einer einzigartigen Geometrie, für die das Projekt schon frühzeitig und lange vor Fertigstellung einige Aufmerksamkeit erntete – wie etwa auf dem World Architecture Festival 2019 als Future Project of the Year. -sab

Architektur: Omer Arbel Office; Bildnachweis: Fahim Kassam, mit freundlicher Genehmigung von Omer Arbel Office

Bautafel

Architektur (Entwurf): Omer Arbel Office, Vancouver
Projektbeteiligte:  Architect Chris Wright von Build Wright Construction mit Joe Haley (Bauunternehmer) und Brad Martin von Treeline Construction (Beratung); Bruce Gernon Architect (ausführender Architekt); Thomas Duke und Nick de Ridder von Fast + Epp Structural Engineers (Tragwerksplanung); Matt Kokan von Geopacific Consultants (Geotechnik). JRS Engineering (Gebäudehülle); Mark Dennis (Projektplanung)
Bauherren: Joe und Keira Haley
Standort: südlich von Vancouver, British Columbia, Kanada
Fertigstellung: 2023
Bildnachweis: Fahim Kassam, mit freundlicher Genehmigung von Omer Arbel Office

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