Collège Rousseau in Genf
Nahtloser Übergang von Alt und Neu
Im Genfer Nordwesten entstand 1969 nach Plänen von Alain Ritter das Collège Rousseau – heute ein Zeugnis des Brutalismus in der Schweiz. Der Kanton Genf initiierte bereits 2017 einen Architekturwettbewerb für die Erweiterung und Generalsanierung des in die Jahre gekommenen Schulbaus. Der Siegerentwurf von Burckhardt Architektur sah die gesamtheitliche Aufwertung des Bestandes mit Erhalt und Ertüchtigung der alten Bausubstanz sowie eine Aufstockung um ein weiteres Geschoss vor. Digitale Tools halfen dabei, den denkmalgeschützten Bestand zu erfassen.
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Gradliniger Grundriss und leichtes Tragwerk
Der Schulbau liegt zurückgesetzt, von größeren Wohnstrukturen auf der einen und von Einfamilienhäusern auf der anderen Seite umgeben auf abfallendem Gelände. Auf dem stringenten, rechteckigen Grundriss mit eingeschnittenem Innenhof erhebt sich über den zwei großzügig verglasten Sockelgeschossen und den zwei Obergeschossen des Bestandes nun ein weiteres Geschoss. Die Fassade des Bestandes mit prägnantem Relief aus Betonfertigteilen setzt sich in dem neuen Obergeschoss fort, sodass die Aufstockung erst auf den zweiten Blick auffällt.
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Während die Sockelgeschosse die Mensa, Bibliothek, Aula und die Schulverwaltung aufnehmen, liegen in den Obergeschossen die Klassenräume um den Lichthof verteilt. Die Aufstockung zeichnet sich durch eine leichte Holzkonstruktion mit warmen Farbtönen aus, die im Inneren sichtbar ist. Zudem fällt die Höhe in dem neuen Geschoss großzügiger aus, zwei Oberlichter über den Treppen sorgen darüber hinaus für mehr Tageslicht und Weite. Die leichte Holzkonstruktion (Struktur, Boden und Dach) reduziert die zusätzlichen statischen Belastungen auf ein Maß, das der Bestand ohne erhebliche Verstärkungen tragen kann. Durch den minimalinvasiven Ansatz konnte auf weitere versiegelte Fläche verzichtet und gleichzeitig der steigenden Zahl an Schüler*innen Rechnung getragen werden.
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Konsequente BIM-Planung
Obwohl Building Information Modeling (BIM) zu Beginn des Planungsprozesses 2018 in der Schweiz einen vergleichsweise geringen Stellenwert einnahm und somit vertraglich nicht gefordert war, setzte das Planungsteam von Anfang an auf die Methode. Eine genaue Kenntnis der denkmalgeschützen Bausubstanz und die Übertragung dieser Informationen in ein BIM-Modell wurden als übergeordnetes Ziel definiert. Der erste Schritt beinhaltete die Identifizierung der wesentlichen Anwendungsfälle zur Erreichung des Projektziels in den verschiedenen Projektphasen.
Eine möglichst aufschlussreiche und effiziente Dokumentation des Bestandes kristallisierte sich schnell als wichtige Grundlage heraus. Neben einer analogen Archivrecherche und Sichtung von Originalplänen, CAD-Dateien und Fotos erfolgte eine 3D-Vermssung des Bestandes. Zusätzlich wurde eine 180 Grad-Fotovermessung durchgeführt, um die erhobenen Daten mit den Punktwolken des 3D-Scans abzugleichen und in ein digitales Modell überführen zu können. Der Detaillierungsgrad (Level of Development, kurz: LOD) des BIM-Modells erhöhte sich sukzessive, indem die Geometrie und der Informationsgrad (Level of Information, kurz: LOI) entsprechend der Planungsphasen immer weiter präzisiert wurden.
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Der transparente Daten- und Informationsaustausch aller am Bau
Beteiligten erfolgte über eine Kollaborationsplattform – eine gemeinsame
Datenumgebung (Common Data Environment, kurz: CED). Der digitale
Projektraum bildete die einzige Informationsquelle (Single Source of Truth) in dem BIM-Projekt und
trug dazu bei, unabgestimmte Planungsstände, Fehler, Kollisionen
und Redundanzen zu vermeiden.
Bautafel
Architektur: Burckhardt Architektur (Sanierung und Aufstockung); Alain Ritter (1969)
Projektteam: Nicolas Vaucher (Projektverantwortlicher), Alexandre Gilberto (Projektleitung), Antje Bittorf, Lou Boudias (Bauleitung), Abilio Rui Luis e Silva, Marcos Negreira, Philippe Noverraz
Projektbeteiligte: Thomas Jundt Ingénieurs Civils (Tragwerksplanung); ENPLEO Sàrl (Bauphysik); Xmade (Fassade); Betelec (Elektrotechnik); Chammartin & Spicher (Haustechnik); Batj (Akustik); Christian Bischoff (Historiker Heimatschutz); Kairnial (Thinkprojekt), Autodesk Construction Cloud (BIM/CDE); Haufe Deckensysteme (Decken); Lumiverre Plafonds (Beleuchtung); MFP Préfabrication (Vorfabrizierte Betonfassade); André (Schreinerei); CMA Constructeurs Métalliques Associés (Metallkonstruktion)
Bauherrenschaft: État de Genève, Kantonales Amt für Bauwesen
Fertigstellung: 2024
Standort: Avenue du Bouchet 16A, 1209 Genf, Schweiz
Bildnachweis: Olivier Di Giambattista; Staatsarchiv Genf (Fotos), Burckhard Architektur (Pläne)
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