Arch Tec Lab der ETH Zürich
Digitale Planung und Fertigung in der realen Anwendung
Einer von zwei Hauptstandorten der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich ist der Campus Hönggerberg nördlich vom Stadtzentrum. Auf der Grundlage eines vorausschauenden Masterplans wächst er beständig. Neben mehr Platz für Bildung, Lehre und Forschung sind Begrünung, Nachhaltigkeit sowie Nachverdichtung wichtige Punkte im Zuge der Weiterentwicklung. Die ETH Zürich ist dafür bekannt, dass viele Projekte auf dem Campus gemeinsam von den Studierenden, Professoren und in den Instituten der Hochschule realisiert werden. So entstand auf dem Hönggerberger Areal der Neubau Arch Tec Lab durch Aufstockung auf dem Dach einer vorhandenen Parkgarage und durch die Bündelung von Forschungsansätzen.
Gallerie
Sechs Jahre dauerte der Planungs- und Bauprozess, an dem
Architekten, Bauingenieure, Gebäudetechniker und Bauphysiker aus
sechs Professuren des Instituts für Technologie in der Architektur
(ITA) beteiligt waren, und die im gebauten Reallabor nun ihre
Arbeitsplätze haben. Weitgehend digital geplant und fabriziert
sowie darüber hinaus ressourcenschonend sollte das Gebäude werden.
Das Ergebnis ist ein architektonischer Prototyp neuer Bauweise. Auf
der bestehenden Betonstruktur der Tiefgarage, die zwei
unterirdische Geschosse umfasst, erhebt sich eine
Leichtbaukonstruktion aus Stahl und Holz, die digitale Technologien
und kollaborative Arbeitsprozesse miteinander verbindet.
Parallel zum benachbarten fünfgeschossigen Bestandsbau, in dem
sich unter anderem das Department Architektur befindet, ruht auf
rechteckigem Grundriss der innovative Bau mit verglaster
Pfosten-Riegel-Fassade. Das Erdgeschoss ist eingerückt und verfügt
über doppelte Etagenhöhe. Auf der Halle, die die weltweit erste
Forschungsplattform im Bereich großmaßstäblicher, roboterbasierter
Fabrikation in der Architektur und dem Bauwesen beherbergt (Robotic
Fabrication Laboratory, kurz RFL), befinden sich zwei
Obergeschosse, wovon das obere eine Galerieebene ist. Im Südosten
bildet auf Höhe des zweiten Stocks ein aufgeständerter, überdachter
Steg einen Übergang zum Nachbargebäude. In Verlängerung dieser weiß
lackierten Passerelle liegt im Südwesten der Haupteingang; ein
separater Lieferzugang für das RFL ist im Nordosten positioniert.
Auf einer Gesamtgeschossfläche von 6.600 Quadratmetern sind neben
der Robotikhalle Großraumbüros, Seminar- und Aufenthaltsräume
untergebracht. Insgesamt 180 Arbeitsplätze stehen zur
Verfügung.
Digitale Planung und robotergefertigte
Dachtragkonstruktion
Um auf den bestehenden
Gebäudestrukturen aufbauen und dem Ansatz der Ressourcenschonung
entsprechen zu können, setzten die Wissenschaftler konsequent auf
Leichtbautechnologie und reduzierten die Baumasse. Im Vergleich zu
klassischen Hochbauten, die mit bis zu 400 Kilogramm Baumasse je
Kubikmeter Raum ins Gewicht fallen, beträgt die durchschnittliche
Masse des Arch Tec Lab nur 240 kg/m3. Die Wahl der
Materialien fiel bei der Dachkonstruktion auf Holz und beim
Tragsystem auf Stahl. Diese Baustoffe weisen eine gute Steifigkeit
auf und das Stahlskelett benötigt keine tragenden Schächte oder
Kerne aus Stahlbeton, was neben dem geringeren Lasteintrag auch
eine hohe Flexibilität bei der Grundrissplanung und späteren
Umbauten bedeutet.
