Station F in Paris

Baudenkmal aus Spannbeton wird Gründerzentrum

Als eines der ersten Gebäude, bei dem vorgespannter Beton zum Einsatz kam, steht der 1929 errichtete ehemalige Güterbahnhof Halle Freyssinet seit 2012 unter Denkmalschutz. Die Spannbetonbögen der Station F, geplant vom Ingenieur Eugène Freyssinet, unterschreiten an der Dachkante zum Teil eine Stärke von fünf Zentimetern. Die Bahnhofshalle entstand in nur 26 Monaten Bauzeit und steht im 13. Arrondissement von Paris, in unmittelbarer Nähe zur Bibliothèque Nationale de France von Dominique Perrault. Mit einer Länge von 310 Metern, einer Breite von 72 und einer lichten Höhe von knapp neun Metern prägt sie das Stadtgefüge maßgeblich. Nach der Nutzung durch Frankreichs Nationale Eisenbahn SNCF bis 2006 lag das Gebäude brach und verfiel. Zahlreiche Versuche, das Gelände für neue Nutzungen zu veräußern, scheiterten; auch ein Architekturwettbewerb für einen neuen Standort des obersten französischen Gerichtshofs brachte keine Realisierung. Auf Initiative des in Paris ansässigen Unternehmers Xavier Niel wurde der Güterbahnhof schließlich in ein Gründerzentrum für 1.000 Startups verwandelt.

Gallerie

Den internationalen Wettbewerb für die Entwicklung und Umnutzung des Bahnhofsareals konnte das ortsansässige Architekturbüro Wilmotte & Associés für sich entscheiden. Ihr Entwurf sah die Transformation des Gebäudes unter Einbeziehung der Nachbarschaft samt Gestaltung der Außenanlagen vor. Durch ein Angleichung der Bodenbeläge im Innen- und Außenraum ist die Station F ins städtische Umfeld eingebunden. Zusätzlich wurden zwei Querpassagen für die Öffentlichkeit geschaffen, die das Bauwerk gleichsam dreiteilen: Das Umnutzungskonzept folgt dabei den Leitmotiven Share – Create – Chill.

Share definiert die gemeinschaftliche Eingangszone an der Stirnseite mit einem 361 Plätze fassenden Auditorium sowie Besprechungsräumen mit kompletter Infrastruktur. Create heißt das Areal mit den Arbeitsplätzen, während Chill an der gegenüberliegenden Stirnseite des Gebäudes mit Restaurants und einer begrünten Terrasse der Entspannung dienen soll. Um eine Nutzung als Großraumbüro mit entsprechender Infrastruktur zu ermöglichen, ohne die denkmalgeschützte historische Substanz zu beeinträchtigen, wurden zwei – stellenweise auch drei – Zwischenebenen galerieartig in den beiden Seitenschiffen des Bauwerks installiert. Dank einer demontierbaren, zurückhaltend weißen Stahlkonstruktion ist die flexible Anpassung an künftige Anforderungen gewährleistet. Die Galerien orientieren sich zum offenen Mittelschiff des Bahnhofs, welcher hier in seiner vollen Höhe und eindrucksvollen Länge erlebbar ist. Rhythmisiert wird die insgesamt 34.000 Quadratmeter umfassende Nutzfläche mit einem Anteil von 12.000 Quadratmetern Büro- und Arbeitsfläche durch Sitzungszimmer, die in Form weißer „Schiffscontainer“ über die Kanten der Galerien zur Mitte leicht auskragen. Die Container unterteilen die Bürozone in sogenannte Villages (engl: Dörfer), die jeweils eigene Bereiche eines Startups definieren. Im Mittelschiff selbst wurden die ehemaligen Gleisanlagen, die unterhalb des Bahnsteigniveaus lagen, in Anlehnung an Werkstattgruben als abgesenkte Gänge gestaltet. Sie gliedern den Raum und nehmen die Schließfächer auf.

Bauphysikalische Aspekte

Die Nutzung des Gebäudes als Güterbahnhof unterlag bei der Errichtung 1929 natürlich ganz anderen Anforderungen als die von Büroarbeitsplätzen heute: Klimatisierung, Schallschutz, Tageslicht – all dies stellte die Architekten und Fachplaner vor besondere Herausforderungen.

Zunächst wurden die massiven Seitenwände des Bahnhofs aufgebrochen und mit Isolierverglasungen ausgestattet, sodass die Arbeitsplätze auf den neu eingezogenen Galerien mit Tageslicht versorgt werden. Das originale Lichtband des Firstes sollte erhalten bleiben, jedoch waren weder die Verglasung noch die Dachfläche wärmegedämmt. Da die Spannbetonbögen im Inneren unbedingt ablesbar bleiben sollten, wurde eine Aufdachdämmung vorgenommen. Das Lichtband wurde entsprechend der neuen Dämmhöhe angehoben und die Verglasung gegen Isolierglas ausgetauscht. Die Öffnungen sind für eine natürliche Belüftung motorisiert und werden für eine sogenannte Nachtluftspülung verwendet, um Wärmelasten abzuleiten und die thermische Masse der Halle zu aktivieren.

Neben den energetischen und klimatischen Aspekten war die Gewährleistung eines ausreichenden Schallschutzes anspruchsvoll. Hier bilden die weißen Container eine wichtige Komponente: Sie gliedern die enorme Gesamtfläche in kleinere Abschnitte und sorgen damit für eine geringere Schallausbreitung. Um diese weiter zu reduzieren, wurde die Stahlhülle der Boxen perforiert und mit Mineralwolle isoliert. Die neu eingefügten Galeriegeschosse sind unterseitig mit Akustikdecken verkleidet, die Lichtbänder der Seitenschiffe mit schallabsorbierenden Lamellen (Baffeln) versehen. Diese schützen zudem vor direktem Tageslichteinfall und sorgen für eine indirekte Belichtung der Arbeitsplätze.

Bautafel

Architekten: Wilmotte & Associés, Paris
Projektbeteiligte: SEMAPA, Paris (Projektentwicklung); d-ici-là, Paris (Landschaftsplanung); Sas Mizrahi, Garches (Tragwerksplanung); Transsolar, Stuttgart (Klima- und Haustechnik); LASA, Paris (Schallschutz, Raumakustik)
Bauherr: Station F, Paris
Fertigstellung: 2017
Standort: 5 Parvis Alan Turing, 75013 Paris, Frankreich
Bildnachweis: Patrick Tourneboeuf, Didier Boy de la Tour, Jérôme Galland – alle Paris

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