Marine Building 27E in Amsterdam

Umnutzung einer Umnutzung

Erst seit wenigen Jahren ist das einst durch die niederländische Marine genutzte Gelände in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum von Amsterdam der Öffentlichkeit zugänglich – noch 2018 soll der Abzug der letzten dort stationierten Einheiten abgeschlossen sein. Teil des Areals am Hafenbecken gegenüber des von Renzo Piano geplanten Museums für Wissenschaft und Technik Nemo ist auch ein zu Schulungszwecken errichtetes Gebäudeensemble aus den Fünfziger Jahren: Zwei aufgeständerte dreigeschossige Quader, die rückwärtig durch einen flachen Riegel verbunden sind. Einer dieser Zwillingsbauten ist das Marine Building 27E. Nach seiner Ertüchtigung durch das Bureau SLA im Jahr 2016 sollte es als temporäres Verwaltungs- und Konferenzgebäude im Rahmen der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft dienen. Obwohl es letztendlich anders kam, profitierten Architekten und Gebäude von einer Lücke im Baurecht: Da nicht dauerhafte Nutzungen von den geltenden Energiestandards befreit sind, konnte der Ursprungscharakter dieses Bauwerks der Nachkriegsmoderne gewahrt bleiben.

Gallerie

Während der Zwilling in den 90er-Jahren bereits saniert worden war, diente hier ein vollständig entkerntes Stahlbetonskelett als Ausgangsbasis. Durch Stützenreihen, die sich auf die Längsfassaden und eine Mittelachse beschränken, ermöglicht der Gebäudetypus großzügige Grundrisse. Prägnant sind die kurzen Stirnseiten mit Ziegelsichtmauerwerk. An der Ostseite, die an den eingeschossigen Verbindungsbau mit der Heiz- und Lüftungszentrale andockt, befinden sich das Treppenhaus und die Nebenräume. Um den Sicherheitsanforderungen für die erwarteten 500 Nutzer gerecht zu werden, ergänzten die Architekten ein zweites Treppenhaus an der gegenüberliegenden Stirnseite.

Ein markantes Merkmal des ertüchtigten Bürogebäudes ist der deutlich hervortretende, konstruktive Sonnenschutz aus thermisch vorbehandelten Holzleisten. Die auffällige Gestaltung der Südfassade hat auch symbolische Funktion: Auf den zweiten Blick lassen sich – entsprechend der geplanten Nutzung für die Ratspräsidentschaft – in der unterschiedlichen Struktur der vorgesetzten Hölzer die Flaggen der EU-Mitgliedsstaaten erkennen. Da der Auftraggeber jedoch am eigenen Zeitplan zweifelte (das Gebäude wurde übrigens fristgerecht übergeben), entschied er sich kurzfristig, eine Containeranlage zu installieren und die beabsichtigte Nutzung für Gebäude 27E dort unterzubringen. Dessen rauer, industrieller Charme mit sichtbar an der Decke montierten Installationsleitungen und Anhydritestrichböden in den offenen Büroetagen zog jedoch schnell neue Nutzer an. Mittlerweile haben Start-ups aus der Kreativ- und Technologiebranche ihre Arbeitsplätze dort bezogen und die ungewöhnlichen hölzernen Flaggen an der Fassade belassen. Damit ging der Plan, mithilfe des Gebäudes eine Initialzündung für die Entwicklung des Marine-Areals zu bewirken, letztlich auf – wenn auch anders als gedacht.

Sanierungsmaßnahmen/Bauphysik

Die gravierendste Änderung erfuhren die Längsfassaden: Ursprünglich als horizontale Glasbänder strukturiert, erhielten sie analog zum Stützenraster geschosshohe Verglasungen in den Abmessungen 3,50 x 3,50 m. Die quadratischen Fassadenelemente bestehen aus einer Dreifachverglasung mit wärmegedämmten Aluminiumprofilen, die auf die anthrazitfarbenen Faserbetonelemente an den Stirnseiten der Geschossdecken und Fassadenstützen abgestimmt sind. Die vorgefertigten und hinterlüfteten Bekleidungselemente dienen auch dem Schutz der darunterliegenden Abdichtungsfolie und einer Dämmung aus Mineralwolle. In jeweils einer oberen Ecke der Verglasung ermöglicht eine motorisch zu öffnende dreieckige Klappe die natürliche Belüftung der Geschossflächen. Dank einer matten Folie als Glaseinlage heben sich diese „Eselsohren“ gestalterisch von den festverglasten Quadratelementen ab. Die Schatten spendende Holzkonstruktion an der Südseite wird durch außenliegende textile Rollos als Wärme- und Blendschutz ergänzt.

Das originale zweischalige Ziegelmauerwerk an den Stirnseiten erhielt eine Kerndämmung im 188 mm breiten Luftzwischenraum. Die Decke des ersten Obergeschosses wurde unterseitig mit 120 mm Mineralwolle gedämmt und verkleidet; dabei wurden die Unterzüge ausgespart, um das Erscheinungsbild und die Proportionen nicht zu sehr zu verändern. Das Dach erhielt einen vollständig neuen Aufbau: Als nunmehr leicht geneigtes Flachdach ausgeführt, wurde das Gefälle mittels einer EPS-Dämmung (Mindeststärke 100 mm) auf einer Dampfbremse an die Ränder geführt, sodass die Attika relativ schmal ausgeführt werden konnte (Abb. 25). Die Abdichtung erfolgte mit EPDM-Bahnen.

Bautafel

Architekten: Bureau SLA, Amsterdam
Projektbeteiligte: Peter van Assche, Joti Weijers-Coghlan, Alejandro Hernandez, Christine van Gemert, Jordi Herfst, Susanne Leon (Mitarbeiter Architekturbüro); Van Zuilen Constructie Advies, Nieuwegein (Statik); Bureau Marineterrein, Amsterdam (Projektsteuerung); Prins Bouw, ‘t Harde (Generalunternehmer)
Bauherr: Rijksvastgoedbedrijf, Den Haag                              
Fertigstellung:
2016
Standort: Kattenburgerstraat 7, 1018 JA Amsterdam, Niederlande
Bildnachweis: Bureau SLA, Amsterdam

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