Konventgebäude in Erfurt

Tageslicht für die Kaskadentreppe

Erfurt baut um. So soll am Hauptbahnhof der thüringischen Kapitale in den kommenden Jahren die sogenannte ICE City emporwachsen. Während das Stadtbild in diesem Zuge um zwei neue Hochhäuser bereichert werden wird, ist zuletzt, nur wenige hundert Meter entfernt, ein nicht minder bemerkenswerter Bau entstanden. Dass aber das neue Konventgebäude des Ursulinenklosters gleichwohl den Wenigsten auffallen dürfte, ist nicht nur der Hoflage zuzuschreiben. Vielmehr bedingen Kubatur wie Materialität, dass der Neubau, errichtet nach Plänen des ortsansässigen Büros Hauschild Architekten, ganz und gar in seiner historischen Nachbarschaft aufgeht.

Gallerie

Das Kloster, das heute zwischen Krämerbrücke und Juri-Gargarin-Ring an der Anger genannten Einkaufsstraße liegt, die sich im Nordosten zum Platz weitet, wurde bereits im 12. Jahrhundert gegründet. Vormals Wirkungsstätte der Augustinerchorfrauen und sodann der Magdalenerinnen, wird es seit über dreihundert Jahren, allem weltlichen Getöse zum Trotze, durch die Gesellschaft der heiligen Ursula geführt. Wie allerdings die Zeiten und, mit ihnen, die Herrschaften wechselten, unterlag auch der Klosterkomplex mannigfaltigen Änderungen. Der gotische Kirchenbau etwa wurde errichtet, nachdem der romanische Vorgängerbau abgebrannt war. Im 19. Jahrhundert stark überformt, musste der Sakralbau, im Zweiten Weltkrieg durch ein Feuer zerstört, nach 1945 wiederhergestellt werden.

Alt und neu

Aber auch die Klostergebäude, die jenseits des Kirchenschiffs liegen, sind nicht unverändert geblieben. So wurde 2015 das sogenannte Rektorhaus abgebrochen, das ursprünglich den zur Seelsorge der Schwestern bestellten Pfarrer beherbergte. An seiner Stelle entstand ein neuer Wohntrakt für die Ursulinen – machte mangelnde Barrierefreiheit das bestehende Konventgebäude für die teils älteren Schwestern doch ungeeignet. Dabei sollte der Neubau, der den Komplex nach Südwesten abschließt, nicht nur mit der Architektur der Nachbarbauten korrespondieren, sondern den Bewohnerinnen, der beengten Hoflage zum Trotz, auch Wohnqualität bieten.

Körper und Geist

Die Architektinnen und Architekten reagierten auf die herausfordernden Bedingungen, indem sie auf der langgestreckten Parzelle, die an drei Seiten von Brandwänden flankiert ist, einen zweistöckigen Baukörper platzierten. In Ziegel gekleidet, tun sich in der Fassade des Neubaus Fenster zweierlei Formats auf, die allesamt durch Werksteinlaibungen umrahmt sind. Wie das Obergeschoss bietet auch das Dachgeschoss, das hinter einem roten Mansarddach aus Titanzinkblech liegt, Zellen für jeweils fünf Schwestern. Das Erdgeschoss hingegen ist den gemeinschaftlichen Räumen vorbehalten: Wo auf der einen Seite das Refektorium den Gaumenfreuden dient, nährt, am entgegengesetzten Ende, die Bibliothek den Geist.

Dachfenster: Tageslicht für Treppe und Korridor

Untergebracht in einem flachen Trakt, der das neue Konventgebäude mit der Kirche verbindet, verdankt sich der besondere Charakter des Lesesaals der südwestlichen Außenwand des Sakralbaus, die sich nun im Innenraum abzeichnet. Erhellt wird die Bibliothek dabei nicht allein über ein Fenster zum Hof, sondern zudem auch durch zwei Oberlichter; nicht weniger als acht Dachfenster sind es hingegen, durch die das Licht zwischen einer rhytmischen Dachträgerfolge in die Korridore wie auch auf die imposante Kaskadentreppe des Wohntrakts fällt. Während die öffenbaren Elemente zugleich der sommerlichen Nachtauskühlung dienen, wird durch diese raffinierte Lichtführung auch der besondere Wert unterstrichen, der der Stiege zukommt, die, nur durch eine Glaswand getrennt, von den Korridoren zur Gänze einsehbar ist: Anstelle eines Kreuzgangs, der der klösterlichen Gemeinschaft Ausdruck geben könnte, ist es die Treppe, die eine Verbindung zwischen den Teilen des Hauses schafft – wie auch zwischen seinen Bewohnerinnen. -ar

