Stiftung Louis Vuitton in Paris
Komplexer Museumsbau digital konstruiert
Zwischen dem Grün des weitläufigen Pariser Stadtparks Bois du Boulogne erhebt sich ein großer, dennoch filigran wirkender, geschwungener Baukörper, dessen transluzente Fassaden sich wie Segel im Wind wölben. Als Glasschiff wird der von Frank O. Gehrys Büro entworfene Neubau wegen seiner auffälligen Erscheinung auch bezeichnet. Der Ausruf „Volle Fahrt voraus für zeitgenössische Kunst!" kommt einem in den Sinn, denn das komplexe Bauwerk beherbergt die private Kunstsammlung der Fondation Louis Vuitton.
Gallerie
Gigantische Glasschalen und Holz-Stahl-Konstruktion
Der Bau des organisch geformten Museums für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts wurde durch Mäzenatentum aus dem Segment der Luxuswaren ermöglicht. Auf einer Fläche von insgesamt rund 11.000 Quadratmetern bietet er Platz für eine permanente Sammlung sowie für temporäre Ausstellungen, elf unterschiedlich große Galerieräume mit einer Gesamtfläche von 3.200 Quadratmetern stehen dafür zu Verfügung. Dazu kommen ein Auditorium mit 350 Plätzen für Veranstaltungen aller Art, eine 650 Quadratmeter große Eingangshalle, ein Restaurant und ein Museumsshop sowie Büro-, Technik-, Lager- und Archivräume. Mit Höhen zwischen 6,50 und 17 Meter sind sie auf unterschiedlichen Ebenen in 19 einzelnen Raumblöcken untergebracht, die von einem Kern aus Stahlbeton gebildet werden und von zwölf gigantischen Glasschalen umhüllt sind. Sie werden von einer Holz-Stahl-Konstruktion getragen und verleihen dem 48,50 Meter hohen Komplex trotz seiner Größe eine leichte und organisch-fließende Wirkung. Dazu tragen auch die Platzierung in einem Wasserbecken und der in den Park übergehende Außenbereich bei.
Licht erhalten die Räume durch nach oben gerichtete Kamine,
deren Scheiben das Sonnenlicht indirekt in das Gebäude leiten.
Filigrane Stege auf unterschiedlichen Höhen und außen liegende
Treppen zwischen Kern und Glassegeln verbinden die Räume in den
einzelnen Blöcken. Auch auf den Dachgarten führt eine Außentreppe.
Die für Gehry typischen geneigten, gekrümmten und zueinander
versetzten Volumen sind bei dem Pariser Museumsbau in weiße Platten
aus hochfestem, faserverstärkten Beton eingekleidet, die wegen
ihrer hellen Erscheinung auch „Eisberge" genannt werden.
Digitale Planung, Gestaltung und Konstruktion
Ebenso
komplex wie das Erscheinungsbild des Museums war die Planung für
die mehrschichtige Tragstruktur und die zahlreichen Ausführungen
der Beton- und Glaspaneele. Für die Fassade wurden 19.000
unterschiedliche gewölbte Betonplatten hergestellt. Darin verankert
ist die primäre Tragstruktur aus 177 Stahl- und Holzleimbindern, an
denen wiederum die sekundäre Tragstruktur – ebenfalls aus Stahl und
Brettschichtholz (insgesamt 222 ein- und zweifach gekrümmte
BSH-Träger) – befestigt ist. 3.600 in zwei Richtungen gebogene
Glasscheiben sind darin eingesetzt. Beim Glas handelt es sich um
millimetergenau gefertigte Unikate. Die Glas- und Tragstruktur
mussten eng aufeinander abgestimmt werden.
