Sihlpost Zürich

Energetische Ertüchtigung einer Schweizer Ikone

Mit ihrer hohen städtebaulichen Präsenz ist die Sihlpost Zürich nicht nur das Wahrzeichen des neuen Stadtquartiers an der Europaallee, sondern gehört auch zu den Schweizer Ikonen des Neuen Bauens. Nahe des Hauptbahnhofs am Ufer der Sihl gelegen, lässt der markante Turm mit den gelben Lettern, einer weithin sichtbaren Uhr und schmalen vertikalen Verglasungen an einen Kirchturm denken. Hoch ragt er aus dem 123 Meter langen, sechsgeschossigen Gebäude empor, das 1929 nach Plänen der Brüder Adolf und Heinrich Bräm errichtet wurde und mit seinen ingesamt 800 Fenstern, die in Reih und Glied zwischen hellen Betonpfeilern sitzen, eine enorme Strenge ausstrahlt. Eine Besonderheit stellt das Tragwerk dar: Die gänzlich ohne Dehnfugen ausgeführte Eisenbetonskelettkonstruktion mit unterzuglosen Pilzdecken ist ein Werk des Brückenbau-Pioniers Robert Maillart. Die jüngst durchgeführte Revitalisierung erfolgte durch den Berliner Architekten Max Dudler in enger Kooperation mit der Denkmalpflege.

Gallerie

Während der Mittelteil des Erdgeschosses noch immer von der Post genutzt wird, sind an den Stirnseiten gastronomische Betriebe und daneben Geschäfte eingezogen. Im zweiten und dritten Obergeschoss befinden sich die Räume einer kaufmännischen Berufsschule, darüber die Büros von Google.

Die charakteristische Längsseite entlang der Kasernenstraße behielt ihr ursprüngliches Aussehen mit niedrigen schmiedeeisernen Gittern vor großen hölzernen Sprossenfenstern. Die beiden mittig der Treppenhäuser angeordneten Hauptzugänge wurden jedoch durch weitere Eingänge ergänzt. Der einprägsame Uhrturm erhielt eine dunklere Farbgebung, um den gelben Schriftzug besser zur Geltung zu bringen. Neue großflächige Verglasungen an den Stirnseiten im Erdgeschoss belichten die Restaurants und ermöglichen Ein- und Ausblicke. Die Innenräume wurden saniert, die Erschließungswege erneuert: Ein in den 1940er-Jahren hinzugefügter Aufzug im Bereich des Treppenauges wurde entfernt, je zwei neue Personenaufzüge sowie Sanitäranlagen in der Verlängerung der Treppenhäuser hinzugefügt. Diese bilden vertikale Lufträume durch sämtliche Geschosse. Zusätzliche Eingänge von der rückwärtigen, höher gelegenen „Sihlpostgasse“ aus führen direkt ins erste Obergeschoss in die Berufsschule. Alle neuen Eingänge sind als solche erkennbar: Sie sind von dunkelgrauen Sichtbetonrahmen gefasst, die jeweils ein klares Vordach ausbilden und damit auf die alten Haupteingänge Bezug nehmen, allerdings niedriger und massiver sind. Die dunkle Farbgebung hebt sich von deutlich von dem helleren Sichtbetonsockel ab.

Bauphysik
Das Fassadenbild der denkmalgeschützten Sihlpost mit den gestocktem Sichtbetonoberflächen im Gebäudesockel, den geschalten und gestrichenen Betonpfeilern zwischen den Fensteröffnungen und Fenstersimsen aus Mägenwiler Muschelkalk sollte unbedingt erhalten bleiben. Für die energetische Ertüchtigung der Außenwände war der Minergie-Standard für Sanierungen angestrebt, außerdem sollte den Komfortansprüchen der Mieter Genüge getan werden. Hinter den restaurierten Lärchenholzfenstern mit Einfachverglasung sorgt eine zweite Fassadenebene mit doppelverglasten Metallfenstern für eine gute Wärme- und Schalldämmung. Die neuen Fenster sind zweiflügelig, lassen sich öffnen und haben thermisch getrennte Stahlprofilrahmen; ihr U-Wert liegt bei 1,3 W/m²K. Die Stützenstirnseiten und Stürze erhielten eine Schaumglasdämmung. Vor den Brüstungen und Pfeilern wurde außerdem eine Innendämmung aus 140 mm Schaumglas mit einer Wärmeleitfähigkeit von λ = 0,041 W/mK eingebaut (s. Abb. 27, 28).

