Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A1.5/1,2
Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr
An der Spitze der Unfallstatistik der gesetzlichen Unfallversicherung liegen seit vielen Jahren Unfälle auf Fußböden. Mit rund 35 Prozent aller Fußbodenunfälle machen dabei Ausrutschunfälle bei betrieblichen Tätigkeiten den weitaus größten Anteil aus – gefolgt von Unfällen durch Stolpern, Umknicken und Fehltreten mit 20 bis 25 Prozent.
Gallerie
Da von den Einflussgrößen Boden, Schuh und Mensch am zuverlässigsten der Boden beeinflusst werden kann, haben die Berufsgenossenschaften die Anforderungen an die Rutschsicherheit von Fußböden in Arbeitsräumen, Arbeitsbereichen und betrieblichen Verkehrswegen geregelt. Die grundlegenden Inhalte dieser berufsgenossenschaftlichen Regeln BGR 181 bzw. GUV-R 181 Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr (DIN 51130 Prüfung von Bodenbelägen - Bestimmung der rutschhemmenden Eigenschaft - Arbeitsräume und Arbeitsbereiche mit Rutschgefahr, Begehungsverfahren - Schiefe Ebene) sowie der GUV-I 8527 Bodenbeläge für nassbelastete Barfussbereiche (DIN 51097 Prüfung von Bodenbelägen; Bestimmung der rutschhemmenden Eigenschaft; Naßbelastete Barfußbereiche; Begehungsverfahren; Schiefe Ebene) sind im Februar 2013 vom Arbeitsstätten-Ausschuss (ASTA) als neue Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A1.5/1,2 Fußböden in sein Regelwerk übernommen worden. Dies geschah im Zusammenhang mit der Überarbeitung der alten Arbeitsstättenrichtlinie Fußböden (ASR 8/1) aus dem Jahr 1977 auf Veranlassung des Bundeswirtschaftsministeriums durch den ASTA; im September 2013 wurde dann noch der Punkt 10 „Abweichende/ergänzende Anforderungen für Baustellen" eingefügt.
Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR)
Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten konkretisieren die
Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) im deutschen
Arbeitsstättenrecht. Arbeitsstättenrichtlinien sind ein Teil des
Arbeitsschutzes, der das Ziel hat, die Gesundheits- und
Unfallgefahren auf ein Maß zurückzuführen, das nach dem
gegenwärtigen Erkenntnisstand möglich und gleichzeitig vereinbar
ist mit den Interessen der Wirtschaft an einer – aus ihrer Sicht –
optimalen Nutzung der Technik. Die Arbeitsschutzrichtlinie gehört
im Arbeitsschutzsystem Deutschlands zu den staatlichen
Vorschriften, zusammen mit der Arbeitsstättenverordnung und dem
Arbeitsschutzgesetz, d.h. sie wird durch staatliche Organe auf ihre
Einhaltung hin überwacht; bei den ASR sind hierfür die
Gewerbeaufsichtsämter der Länder zuständig. Aufgrund der Bewertung
der unterschiedlichen Rutschgefahren sind Bewertungsgruppen für
Fußböden in verschiedenen Arbeitsräumen und -bereichen im Anhang
der ASR A1.5/1,2 aufgeführt (analog zur BGR 181). Die
Bewertungsgruppen reichen von R 9 (geringste Anforderungen) bis R
13 (sehr hohe Anforderungen an die Rutschsicherheit).
Änderungen und Prüfverfahren
Trotz der grundsätzlichen engen Anlehnung an die beiden oben
genannten BGR- und GUV-Merkblätter haben sich mit der ASR A1.5/1,2
Fußböden einige wichtige Änderungen ergeben: Mussten früher etwa
Böden in Sanitärräumen einheitlich die Rutschhemmklasse R 10
aufweisen, so gibt es nunmehr die sinnvolle Aufteilung in
Toilettenböden, für die R 9 ausreicht sowie Böden in Umkleide- und
Waschräumen, die weiterhin über R 10 verfügen müssen. Neu sind auch
die „abweichenden / ergänzenden Anforderungen für Baustellen“, die
temporäre Beläge betreffen, welche nun ebenfalls trittsicher
auszuführen sind. Geblieben ist hingegen die Einstufung in
Bewertungsgruppen nach dem „Begehverfahren Schiefe Ebene“. Hierbei
begeht eine definierte Prüfperson mit ebenso definierten
Prüfschuhen einen mit einem Gleitmittel bestrichenen Prüfbelag,
dessen Neigung – von waagerecht aus – so lange verändert wird, bis
die Prüfperson „nicht mehr sicher gehen kann und zu rutschen
beginnt“. Dieser dann bestehende sogenannte Akzeptanzwinkel
entscheidet über die Rutschhemmklasse des geprüften Bodenbelages.
