Messenachbericht Cersaie 2017 - Teil II
Im ersten Teil konnten wir vom neuen Megatrend Terrazzo sowie dem weiteren Wettrüsten der Hersteller um die größten Fliesenformate lesen. Im zweiten Teil unseres Messenachberichtes richtet unser Autor Michael Spohr seinen Blick explizit auf das Treiben deutscher Fliesenproduzenten und verrät uns seine persönlichen Messestandhighlights.
Gallerie
Aus deutschen Landen frisch auf den italienischen
Tisch
Der erste deutsche Hersteller auf dem Weg zu neuen
Fliesendimensionen Interbau-Blink war auf der Cersaie nur mittelbar
vertreten – am Messestand von Villeroy & Boch, wo er mit der Serie
Hudson eine erste 6 mm dünne Großkeramik von bis zu 260 x
120 cm präsentierte. Diese Fliesen werden aus dem neuen Giga-Line-Werk
von Interbau-Blink in Ransbach-Baumbach kommen, wo dank einer
soeben eröffneten Endlos-Produktionsanlage künftig Fliesen in
Formaten von bis zu 320 x 160 cm hergestellt werden sollen. Mit der
Investition in die neue Anlage, nach Herstellerangaben die
modernste Fliesenproduktion Nordeuropas, möchte Interbau-Blink neue
Märkte erschließen und sein Produktportfolio sinnvoll
erweitern.
Villeroy & Boch plant hingegen, künftig noch weitere Serien im XXL-Format anzubieten, wie etwa die Serie Spotlight aus 2016 oder die neue Serie Tucson, die mit ausdrucksstarken Steintexturen voll im Trend der rustikalen Naturmaterialien liegt. Mit ausgesuchten Tönen in vielfarbigen Kompositionen empfindet Villeroy & Boch bei der Serie die Anmutung naturbelassener Steine nach. Belebende Design-Elemente finden sich bei Tucson in dezenten Spuren von Rostablagerungen, die dem unglasierten Feinsteinzeug eine besondere Authentizität verleihen.
Damit fügt sich die Serie in das Leitmotiv Reflections of Nature ein, unter das Villeroy & Boch seine Fliesenkollektion 2018 gestellt hat. Das Unternehmen möchte feinste Facetten der Natur widerspiegeln. Gleiches gilt für die von exquisiten Marmorarten inspirierte Marmochic-Serie, die ruhige Sandstein-Optik der oben erwähnten Serie Hudson und die neue Bodenserie Natural Blend. In dieser hat Villeroy & Boch das aktuelle Trendthema Schichtsteine kontrastreich in ein hochwertiges Fliesendesign übertragen. Die naturnahe Steinoptik zeigt ein Mineralgefüge aus verschiedenen Schichten, wie sie beim Abbau bzw. Schnitt als Streifen sichtbar werden.
Vier Neuheiten waren bei Agrob Buchtal zu bestaunen: Neben der schon erwähnten Terrazzooptik Nova hat sich der Schwarzenfelder Hersteller des Themas Holz in einer neuartigen Weise angenommen. Inspirationsquelle für Akazia war die spannungsreiche Anmutung des Akazienholzes, die sich zum Beispiel in der charakteristischen Maserung sowie der scharf begrenzten Jahresringe und der damit einhergehenden deutlichen Streifenzeichnung äußert. Besonders markant sind die Akazienholz-Spezifika im Dekor Stripes, das als Reminiszenz an klassisches Stäbchenmosaik gedacht ist.
Bei der glasierten Wandfliesenserie Modern White hat sich Agrob Buchtal bewusst dafür entschieden, kein Industrieweiß, sondern ein wohnliches Perlweiß herzustellen, dafür allerdings mit einer brillant glänzenden Glasur. Die Steingut-Wandfliesenserie Lasa Cemento verstehen die Schwarzenfelder als eine Hommage an den besonders weißen Marmor aus Laas in Südtirol. Mit Hilfe der Digitaldruck-Technik haben sie in dieser neuen Serie die Optik von Marmor und Zement mit der Ausdruckskraft handwerklicher Spachtelungen verbunden und keramisch umgesetzt.
Nebenan am Messestand der Deutschen Steinzeug bei Mosaikanbieter Jasba erwarteten den Messebesucher zwei Neuheiten: Die in 2016 vorgestellte Serie Pattern war so gut angenommen worden, dass der Hersteller hier mit der neuen Variante Salina nachgelegt hat. Inspirationsgeber war die farbenfrohe Töpfer- und Keramikkunst der liparischen Inseln, von denen eine übrigens Salina heißt. Hinzu kommt die neue Kreation Carpet mit den Dekoren Nelas und Mellby, die im Stile eines keramischen Boden- oder Wandteppichs wirken sollen.
Die Steuler-Gruppe feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum und hatte aus diesem Grund in ihren Messeauftritt eine stilisierte 100 eingearbeitet. Außerdem führten die Marken Nordceram, Steuler und Kerateam (ohne Grohn) erstmals ein Pressemeeting am Gemeinsschaftsstand durch. Unter den zahlreichen Neuheiten seien hier nur jeweils eine pro Marke exemplarisch erwähnt: Tecnodocks von Nordceram ist ein Beispiel für eine neuartige Verschmelzung unterschiedlicher Materialien. Diese auf der Continua+-Anlage der Unternehmensgruppe produzierte Objektserie verbindet die materialtypischen Merkmale von Zement, Beton und natürlichem Gestein wie Kalkstein. In der Fläche wirken die drei Farben laut Hersteller trotz ihrer unterschiedlichen Muster jedoch nicht wie eine bunte Mischung, sondern wie von der Natur geschaffen. Prägnanz verleiht das Großformat 120 x 120 cm dieser kalibrierten, rektifizierten und durchgefärbten Feinsteinzeug-Serie in 9 mm Stärke.
