Transport, Rettung und Weiternutzung wertvoller Bausubstanz
Der Begriff Translozierung setzt sich aus den beiden
lateinischen Vokabeln trans und locus zusammen. Trans
ist ein häufig verwendetes Präfix, eine Vorsilbe, und bedeutet
übersetzt über, hinüber, durch,
hindurch, jenseits, womit eine Veränderung oder
Bewegung ausgedrückt wird. Locus wird mit Ort oder
Stelle übersetzt, also einer topografischen Bestimmung eines
relativ klar definierten Punktes auf einem Gelände. Beide
lateinischen Vokabeln finden sich eingedeutscht in vielen Wörtern,
die selbstverständlich im heutigen Alltag verwendet werden, von
Transport bis Transgender, vom Lokus als dem stillen Örtchen bis
zur Lokalität.
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Begriff, Strategie und Methode
Translozierung ist ein Kunstwort, das die Ortsveränderung als
Bewegung von Gebäuden, Teilen von Gebäuden wie beispielsweise
Fassaden, von Denkmälern oder auch größeren
respektive exemplarischen Elementen eines Bauwerks auf ein anderes
Grundstück bezeichnet. Das Demontieren, Mitnehmen und erneute
Aufrichten von Denkmälern ist jedoch sehr viel älter als dieser
Begriff, beispielweise im Sinne von Spolien (s. Fachwissen zum
Thema).
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Heute ist Translozierung eine Strategie, um Gebäude sowie
grundsätzlich Bausubstanz vor dem Abriss zu retten, zu erhalten und
weiterzunutzen. Besonders historisch authentische, kulturell oder
symbolisch bedeutende und damit in verschiedenster Hinsicht
wertvolle Substanz gilt es zu schützen, auch wenn sie sich
womöglich an einer falschen Stelle befindet. Stattdessen sollte sie
so exakt wie möglich erfasst, in Einzelteile zerlegt, statisch
respektive konstruktiv gesichert, verpackt oder ähnlich auf den
Transport vorbereitet, physisch an einen anderen Ort bewegt und
dort wieder zusammengefügt werden. Diese Methode ist damit eng
verwandt mit ähnlichen Prinzipien zur nachhaltigen Bewahrung von
Bausubstanz von Urban Mining bis zur archäologischen Bergung.
Beispiele für Translozierungen
Eine der spektakulärsten Translozierungen der Geschichte ist die
Rettung der beiden Ramses-III- und Hathor-Tempel von
Abu Simbel in Ägypten vor der Überflutung durch den Assuan-Staudamm
in den 1960er-Jahren. Nach einem bis dahin beispiellosen
Spendenaufruf der UNESCO wurden die beiden imposanten
Eingangsbereiche in das Felsinnere in mehr als 1.000 Blöcke mit je
etwa 20 bis 30 Tonnen Gewicht zersägt. Etwa 64 Meter höher und 200
Meter weiter landeinwärts wurden die Einzelteile in einem
künstlichen Hügel wieder zusammengesetzt und verankert.
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In Berlin wurde 1996 bei der Neuorganisation und -bebauung des
Potsdamer Platzes der denkmalgeschützte Kaisersaal, ein Rest
des historischen Hotels Esplanade, als Ganzes transloziert.
Das etwa 1.300 Tonnen schwere Gebäudeteil wurde mit hydraulischen
Pressen angehoben, auf ein Gefüge aus Luftpolstern und
Gleitschienen gesetzt, etwa 75 Meter verschoben und dabei zweimal
gedreht.
Auch die Königskolonnaden, die heute in Berlin-Schöneberg
im Heinrich-von-Kleist-Park stehen, wurden transloziert. Nach einem
Entwurf von Carl von Gontard wurden sie 1777-1780 als Teil eines
Ensembles aus Königsstraße, Königsgraben und Königsbrücke errichtet
und dienten als repräsentativ inszeniertes Rokoko-Entree zum
Berliner Stadtschloss. Sie bestehen aus zwei 52 Meter langen, etwa
12 Meter hohen und 7 Meter breiten Reihen von Säulengängen aus
gelblichem Sandstein. 1875 wurden sie bei einer Umplanung der
Brücke, Verbreiterung der Straße und wegen der Baumaßnahmen für den
Bahnhof Alexanderplatz abgebrochen und eingelagert. Erst 1910
wurden sie im Eingangsbereich des Parks wiederaufgebaut. Heute
betonen sie von der Potsdamer Straße aus eine Sichtachse auf den
Mittelrisalit des Kammergerichtsgebäudes.
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In London gibt es Überlegungen zu einer erneuten Translozierung
des Marble Arch. Das Portalgebäude aus weißem Marmor, das
große Ähnlichkeit mit römischen Trimphbögen aufweist, war 1827 von
John Nash als Eingang zum Ehrenhof des Buckingham Palace entworfen
worden. Aber bereits im Jahr 1851 stand das Portal einer
Vergrößerung des Palasts im Weg. Nach einer Demontage der
Marmorverkleidungen und einer Zerlegung der restlichen Konstruktion
wurde das etwa 14 Meter hohe und 18 Meter breite Portal mit einer
Durchgangstiefe von 9 Metern als Eingang zum Hyde Park am
Cumberland Gate wieder zusammengefügt. Aufgrund des gestiegenen
Verkehrsaufkommens steht der Marble Arch heute nicht mehr
unmittelbar am Park, sondern auf einer Verkehrsinsel davor. Im Zuge
einer verbesserten Verkehrsplanung um Park Lane und Oxford Street
könnte dieses Monument möglicherweise zur Speakers Corner
transloziert werden. -sj
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