Zwar sollen „subjektive Einflüsse auf den Akzeptanzwinkel durch ein
Kalibrierverfahren“ eingegrenzt werden; dennoch mutet das gesamte
Verfahren nicht eben zeitgemäß an – zumal das Gleitmittel nicht wie
zu vermuten Wasser ist (außer bei Prüfungen im Barfußbereich),
sondern tatsächlich Öl!
Und zudem werden so nur Bodenbeläge vor ihrer Verlegung getestet – für bereits verlegte Bodenbeläge gibt es prinzipiell das „Gleitreibungs-Verfahren“, das allerdings trotz der vorhandenen Norm DIN 51131 Prüfung von Bodenbelägen kaum zum Einsatz kommt. Ab Beanspruchungsgruppe R 10 besteht zudem keine Möglichkeit zur nachträglichen Überprüfung mit Gleitreib-Messmethoden.
Rutschhemmklassen und Zertifikate
Selbst die Einstufung der Bodenbeläge in Rutschhemmklassen ist
alles andere als einheitlich: So sind beispielsweise – von der
Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet – zu Beginn des Jahres 2004
sowie im Oktober 2010 Änderungen in Kraft getreten, die massiv
veränderte Ergebnisse zeitigten. Es wurden etwa neue Prüfschuhe
eingeführt oder die Anforderungen für die Rutschklassen-Einteilung
erhöht. Das hatte den Effekt, dass bestimmte Bodenbeläge und
spezielle Oberflächenbearbeitungen gar nicht mehr oder nur noch in
einer niedrigeren Rutschklasse eingestuft werden konnten. Da
allerdings etliche Prüfinstitute noch eine unbekannte Zeit lang mit
den alten Prüfschuhen arbeiteten, befinden sich auch heute noch
etliche Prüfzertifikate auf dem Markt, die dem aktuellen Stand der
Norm nicht entsprechen. Und schließlich erstellen europaweit derart
viele Stellen die für jeden Bodenbelag erforderlichen
Rutschsicherheits-Zertifikate, dass eine Überprüfung der Seriosität
kaum möglich ist. Sonderprobleme wie Bodenbeläge, die in eine
Gehrichtung eine andere Rutschhemmung aufweisen als in die andere,
sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.
Der Vollständigkeit halber soll hier noch erwähnt werden, dass in bestimmten Arbeitsräumen oder -bereichen wegen des Anfalls besonderer gleitfördernder Stoffe für die dortigen Bodenbeläge ein Verdrängungsraum unterhalb der Gehebene erforderlich ist. Dies wird gemaäß DIN 51130 durch den Buchstaben "V" in Verbindung mit der Kennzahl für das Mindestvolumen des Verdrängungsraumes gekennzeichnet.
Die in diesem Artikel behandelten technischen Regeln und Merkblätter (ASR 1.5/1,2, BGR 181 und GUV-I 8527) können im Internet eingesehen, bestellt oder kostenlos heruntergeladen werden (siehe Surftipp).
Anmerkung
Um immer wieder entstehenden
Missverständnissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass in
Abschnitt 1.1 des BGR-Merkblattes 181 formuliert ist: „Die
Anwendung der BG-Regel beschränkt sich auf solche Arbeitsräume,
Arbeitsbereiche und betriebliche Verkehrswege, deren Fußböden
nutzungsbedingt bzw. aus dem betrieblichen Ablauf heraus mit
gleitfördernden Stoffen in Kontakt kommen, die eine Gefahr des
Ausrutschens darstellen. In Abschnitt 1.2 heißt es dann weiter,
dass die BG-Regel keine Anwendung auf trocken genutzte Fußböden und
solche ohne gleitfördernde Stoffe finde. Dies gilt
selbstverständlich auch für die neue ASR A1.5/1,2. Und schließlich
sind die Merkblattvorgaben im privaten Nutzungsbereich natürlich
auch nicht relevant.