Spiel-Räume der Demokratie
Theaterbau in der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1975
Gebr. Mann Verlag Berlin 2022
384 Seiten, 221 Abbildungen und Fotografien
Hardcover, Format 17 x 24 cm
Preis: 49 EUR
ISBN 978-3-7861-2883-0
Selten sei eine Baugattung dermaßen in eine Sackgasse geraten wie der Typus des bundesdeutschen Stadttheaters Anfang der 1970er-Jahre, schreibt der Hamburger Kunst- und Architekturhistoriker Frank Schmitz, Autor des Buches Spiel-Räume der Demokratie. Theaterbau in der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1975. Bereits kurz nach ihrer Entstehungszeit wurde den Bauwerken von der zeitgenössischen Architekturkritik ausufernde Größe, technische Überinstrumentierung, geringe Nutzungsoffenheit und mangelnde Gegenwartstauglichkeit attestiert. Ausgehend von dieser teils harschen Kritik an öffentlich subventionierten Theaterbauten, untersucht Schmitz in dem reich bebilderten Band ein bisher wenig beachtetes Kapitel der deutschen Nachkriegsarchitektur.
An die 180 Theaterneubauten wurden in der Bundesrepublik
zwischen ihrer Gründung im Jahr 1949 bis zum Ende des
Theaterbaubooms Mitte der 1970er-Jahre realisiert. Das sind fast
achtmal so viele wie in Großbritannien in einem vergleichbaren
Zeitraum. Die Vielzahl der Neubauten in Deutschland habe neben der
kommunalen und staatlichen Subventionierung historische Gründe: Bis
zur Bildung des Deutschen Reichs 1871 begünstigte die territoriale
Zersplitterung die Entstehung vieler höfischer Theater. Diese
wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts in bürgerliche Spielstätten
überführt und nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg durch
Neubauten ersetzt. Hinzu kommt die Neuordnung politischer wie
administrativer Zentren in der jungen Bundesrepublik, die das
Bedürfnis nach repräsentativen Kulturbauten verstärkte. Diese
Bedingungen, unter denen sich die Baugattung „Theater“ nach dem
Zweiten Weltkrieg entwickelte, beleuchtet Schmitz auf eine klar
strukturierte Art und Weise.
Nach einer Einleitung widmet sich der Autor dem Stellenwert von Theaterbauten innerhalb des öffentlichen Bauens in Westdeutschland. Die zentrale Frage nach dem Verhältnis von Architektur und demokratischer Gemeinschaftsbildung wird bereits in diesem Abschnitt angerissen. Nicht nur das durch räumliche Dispositionen mitbestimmte Theatererlebnis, sondern auch die in der Planungsphase durchgeführten Bürgerbeteiligungen hätten eine gemeinschaftsstiftende Funktion, so Schmitz. Im dritten Kapitel geht es um die äußere Gestalt von Theaterbauten, anschließend um die Entscheidungsstrukturen, die zu den entsprechenden Formfindungen geführt haben. Es folgt ein Kapitel zur inneren Struktur von Theatern. Im Unterkapitel „Raumgrenzen“ werden unter anderem Materialien abgehandelt, mit deren Hilfe eine Verunklärung derselbigen – auch im akustischen Sinne – angestrebt wurde. Dem Verhältnis von Theaterbau und Stadt ist das sechste Kapitel gewidmet, abschließend beschäftigt sich der Autor mit der repräsentativen Funktion von Theaterarchitektur.
Mit seiner Publikation erschließt Frank Schmitz ein bislang eher
unbekanntes Terrain der architekturhistorischen Forschung. Das
umfassende und in die Tiefe gehende Werk ist sprachlich eingängig
und analytisch präzise geschrieben. Zahlreiche Abbildungen laden
zum Stöbern ein. Bei ihnen handelt es sich zum großen Teil um
bauzeitliche Fotografien, Zeichnungen und Pläne. Nicht zuletzt ist
der auf den Textteil folgende Katalog aller 38 besprochenen
Bauwerke inklusive Literaturliste zu jedem Objekt als überaus
hilfreiche Übersicht hervorzuheben. Vor dem Hintergrund der
aktuellen Debatte um Erhalt beziehungsweise Abriss bundesdeutscher
Spielstätten der Nachkriegszeit stellt das Buch eine wichtige
Grundlage dar. -np