Bautafel

Architektur: Hauschild Architekten, Erfurt
Projektbeteiligte: Klinkerbau Krotzer Eisele, Frohburg (Fassade); Fleischer Metallfaszinationen, Neuhaus am Rennweg (Spenglerarbeiten); Tischlerei Fiedler, Dingelstädt (Schreinerarbeiten); Ziegelei Hebrok, Hagen am Teutoburger Wald (Ziegel); Velux, Hamburg (Dachfenster)
Bauherrschaft: Ursulinenkloster, Erfurt
Fertigstellung: 2017
Standort: Anger 5, 99084 Erfurt
Bildnachweis: Lars Jugel, Erfurt

Fachwissen zum Thema

Alurahmen-Fenster im Düsseldorfer Neuen Zollhof, Architektur: Frank O. Gehry

Alurahmen-Fenster im Düsseldorfer Neuen Zollhof, Architektur: Frank O. Gehry

Fensterarten

Fenster

Fenster als Öffnungen in einer Wand verbinden Außen- und Innenraum, Öffentlichkeit und Privatsphäre, erlauben Ein- und Ausblicke....

Direkte und indirekte Belichtung mit Spiegeleffekten (Mediaspree Berlin, Tchoban Voss Architekten)

Direkte und indirekte Belichtung mit Spiegeleffekten (Mediaspree Berlin, Tchoban Voss Architekten)

Planungsgrundlagen

Fenster und Tageslicht als Ambiente und Inszenierung

Unabhängig von technischen, physikalischen und medizinischen Aspekten haben Fenster und Tageslicht eine entscheidende Rolle für...

Bauwerke zum Thema

Inder Nähe von Osnabrück ließ sich ein Bauherrenpaar eine ungenutzte Kirche der 1980er-Jahre zum Eigenheim umbauen.

Inder Nähe von Osnabrück ließ sich ein Bauherrenpaar eine ungenutzte Kirche der 1980er-Jahre zum Eigenheim umbauen.

Wohnen/​EFH

Kirchenumbau zum Wohnhaus bei Osnabrück

Mit der Umnutzung vom ehemaligen Sakralbau aus den 1980er-Jahren zum Wohnhaus wurde der Charakter des Bauwerks erhalten und zugleich den Bedürfnissen angepasst.

Direkt am Rheinufer entstand im französischen Huningue die Seniorenresidenz nach Plänen vom Straßburger Büro Dominique Coulon & Associés.

Direkt am Rheinufer entstand im französischen Huningue die Seniorenresidenz nach Plänen vom Straßburger Büro Dominique Coulon & Associés.

Wohnen/​MFH

Seniorenresidenz in Huningue

Neben einem fantastischen Ausblick bietet das französische Seniorenwohnheim am Rheinufer auch helle, luftige und behagliche Innenräume.

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
Zum Seitenanfang

Der Torre di Santa Maria ist ein erhalten gebliebener Wachturm, der 1295 als Teil des vierten Stadtmauer-Rings der norditalienischen Stadt Udine erbaut wurde.

Der Torre di Santa Maria ist ein erhalten gebliebener Wachturm, der 1295 als Teil des vierten Stadtmauer-Rings der norditalienischen Stadt Udine erbaut wurde.

Sonderbauten

Torre di Santa Maria in Udine

Transformation eines spätmittelalterlichen Festungsturms

Ein Pavillon in einem Garten bietet als Homeoffice einen ruhigen Rückzugsort für konzentriertes Arbeiten. Dieses kleine Gartenstudio ist fancy als zeitgemäße Interpretation eines historischen Folly, einer wortwörtlichen Phantasie-Architektur im Garten.

Ein Pavillon in einem Garten bietet als Homeoffice einen ruhigen Rückzugsort für konzentriertes Arbeiten. Dieses kleine Gartenstudio ist fancy als zeitgemäße Interpretation eines historischen Folly, einer wortwörtlichen Phantasie-Architektur im Garten.

Sonderbauten

Gartenstudio in London

Pivot-Tür und metallverkleidete Innentüren als Pinnwand

Die Transformation des ehemligen Bettenhauses einer psychiatrischen Klinik in Belgien zeigt nicht nur eine sorgfältig durchdachte und fantasievolle Rettung von materiellen Ressourcen, sondern auch eine architektonisch geistreiche Anregung zu Kontemplation und Imagination.

Die Transformation des ehemligen Bettenhauses einer psychiatrischen Klinik in Belgien zeigt nicht nur eine sorgfältig durchdachte und fantasievolle Rettung von materiellen Ressourcen, sondern auch eine architektonisch geistreiche Anregung zu Kontemplation und Imagination.