Weil auch die frei von Unterzügen hergestellte Deckenuntersicht samt der Pilzkopfstützen zu erhalten war und sichtbar bleiben sollte, kam eine vollständige Abhängung nicht in Frage. Stattdessen wurde der Boden aufgedoppelt und die notwendige Leitungsführung im Bodenaufbau integriert. Die vermietbaren Flächen sind nun schwellenlos zugänglich. Große quaderförmige Dachaufbauten für die Belüftung der Büros und Sitzungszimmer sind auf dem Flachdach eines nur dreigeschossigen rückwärtigen Gebäudeteils angeordnet, um die historischen Konturen der Dachform nicht zu stören. Das Dach wurde in seinem Zustand (der 1990er-Jahre) belassen, die Fenster in den Lukarnen (Dachgauben) jedoch erneuert und die bestehende Dämmung unter dem Dachstuhl aufgedoppelt. (us)

Bautafel

Architekt: Max Dudler, Berlin
Projektbeteiligte:
Christian Moeller Deplazes (Projektleitung); Helene Bihlmaier, Matthias Lovis, Tobias Schaer (Ausführungsplanung); MWV Bauingenieure, Baden (Tragwerksplanung); Bürgin & Keller, Dietikon (Elektroplanung); Kopitsis Bauphysik, Wohlen (Bauphysik, Akustik); BDS, Bern (Brandschutzkonzept); GKP Fassadentechnik, Aadorf (Fassadenplanung); Foamglas, Hilden (Hersteller Schaumglasdämmung)
Bauherr:
Schweizerische Bundesbahnen SBB Immobilien, Bern
Fertigstellung:
2015
Standort:
Kasernenstrasse 95–97, 8004 Zürich, Schweiz
Bildnachweis: Stefan Müller, Berlin

Fachwissen zum Thema

Im Rahmen der Planung zur Bauphysik ist die Behaglichkeit kein deutlich umrissenes Arbeitsfeld

Im Rahmen der Planung zur Bauphysik ist die Behaglichkeit kein deutlich umrissenes Arbeitsfeld

Grundlagen

Bauphysik und Behaglichkeit

Im Rahmen der Planung zur Bauphysik ist die Behaglichkeit kein deutlich umrissenes Arbeitsfeld. Obwohl einzelne Normen sich mit...

Übersicht einiger üblicher Dämmstoffe für unterschiedliche Anwendungsbereiche

Übersicht einiger üblicher Dämmstoffe für unterschiedliche Anwendungsbereiche

Wärmeschutz

Dämmstoffe: Eigenschaften, Anwendungen, Kennwerte

Wichtiger Bestandteil des energieeffizienten Bauens und Wärmeschutzes sind die Dämmstoffe. Die Rohdichten [kg/m³] und die daraus...

Schematischer Temperaturverlauf in unterschiedlichen Wandaufbauten; monolithische Wand links, Mitte von außen gedämmte Wand, rechts Wand mit Innendämmung

Schematischer Temperaturverlauf in unterschiedlichen Wandaufbauten; monolithische Wand links, Mitte von außen gedämmte Wand, rechts Wand mit Innendämmung

Wärmeschutz

Dämmungsysteme und deren Wirkung

Zur Reduzierung des Wärmeenergiebedarfs in einem Gebäude ist die Dämmung von Fassade, Dach und Bodenplatte eine der wichtigsten...

Einflussfaktoren auf die thermische Behaglichkeit

Einflussfaktoren auf die thermische Behaglichkeit

Luft und Lüftung

Raum(be)lüftung und Raumluftqualität

Die Aufgaben der Raumbelüftung bestehen im Wesentlichen darin die Behaglichkeit in den Räumen sicherzustellen und Bauschäden durch...

Zum Seitenanfang

Westliche Straßenansicht des neuen Gebäudeteils

Westliche Straßenansicht des neuen Gebäudeteils

Büro/​Gewerbe

Nike Europazentrale im Gertrudshof Berlin

Ergänzung eines denkmalgeschützten Industriegebäudes

Nach Plänen von UNStudio aus Amsterdam erhielt das 1952 von Jan van der Laan entworfene Kaufhaus der Modekette C&A in Eindhoven einen neuen, vollflächig verglasten Sockelbereich.

Nach Plänen von UNStudio aus Amsterdam erhielt das 1952 von Jan van der Laan entworfene Kaufhaus der Modekette C&A in Eindhoven einen neuen, vollflächig verglasten Sockelbereich.

