Wohnensemble in München
Verdichtet und veredelt
Viel Spielraum für einen Neubau gibt es in der Münchner Erhardtstraße nicht: Auf der einen Seite fließt die Isar, auf der anderen reihen sich denkmalgeschützte Gründerzeitbauten aneinander, deren Wert durch die hervorragende Lage in den letzten zwanzig Jahren in die Höhe katapultiert wurde. Die Immobilienentwicklerin Euroboden konnte dort dennoch ein Grundstück– belegt mit einem weniger prunkvollen Geschosswohnungsbau und einer rückwärtig platzierten ehemaligen Lackfabrik – ergattern.
Gallerie
Nach dem Entwurf von Thomas Kröger Architekten aus Berlin, entstand dort nun ein Wohnensemble mit 28 Wohneinheiten und 3.000 Quadratmetern Gesamtwohnfläche. Hinter dem Vorderhaus an der Isar, das sich zwischen den reich verzierten Nachbarbauten behauptet, finden sich – um zwei Höfe gruppiert – drei weitere Gebäudeteile: ein turmartiges Punkthaus, das zwischen den beiden Freiflächen vermittelt, ein seitlicher Riegel und ein rückwärtiges Gebäude, in dem unter anderem Maisonettewohnungen untergebracht sind.
Sichtbeton und Zickzack
Die Schaufassade richtet sich
zur Straße, doch anders als bei ähnlichen Ensembles wurde in
München darauf geachtet, dass die Ansichten in den Hinterhöfen im
Vergleich dazu nicht abfallen. Grundlegende gestalterische Elemente
der Hülle sind horizontale Gesimsbänder und schlanke, paarweise
angeordnete Säulen aus Beton sowie raffiniert im Zickzack-Muster
verputzte Wandflächen. Dazu kommen geschosshohe, verschieden breite
Fenster und Balkone mit Absturzsicherungen aus Metall.
Das relativ niedrig gehaltene Erdgeschoss des Vorderhauses integriert auf der einen Seite eine Tiefgaragenzufahrt und auf der anderen einen Abstellraum. Der Bereich dazwischen ist als Foyer gestaltet, das Durchblicke bis zum ersten Innenhof erlaubt. Gestalterisch bildet das Erdgeschoss zur Straße hin mit dem ersten Obergeschoss eine Einheit. Die Eigentumswohnungen in den verschiedenen Gebäudeteilen warten mit unterschiedlichen Größen und Zuschnitten auf, sodass hier – trotz der Exklusivität – die Bewohnerstruktur zumindest hinsichtlich der Familienkonstellation variieren kann.
Schalungen: Vielfalt der Elemente
Neben den auffälligen Putzfassaden rücken die Sichtbetonelemente
fast etwas in den Hintergrund – an ihrer Qualität wurde deshalb
aber nicht gespart. Die Ansprüche an den Schalungsbau der vielen
individuellen Elemente waren hoch. Für die geforderte
Sichtbetonqualität waren unter anderem sehr dichte und gratfreie
Schalungen sowie Spezialanfertigungen nötig.
Die Schauseite prägen schlanke weiße Betonsäulen mit einem Durchmesser von 13 Zentimetern. Für ihre Erstellung im Werk verwendete man selbstverdichtenden Beton auf der Basis eines speziellen Weißzements; an der Fassade wurden die Säulen anschließend nicht sichtbar montiert.
Ein wesentliches Element der Gestaltung sind auch die vier Meter hohen Stützen im Eingangsbereich mit ihrem amorphen Profil. Am fertigen Gebäude wirken sie scheinbar v-förmig, da der mittlere Teil der Elemente verputzt wurde; tatsächlich verzweigt sind die Stützen hingegen nur unter dem Erker. Als Schalung verwendete man eine Mischung aus konventionellen Elementen und Sonderanfertigungen. Darin wurden die Stützen in einem Stück stehend betoniert.
Doppelt positiv geschalt
Die Gesimsbänder des Vorderhauses ließ das Planungsteam mit gesäuerten Fertigteilelementen ausführen. Eine mittige Fuge lässt den Eindruck entstehen, es handele sich um ein doppeltes Band. Die vorgefertigten Elemente wurden über Isokörbe am Rohbau befestigt. Die Eckelemente am Erker ließ man jeweils in einem Guss fertigen.
Besonders anspruchsvoll war die Fertigung der Balkonplatten, die auf der Oberseite mit den gewünschten Details der Entwässerung – etwa Rinnen, Aufkantungen und Gefälle – verwirklicht wurden und gleichzeitig nach unten hin mit der Sichtbetonklasse SB3 aufwarten sollten. Das Fertigteilunternehmen ließ die Elemente liegend mit entsprechend präparierten Deckeln schalen, der Beton wurde über eine Öffnung eingefüllt. Noch im Werk wurden die Fertigteile mit einer speziellen Hydrophobierung versehen, die die Betonelemente vor Verunreinigungen und Graffiti schützt.
Gewendelt und gerundet
Insgesamt erscheinen die Bauten des Ensembles eher kantig, in
den Hofbereichen und bei den Treppen finden sich aber auch
Rundungen. Bis auf das sogenannte Turmhaus werden alle Bauten im
Inneren durch gewendelte Fertigteiltreppen erschlossen. Die
halbrunden Stirnwandabschalungen in diesen Bereichen ließ das
Planungsteam mit Schalungselementen verwirklichen, die zum
Betonieren von Rundsäulen entwickelt wurden. -chi
Bautafel
Architektur: Thomas Kröger Architekten, Berlin
Projektbeteiligte: Baugesellschaft Rank, München (Bauunternehmen); Alfons Grassl, München (HLS-Planung); MAXX raumelemente, Abenberg-Wassermungenau (Betonfertigteile); Italcementi (Weißzement); Peri, Weißenhorn (Schalungen Ortbetonwände)
Bauherr/in: Euroboden, München-Grünwald
Standort: Erhardtstraße 10, München
Fertigstellung: 2021
Bildnachweis: Philipp Obkircher für Euroboden