Thinactive heißt eine der beiden neuen Highlight-Serien aus der Kollektion 100 von Steuler, die mit ganz besonderem Dekor auf Basis von Titanmattglasuren hergestellt werden. Das nur 6 mm starke, in fünf Farben angebotene Feinsteinzeug sei nicht nur technisch, sondern auch in Sachen Stil zukunftsweisend, so der Hersteller: Die Struktur der in Mühlacker gefertigten Dekorfliesen erinnere an das dezente Farbspiel einer Metallplatte, gepaart mit dem Charme einer keramischen Glasuroberfläche. Ihr Unterbau aus Feinsteinzeug mit bereits anpoliertem Oberflächenrelief sorge zudem für die lebendige Tiefenwirkung des Titaneffekts; die Grundfliesen kommen aus der Continua+-Anlage.
Bei dem Wandsteinzeugproduzenten Kerateam fiel besonders die breite Mischsortierung der unterschiedlichen Dekore auf, beispielsweise der beiden neuen Serien Medley und Kanon. Medley empfehle sich „auf den ersten Blick als trendiger Wandbelag für Lofts, szenige Restaurants oder angesagte Ladenlokale“, so Marketingleiterin Kathrin Kremski. Mit ihrem schlanken Rechteckformat in den Abmessungen 20 x 50 cm eigne sich diese Patchwork-Serie gleichermaßen aber auch für eine unkonventionelle Gestaltung von Küchen, Dielen oder Bädern im Bereich des privaten Wohnens. Wie es die Farbbezeichnungen Shabby White matt und Shabby Aqua matt bereits andeuteten, setze Medley auf das Nicht-Perfekte, Abgenutzte, Unfertige, so Kremski weiter.
Wandfliesen-Einfallsreichtum ebbt nicht ab
Bei Wandfliesen lassen sich gleich mehrere parallel verlaufende Strömungen ausmachen. Neben den XXL-Platten, die immer häufiger etwa in Duschen eingesetzt werden, erfreuen sich Fliesen mit aussagekräftigem, attraktivem Relief großer Beliebtheit. Der spanische Hersteller Porcelanosa setzt hier nach wie vor Maßstäbe. Aber auch die Tochterfirmen stehen ihr diesbezüglich in nichts nach. So präsentierte etwa Venis raffinierte Oberflächen-Strukturen, die nach der Verlegung mit sehr schmaler Fuge das Fliesenraster aufzulösen scheinen. Und die auf Naturmaterialien ausgerichtete Tochter L’Antic Colonial zeigte Metallfliesen mit Flechtmuster. Echtes Metall fand sich im Übrigen auch wieder in Halle 22 – am Messestand von De Castelli faszinierten gewebeartige Edelmetall-Ornamente die Besucher.
Wer einen Innovationsstrauß an Wandfliesen zu sehen wünscht, sollte auch stets einen Abstecher bei Aparici machen, wo in diesem Jahr unter anderem an aufeinander genietete Metallplättchen erinnernde keramische Fliesen, arabeske Dekorationen oder comicartig bedruckte Wandbeläge Aufsehen erregten. Einer der optisch ansprechendsten – weil besonders farbenprächtigen – Messestände fand sich indes bei dem südostfranzösischen Anbieter Bati Orient (BO). Und dies lag nicht nur an den vielfarbigen Regenschirmen, die die Standdecke bildeten: Eine beachtliche Vielfalt an Farben, Formen, Oberflächen und Dekoren, dargeboten in einem einfachen Euro-Paletten-Rahmen machte den Messestand zu einem Publikumsmagneten. Ein Beispiel der interessanten BO-Wandfliesen: in Streifen geschnittene und im Fischgrätmuster als Mosaik neu zusammengewürfelte Zementfliesen. Das Portfolio des 2003 gegründeten Hauses umfasst heute 1.400 Produkte; nach eigenen Angaben lanciert das Unternehmen etwa 80 neue Artikel pro Jahr.
Weitere optisch herausragende Stände fanden sich bei dem italienischen Mosaikspezialisten Boxer Ceramica, bei Graniti Fiandre, den Matteo Nunziati frei dem von Herzog & de Meuron geplanten, berühmten Vitra-Haus nachempfunden hatte oder bei Ducati Tiles, wo allerdings weniger die präsentierten Fliesen als vielmehr die ebenfalls ausgestellten neuesten Modelle der gleichnamigen Motorradmarke für Furore sorgten. Zudem eine Erwähnung verdient, hat die Idee des spanischen Fliesenherstellers Rocersa, seinen Messestand wie einen Kinosaal zu inszenieren. Im Negativen auffällig war in diesem Jahr die penetrante Odorierung mancher Messestände. Zwei besonders drastische Beispiele: Der blumige Parfumduft am noch verhältnismäßig offenen Ava-Messestand und der Moschusgeruch im nahezu komplett geschlossenen Inalco-Pavillon.
Die Cersaie konnte in diesem Jahr einen Besucheranstieg von 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnen (insgesamt 111.604). Die Zahl der Aussteller auf der 156.000 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche stieg um 17 Prozent auf 869 Firmen im Vergleich zu 2016. Stärkste Warengruppe waren wie stets die Keramikfliesen mit 457 Ausstellern, gefolgt von den Badezimmerausstattern, die mit 197 Unternehmen ebenfalls traditionell eine wichtige Stellung im Messeangebot einnehmen.