Dies gelang dem aus über 200 Mitarbeitern bestehendem Team dank digitaler Planung: Gehry Technologys (GT), Teil von Gehry Partners, entwickelte eigens ein Building-Information-Modeling-Programm, das auf einem dem Flugzeugbau entlehnten CAD-System basiert. Skulpturale Studienmodelle wurden zunächst digitalisiert und daraus dreidimensionale Daten generiert. Mit der Software ließen sich schließlich die komplizierten geometrischen Formen erstellen und bearbeiten. In Zusammenarbeit mit den ausführenden Architekten und Ingenieuren entwickelte das Büro Gehry einige Hundert adaptive 3D-Details als sogenannte intelligente Komponenten, die als Grundstock für Tausende kategorisierte Varianten dienten. Sich an Veränderungen anpassende eingeschriebene Informationen erlaubten während des gesamten Gestaltungsprozesses, jederzeit die Kosten und Qualität zu bestimmen.
Das BIM-Programm fungierte auch als gemeinsame Plattform: Alle Mitwirkenden konnten anhand eines einzigen Modells und einer genauen Organisationsstruktur der Daten die Informationen miteinander teilen und so länderübergreifend eng zusammenzuarbeiten. Gehry Technologies führte in dem international agierenden Büro ein 3D-Projektabwicklungssystem ein, das die dreidimensionale Gestaltung sowie den Austausch über Kontinente hinweg ermöglichte. Über das BIM-System wurden die Verteilung, Versionen, Zugänge und Sicherheitsaspkete in dem Modell verwaltet; via Datenexport konnten statische Berechnungen und Brandschutz durch Simulation überprüft werden.100 Mitarbeiter waren für Dateneingabe, Auswertung und Koordination tätig.
In der Bauphase weitete sich die Rolle von GT aus und umfasste
das Verwalten der Planer, des Generalunternehmens und der
Lieferkette. Zum Gelingen der Gesamtorganisation wurde ein präziser
Ablauf- und Montageplan erstellt und die Subunternehmen von
GT-Mitarbeitern unterstützt. Der Bauherr unterstützte die Anwendung
von BIM
als ein Werkzeug für die Gestaltung, technische Planung und
Konstruktion des Projekts. Er nutzte es zur internen Kommunikation,
zum Kuratieren der Ausstellung und zur Instandhaltung des
Gebäudes.
Die wesentlichen Punkte sind zusammengefasst folgende:
- Einführen einer Plattform für Berechnung, Konstruktion und Gestaltung, sodass ein global arbeitendes Team aus über 200 Mitwirkenden an einem Modell arbeiten kann
- Rationalisieren der Fassadenkomponenten für Herstellung, Konstruktion und Installationseinschränkungen
- Erstellen parametrischer und generativer Detaileinzelzeichnungen für nicht-standardmäßige mechanischen Verbindungen
- Simulation der Konstruktion.
Für die Planung des Museumsbaus ist Gehry Technologies mit dem
„BIM Excellence Award" des American Institute of Architects (AIA)
ausgezeichnet worden. -jb
Bautafel
Architekten: Frank O. Gehry / Gehry Partners LLP, Los Angeles
Projektbeteiligte: Studios Architecture, Paris (Ausführungsplanung); Setec Batiment, Paris (Tragwerksplanung, Bauingenieurleistungen); L'Observatoire International, New York / Ingelux, Vaulx-en-Velin (Lichtplanung); RFR / TESS, Paris (Fassadenplanung); Lamoureux, Paris (Akustikplanung); Nagata Acoustics, Paris (Sound Design Auditorium); Atelier Lieux et Paysages, Cadenet (Landschaftsplanung); Ducks Sceno, Paris (Szenografie); TAW Weisse, Hamburg (Wartung); S'Pace / Terao, Paris (Beratung Nachhaltig Bauen); Vinci Construction, Rueil-Malmaison Cedex (Generalunternehmen); Hess Timber, Kleinheubach (Brettschichtholzbauteile der Tragstruktur Dach)
Bauherr: Fondation Louis Vuitton, Paris / Bernard Arnault
Fertigstellung: 2014
Standort: Avenue du Mahatma Gandhi 8, Bois de Boulogne, Paris
Bildnachweis: Iwan Baan / Fondation Louis Vuitton
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