Produktionswerk Castellmühle in Krefeld
Mächtige Mahlmaschine
Die Verarbeitung von Getreide zu Mehl sowie der dazugehörige An- und Abtransport stand im Fokus des Entwurfs des Wiener Büros von ATP architekten ingenieure für die Castellmühle am Rheinhafen in Krefeld. Die Höhe der einzelnen Volumen wird von der Anlagentechnik bestimmt, ihre Anordnung orientiert sich am Produktionsprozess. Dabei können Getreideanlieferung und Abtransport auf drei Wegen – mit der Bahn, über die Straße und den Wasserweg – erfolgen.
Gallerie
Die Form folgt der Funktion
Die Anlage gliedert sich in Vorreinigung, Getreide-, Mehl- und Verladesilo. Der höchste Bau ist die zum Hafen hin orientierte Vorreinigung, die auf einer Höhe von 66 Metern elf Maschinenebenen aufnimmt. Das Getreidesilo befindet sich südwestlich davon und ist vier Meter niedriger. Das 64 Meter hohe Mehlsilo setzt sich aus zwei Bereichen zusammen: Unten sind vier Maschinenebenen, oben die Silozellen angeordnet. Das gleich hohe Verladesilo schließt unmittelbar daran an.
Schalungen: Gleitbauweise und konventioneller Stahlbetonbau
Der Bau ist weitgehend in Sichtbeton gehalten. In der Ansicht lassen die Oberflächen dabei deutlich erkennen, dass verschiedene Bauverfahren kombiniert wurden: Vorreinigung und Getreidesilo ließ das Planungsteam auch von außen weitgehend in Gleitbauweise realisieren, die anderen Gebäudeteile zeigen den Abdruck konventioneller Schaltafeln. Innen kamen zudem Halbfertigteile zum Einsatz.
Vorreinigung: Wände ohne Decken
Bei der Vorreinigung wurden die Wände und Innenstützen in Gleitbauweise hergestellt. Da die Deckenscheiben im Bauzustand fehlten, hängte man im Nachlauf Halbfertigteilträger in die Vertikalelemente ein. Die Biegesteifigkeit wurde mit Seilabspannungen hergestellt, die auf verminderte Windlasten in Kombination mit den Fertigteilträgern bemessen waren. Dadurch entstand im Bauzustand ein Fachwerksystem für die Gesamtaussteifung. Nach Abschluss der Gleitbauarbeiten startete bei der Vorreinigung der Ausbau der Decken in Form von Elementdecken.
Silobauten: Vertikale Lagerräume
Das Erdgeschoss und der Zellenboden des Getreide- und Mehl- und Verladesilos wurden in konventioneller Ortbetonbauweise geplant. Bei allen drei Bauten setzen auf das Erdgeschoss die Zellenwände und Innenstützen auf, die in Gleitbauweise errichtet wurden. Die dafür nötige Schalung ließ das Planungsteam vorfertigen und anschließend aus drei Abschnitten zusammenfügen. Für die Zellendecken verwendete man Halbfertigteile und Ortbeton. Nur beim Getreidespeicher setzte man das Gleitschalverfahren auch für die über dem Erdgeschoss liegenden Außenwände ein.
Ästhetik und Geschwindigkeit
Bei Planung und Bau des Produktionswerks war die Geschwindigkeit von entscheidender Bedeutung. So konnte dank der integralen Planung mit Building Information Modeling (BIM) ein rascher Planungsfortschritt erreicht werden. Die Anlagen- und Gebäudetechnik konnte dadurch schon früh berücksichtigt werden, sodass die Ausführung reibungslos und termingerecht vonstattenging.
„Aufgrund der Gleitbauweise, die wir eigentlich wegen der
Baugeschwindigkeit gewählt haben, hat die Fassade eine ganz
besondere Ästhetik: Der verriebene Sichtbeton ist völlig homogen,
ohne Durchankerlöcher und Rahmentafelabdrücke. Das sieht eigentlich
aus wie ein Stück Textil, und ist eine Betonqualität, die man im
Industriebau selten hat“, so der Gesamtprojektleiter und Architekt
Ingo Koller. Durch die Gleitbauweise war laut Koller zudem ein
äußerst rascher Baufortschritt möglich: Rund 60 Meter Fassade
entstanden in nur drei Wochen. „Wir konnten den Gebäuden bei einem
Baufortschritt von 0,15 Metern pro Stunde dank der Gleitbauweise im
wahrsten Sinne des Wortes beim Wachsen zusehen.“
Bautafel
Architektur: ATP architekten ingenieure, Wien (Gesamtprojektleiter: Ingo Koller)
Projektbeteiligte: Dorsch International (Infrastruktur); Wörle Sparowitz Ingenieure (Tragwerksplanung Gleitbau); Gleitbau Salzburg (Beratung Gleitbau), Bitschnau (Ausführung Gleitbau); Heitkamp (Generalunternehmer Bau/Ausbau); Bühler (Anlagenbau); Apleona (HKLS-Planung), Frings (Elektroplanung); Sareen (BImSchG-Antrag)
Bauherr/in: Kampffmeyer Mühlen GmbH (heute: GoodMills Group GmbH)
Standort: Rheinhafen, Castellweg, 47809 Krefeld
Fertigstellung: 2021
Bildnachweis: ATP / Friedmann