Sonderbauten

Ehemaliges Bettenhaus des PC Caritas in Melle

Re-Use einer Ruine mit sieben Gewächshäusern

Die Landzunge, auf der sich die ehemalige Plange Mühle befindet, wird seit den 2000er-Jahren von Christoph Ingenhoven und seinem Büro zu einem Plange Mühle Campus umgestaltet.

Die Landzunge, auf der sich die ehemalige Plange Mühle befindet, wird seit den 2000er-Jahren von Christoph Ingenhoven und seinem Büro zu einem Plange Mühle Campus umgestaltet.

Sonderbauten

Konversion eines Silos zur Klinik in Düsseldorf

Neue Fenster und Ebenen in Betonröhren

Orangeroter Leuchtturm für klimagerechtes Bauen: Ein bestehendes dreistöckiges Fabrikgebäude zu sanieren und um drei Geschosse mit Atelier- und Werkräumen aufzustocken war die Aufgabe, der sich das Baubüro in situ annahm.

Orangeroter Leuchtturm für klimagerechtes Bauen: Ein bestehendes dreistöckiges Fabrikgebäude zu sanieren und um drei Geschosse mit Atelier- und Werkräumen aufzustocken war die Aufgabe, der sich das Baubüro in situ annahm.

Sonderbauten

Aufstockung K.118 in Winterthur

Re-Use par excellence

Im weitläufigen Hof vom dänischen Designmuseum in Kopenhagen lädt der Pavillon Besucherinnen und Besucher ein – zumindest temporär.

Im weitläufigen Hof vom dänischen Designmuseum in Kopenhagen lädt der Pavillon Besucherinnen und Besucher ein – zumindest temporär.

Sonderbauten

Gartenpavillon in Kopenhagen

Demontierbarer Wintergarten

Mitten im historischen Dorfzentrum von Berneck hat das von Carlos Martinez Architekten geplante Haus des Weins seine Türen geöffnet.

Mitten im historischen Dorfzentrum von Berneck hat das von Carlos Martinez Architekten geplante Haus des Weins seine Türen geöffnet.

Sonderbauten

Haus des Weins in Berneck

Bewegliches Schaufenster ins Innere

Im historischen Kern vom Berliner Bezirk Pankow ist nach dem Entwurf von AHM Arnke Häntsch Mattmüller Architekten der rückbaubare Pavillon Allet Pank auf einer Brache errichtet worden.

Im historischen Kern vom Berliner Bezirk Pankow ist nach dem Entwurf von AHM Arnke Häntsch Mattmüller Architekten der rückbaubare Pavillon Allet Pank auf einer Brache errichtet worden.

Sonderbauten

Temporärer Pavillon in Berlin-Pankow

Allet Pank

Auf der Apfelinsel im See Grabuostas in Litauen stellt das nur 23 m² große Tiny House eine zeitgenössisch-minimalistische Interpretation einer Blockhütte dar.

Auf der Apfelinsel im See Grabuostas in Litauen stellt das nur 23 m² große Tiny House eine zeitgenössisch-minimalistische Interpretation einer Blockhütte dar.

Sonderbauten

Tiny House bei Zalvariai

Stahlhaus auf Stelzen mit Falttüren und Panoramafenster

Anstelle des einstigen Rektorhauses ist im Erfurter Ursulinenkloster ein neues Konventgebäude entstanden.

Anstelle des einstigen Rektorhauses ist im Erfurter Ursulinenkloster ein neues Konventgebäude entstanden.

Sonderbauten

Konventgebäude in Erfurt

Tageslicht für die Kaskadentreppe

Eine ganze Siedlung mit einer großen Vielfalt an kleinen Häusern ist im niederländischen Almere Poort im Rahmen eines Wettbewerbs „Construction Expo Tiny Housing“ entstanden.

Eine ganze Siedlung mit einer großen Vielfalt an kleinen Häusern ist im niederländischen Almere Poort im Rahmen eines Wettbewerbs „Construction Expo Tiny Housing“ entstanden.

Sonderbauten

Tiny House Snuk in Almere

Zwei Zimmer, Küche, Bad und viel Licht

Das nach Plänen des Büros Bob Ronday Architectuur umgebaute Hausboot zeigt, dass man auch auf dem Wasser nicht auf Platz und Komfort verzichten muss.

Das nach Plänen des Büros Bob Ronday Architectuur umgebaute Hausboot zeigt, dass man auch auf dem Wasser nicht auf Platz und Komfort verzichten muss.

Sonderbauten

Hausboot bei Utrecht

Näher am Wasser geht nicht

Architektur voller Licht: Maximal-Schiebefenster

Konkurrenzlos schmal mit vertikalen Profilansichten von 2 mm: Das Schiebefenster cero IV von Solarlux.

Partner-Anzeige