Über der Tragkonstruktion liegt das geschwungene Holzdach, das von einem Portalroboter komplett vorgefertigt wurde. Grundlage hierfür war unter anderem ein digitales Gebäudemodell, das in die Fertigung übertragen wurde. Entworfen unter Leitung der Professur für Architektur und digitale Fabrikation und den Fachplanern, fertigte und lieferte dann ein Holzbauunternehmen die Holzdachelemente. Für die Produktion war der gemeinsam entwickelte digitale Planungs- und anschießende Produktionsprozess optimal. Aus über 48.000 Kanthölzern von bis zu 3,10 Meter Länge entstand eine über 15 Meter freitragende Dachstruktur. Sie überspannt insgesamt 2.300 Quadratmeter Fläche und ist in fünf Einzelfelder gegliedert, über die die Lasten in Stahlträger eingetragen und dann über die Außenwände der darunter liegenden Tiefgarage abgeleitet werden. Beeindruckend sind neben der freitragenden Gesamtkonstruktion des Daches, die sich in einem wellenartigen Schwung über der offenen Raumstruktur aufwölbt, die deckensichtigen Fachwerkträger. 168 Stück wurden digital produziert. Jeder von ihnen ist einzeln angepasst und integriert die komplette Gebäudetechnik und den notwendigen Brandschutz. Eingefügt in das Dach sind zahlreiche Oberlichter mit Rauchwärmeabzug; eine Dämmschicht mit Dampfbremse und eine Dachfolie bilden die Außenhaut.
Für einen ressourcenschonenden Betrieb kommt als Gebäudetechnik
die an der ETH Zürich entwickelte Null-Emissions-Technologie zum
Einsatz. In der doppelten Bodenstruktur des Neubaus befinden sich
120 sogenannte Airboxen, die an das Energienetz des Campus'
angeschlossen sind. Diese Boxen übernehmen die Lüftung und dienen
zusätzlich der Heizung und Kühlung des Gebäudes. Der doppelte Boden
beherbergt einerseits das Leitungsnetz und sorgt andererseits
dafür, dass die Luft durch leichten Überdruck über Bodenauslässe in
die Räume gelangt.
Fazit
Der digitale Planungsprozess mit BIM, so wie er sich derzeit etabliert, wird entscheidend getragen von der kollaborativen Arbeit der Projektbeteiligten. Das manifestiert sich auch im Arch Tec Lab, das als Paradebeispiel nicht nur für neue Konstruktions- und Fertigungsmethoden steht, sondern übergreifend verschiedene Professuren und Planungsschwerpunkte der ETH Zürich einbindet. Diesem interdisziplinären Ansatz wollen die Planer und Nutzer mit ihrem Gebäude weiterhin verpflichtet bleiben: Als Reallabor bietet es Gemeinschaftsflächen für Forscherteams aus verschiedenen Fachgebieten.
Bautafel
Planung: Sacha Menz, Professur für Architektur und Bauprozess (Architektur und Koordination); Fabio Gramazio und Matthias Kohler, Professur für Architektur und Digitale Fabrikation (Holzdach und Robotic Fabrication Lab); Joseph Schwartz, Professur für Tragwerksentwurf (Tragwerk); Ludger Hovestadt, Professur für CAAD (Parametric Design); Jan Carmeliet, Professur für Bauphysik (Bauphysik und Akustik); Hansjürg Leibundgut, em. Professur für Gebäudetechnik (Zero-Emissions-Konzept), alle ETH Zürich
Projektbeteiligte: Lüchinger+Meyer Bauingenieure, Zürich (Tragwerkplanung); Amstein+Walthert, Zürich (HLK-Planung); HRS Real Estate, Frauenfeld (Generalunternehmer); Guido Züger, ITA ETH Zürich (Gesamtplanung Architektur, Koordination); Lüchinger+Meyer, Zürich/SJB Kempter Fitze, Herisau/ ROB Technologies, Zürich/Erne Holzbau, Laufenburg (Holzdach); Arch_Tec_Lab AG; ETH Zürich/Güdel, Langenthal/ABB Schweiz, Zürich (Robotic Farbrication Laboratory); Guido Züger und Odilo Schoch/Arch_Tec_Lab AG, ETH Zürich (BIM Koordination)
Bauherr: ETH Zürich
Fertigstellung: 2016
Standort: Stefano-Franscini-Platz 1, 8093 Zürich/CH
Bildnachweis: © Andrea Diglas / Institut für Technologie in der Architektur (ITA) / Arch Tec Lab, ETH Zürich
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