Serpentine Pavillon 2022
Temporärer Veranstaltungsort mit Speichenrad-Dach
Ein Rundbau mit einer monochrom schwarzen Außenhaut steht zwischen Linden auf einer Wiese. Mit seiner ebenfalls runden Lichtöffnung im Dach und einer Glocke neben dem schmalen, hohen Eingang mutet er wie ein Sakralbau an. Black Chapel lautet der Name des Pavillons, den die Londoner Serpentine Gallery seit Anfang Juni in den Kensington Gardens der Öffentlichkeit präsentiert. Die "schwarze Kapelle" erweitert die Ausstellungsräume über den Sommer und Frühherbst 2022 hinweg um einen Ort für Ruhe, Meditation und Kontemplation, aber auch für Begegnungen und Veranstaltungen. Mit dem Entwurf des Pavillons betraute die Galerie den amerikanischen Konzeptkünstler Theaster Gates, der ihn gemeinsam mit dem britischen Architekturbüro Adjaye Associates umsetzte.
Gallerie
Bereits seit 22 Jahren – mit einer coronabedingten Unterbrechung im Jahr 2020 – gestalten international bekannte Architektinnen und Architekten die jährlich wechselnden, temporären Veranstaltungsbauten für die Serpentine Gallery. Die Reihe begann Zaha Hadid im Jahr 2000. Ihr folgten unter anderem von Peter Zumthor, Ólafur Elíasson und Sou Foujimoto. Die Pavillons werden jeweils von Anfang Juni bis Mitte Oktober für das sommerliche Veranstaltungsprogramm der Galerie in dem königlichen Park genutzt. Nicht nur in London, auch international stoßen die auffälligen Kleinarchitekturen auf ein lebhaftes Interesse. Für den diesjährigen 21. Pavillon erhielt mit dem in Chicago beheimateten Theaster Gates erstmals ein Nicht-Architekt den Auftrag – ein Novum. Die Skulpturen, Performances und Installationen des ehemaligen Stadtplaners beziehen sich regelmäßig auf urbane Strukturen sowie politische und geschichtliche Ereignisse.
Inspiriert von Öfen, Kirchen und Gräbern
Die Serpentine Pavilions folgen der Tradition der „Follies“ oder „Garden Follies“ genannten Zierbauten, die insbesondere in der englischen Landschaftsarchitektur sehr beliebt waren. Formal inspiriert wurde der diesjährige Bau von den charakteristischen Flaschenöfen in Stoke-on-Trent in England, in denen man früher Keramik brannte – für Theaster Gates eine Würdigung der britischen Handwerkskunst. Weitere Einflüsse waren Bienenkorböfen im amerikanischen Westen, alte ungarische Rundkirchen und Kasabi-Gräber in Uganda.
Schwarz in Schwarz
Während in den letzten Jahren die Pavillons meist von offenen leichten, Strukturen geprägt waren, zeigt sich die Black Chapel nach außen hin sehr geschlossen. Zwei Öffnungen gibt es in den Wandflächen, die Zugang zum kreisrunden Bauwerk bieten. Je nach Standpunkt kann durch den Baukörper hindurchgeschaut werden und die kreisförmige Öffnung im Dach ist sichtbar. Der Innenraum ist jedoch kaum zu erahnen, weil die ebenfalls ganz in Schwarz gehaltenen Oberflächen Konturen, Schatten und Reflektionen meist schlucken.
Direkt neben dem Eingang befindet sich eine Bronzeglocke, die aus einer abgerissenen Kirche der Chicagoer Southside stammt. Sie soll den Wegfall sozialer, interaktiver Räume in modernen Städten anmahnen, so heißt es in der Veröffentlichung der Serpentine Gallery. Zugleich dient die Glocke aber auch ganz praktisch der Begegnung und der Teilhabe: Sie läutet die Konzerte, Performances und anderen Veranstaltungen ein, die sich in diesem Jahr mit unterschiedlichen Interpretationen des Sakralen beschäftigen.
Im Innenraum erwarten sieben Teergemälde die Gäste, die der Künstler speziell für den Pavillon kreierte – in Anlehnung an die Wandgestaltung der Rothko Chapel in Houston. Zugleich sind diese Hommage an die Arbeit seines Vaters als Dachdecker. Die kreisrunde Dachöffnung erzeugt abhängig von der Tageszeit unterschiedliche Lichtstimmungen im Innern und weckt damit Assoziationen zum Pantheon in Rom.
Konstruiert für Demontage und Wiederaufbau
Bei der Konstruktion des temporären Bauwerks, das noch bis zum 16. Oktober besucht werden kann, folgte Gates der Nachhaltigkeitspolitik der Serpentine Gallery, nach der alle Pavillons mit möglichst geringen Auswirkungen auf die Umwelt realisiert werden sollen. Die leichte Konstruktion der Black Chapel ist demgemäß vollständig demontierbar. Der Pavillon wird nach dem Sommer abgebaut und an einem dauerhaften Standort wieder errichtet.
Für die Fundamente wurden Betonfertigteile genutzt, die ebenfalls wiederverwendbar sind. Die gesamte Außenhaut des etwa 10 m hohen Gebäudes besteht aus vertikal stehenden Schalungsträgern mit einer Sperrholzbekleidung, die mit einer wasserdichten Gummimembran vor den Elementen geschützt ist. Bei den Wänden beträgt die Dicke des Sperrholzes 9 mm und beim Dach 18 mm.
Leicht geneigte Kuppel
Die Dachkonstruktion besteht aus radialen Holzsparren, die in einer Speichenrad-Anordnung verlegt sind. Sie werden durch kreisförmige innere Druckringe und äußere Zugringe aus Stahlkonstruktionen zusammengehalten. Diese Konstruktion erzeugt die zentrale Öffnung mit einem Durchmesser von circa drei Metern. Zur kreisrunden Öffnung hin hat das Dach eine nominelle Neigung von sechs Grad. Das Gefälle sorgt zugleich für die architektonische Form wie auch für die Ableitung des Regenwassers. Dabei handelt es sich zudem um das Mindestgefälle, um die Stabilität der Speichenrad-Struktur zu gewährleisten. Der Dachaufbau besteht aus einer Sperrholzplatte, die zwischen Holzpfetten gespannt ist und auf den Sparren aufliegt. Auf das Sperrholz ist eine wasserdichte gummierte Membran geklebt. Alle Bauteile sind miteinander verschraubt, um Demontage und Wiederaufbau zu erleichtern.