Der Weiße Turm
Kulturstätte aus dem 3D-Drucker
Am Julierpass im Schweizer Kanton Graubünden liegt das Dorf Mulegns – mit einer beachtlich kleinen Einwohnerzahl: Nur noch vierzehn Menschen leben an diesem von der Alpenlandschaft geprägten Ort. Das zu ändern hat sich Giovanni Netzer, Theaterintendant und Gründer des Origen-Kulturfestivals, vorgenommen. Nachdem er eine historische Villa verschieben und ein altes Hotel wieder in Betrieb nehmen ließ, soll ein Turm aus weißem Beton als neues Kulturzentrum dienen.
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Bemerkenswert ist die Fertigungsweise des Turms: Er wird von Industrierobotern im Extrusionsverfahren in den Werkstätten der ETH Hönggerberg gedruckt und anschließend vor Ort aufgerichtet. Entworfen und geplant wurde der Weiße Turm von ETH-Professor Benjamin Dillenburger und Michael Hansmeier aus der Forschungsgruppe Digitale Bautechnologien, ebenfalls von der ETH Zürich. Der 30 Meter hohe Turm wird zum Großteil aus 3D-gedruckten, organisch geformten Säulen aus weißem Beton bestehen, die insgesamt vier Ebenen tragen.
Die ornamenthafte Gestaltung soll an die lokale Bündner Zuckerbäckertradition erinnern: Viele Bündner Auswanderer hatten sich im 18. Jahrhundert als Patissiers etabliert und waren bekannt für ihre filigranen kleinen Zuckertürme mit üppiger Verzierung. Auch bautechnisch ist der Turm ungewöhnlich, wird er doch nach Fertigstellung einer der höchsten 3D-gedruckten Strukturen sein. Geplant ist die Einrichtung einer öffentlichen Baustelle bis April 2022, sodass man dabei zuschauen kann, wie der Turm Schicht für Schicht entsteht. Der Druck einer drei Meter hohen Säule dauert gerade einmal zwei Stunden. Auch der Rückbau wurde bereits berücksichtigt: Die gedruckten Betonelemente können wieder voneinander getrennt und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden.
Neben der Gestaltung ist bei einem solchen Vorhaben vor allem die Umsetzung herausfordernd. Bei der additiven Fertigung von Beton ist etwa die Betonzusammensetzung essenziell für den Druckerfolg: Der Beton muss fließfähig sein und schnell aushärten, damit die Struktur beim Auftragen der nachfolgenden Schichten nicht kollabiert. Daher sind neben den Entwurfsverfassern drei weitere ETH-Professoren beteiligt: Robert Flatt arbeitet an der Betonzusammensetzung, Walter Kaufmann an der Tragstruktur und den Verbindungen der gedruckten Betonelemente und Andreas Wieser an der Vermessung und Formkontrolle.
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