Büro/​Gewerbe

Kaufhaus 18 Septemberplein in Eindhoven

Kristalline Glasboxen für ein Gebäude der Nachkriegszeit

Westfassade des Bürogebäudes „Brick”, geplant von Ernst Niklaus Fausch Partner: ablesbar die ehemalige Kistennaglerei (1931) und Suppenabfüllerei (1940) mit aktueller Aufstockung (2019)

Westfassade des Bürogebäudes „Brick”, geplant von Ernst Niklaus Fausch Partner: ablesbar die ehemalige Kistennaglerei (1931) und Suppenabfüllerei (1940) mit aktueller Aufstockung (2019)

Büro/​Gewerbe

Givaudan Business Center in Kemptthal/Lindau

Aufstockung einer ehemaligen Suppenabfüllerei

Westansicht von der De Beauvoir Road: Ursprünglich umfasste der Gebäudeblock sechs Warenlager aus dem 19. Jahrhundert

Westansicht von der De Beauvoir Road: Ursprünglich umfasste der Gebäudeblock sechs Warenlager aus dem 19. Jahrhundert

Büro/​Gewerbe

De Beauvoir Block in London

Aufstockung mit Modulen in Holzrahmenbauweise

Nordwestliche Eingangsseite: Das Hafven lässt an eine Festung denken

Nordwestliche Eingangsseite: Das Hafven lässt an eine Festung denken

Büro/​Gewerbe

Coworking Space Hafven in Hannover

Markanter Sichtbetonbau mit Kerndämmung aus Schaumglas

Mit einer Länge von 310 Metern, 72 Metern Breite und einer lichten Höhe von knapp neun Metern prägt der ehemalige Güterbahnhof Station F das Stadtgefüge im 13. Arrondissement von Paris maßgeblich

Mit einer Länge von 310 Metern, 72 Metern Breite und einer lichten Höhe von knapp neun Metern prägt der ehemalige Güterbahnhof Station F das Stadtgefüge im 13. Arrondissement von Paris maßgeblich

Büro/​Gewerbe

Station F in Paris

Baudenkmal aus Spannbeton wird Gründerzentrum

Das Marine Building 27E sollte nach seiner Ertüchtigung durch das Bureau SLA im Jahr 2016 als temporäres Verwaltungs- und Konferenzgebäude im Rahmen der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft dienen

Das Marine Building 27E sollte nach seiner Ertüchtigung durch das Bureau SLA im Jahr 2016 als temporäres Verwaltungs- und Konferenzgebäude im Rahmen der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft dienen

Büro/​Gewerbe

Marine Building 27E in Amsterdam

Umnutzung einer Umnutzung

Der markante Turm der Sihlpost mit den gelben Lettern und den vertikalen Fensterbändern ist heute das Wahrzeichen des neuen Quartiers an der Europaallee

Der markante Turm der Sihlpost mit den gelben Lettern und den vertikalen Fensterbändern ist heute das Wahrzeichen des neuen Quartiers an der Europaallee

Büro/​Gewerbe

Sihlpost Zürich

Energetische Ertüchtigung einer Schweizer Ikone

Die ehemalige Königliche Eisenbahndirektion in unmittelbarer Nähe des Kölner Doms erhielt einen fein gestaffelten Aufbau, der das Bild der historischen Dachform nachzeichnet

Die ehemalige Königliche Eisenbahndirektion in unmittelbarer Nähe des Kölner Doms erhielt einen fein gestaffelten Aufbau, der das Bild der historischen Dachform nachzeichnet

Büro/​Gewerbe

Neue Direktion Köln

Terrassierte Aufstockung lässt Mansarddach aufleben

Entworfen zu Beginn der 1950er-Jahre von Helmut Hentrich und Hans Heuser, erfolgte der Umbau des Hochhauses bis 2016 durch die Architekten und Stadtplaner Kister Scheithauer Gross (Südansicht)

Entworfen zu Beginn der 1950er-Jahre von Helmut Hentrich und Hans Heuser, erfolgte der Umbau des Hochhauses bis 2016 durch die Architekten und Stadtplaner Kister Scheithauer Gross (Südansicht)

Büro/​Gewerbe

Gerling Hochhaus in Köln

Energetische und brandschutztechnische Sanierung eines Stahlskelettbaus

Das 1960 von Helmut Hentrich und Hubert Petschnigg entworfene Dreischeibenhaus in Düsseldorf gilt heute als wichtiges Zeugnis der deutschen Nachkriegsmoderne

Das 1960 von Helmut Hentrich und Hubert Petschnigg entworfene Dreischeibenhaus in Düsseldorf gilt heute als wichtiges Zeugnis der deutschen Nachkriegsmoderne

Büro/​Gewerbe

Dreischeibenhaus in Düsseldorf

Modernisierung eines denkmalgeschützten 60er-Jahre-Baus

Ostfassade mit ehemaliger Laderampe, rechts daneben der barrierefreie Zugang

Ostfassade mit ehemaliger Laderampe, rechts daneben der barrierefreie Zugang

Büro/​Gewerbe

Bürogebäude The Box in Berlin

Umbau eines Lagerhauses aus den 1960er-Jahren

Das Vitrahaus beherbergt Ausstellungsräume

Das Vitrahaus beherbergt Ausstellungsräume

Büro/​Gewerbe

Vitrahaus in Weil am Rhein

Gestapelte Dachlandschaft