Orangerien, Pomeranzenhäuser und Pineries
Entwicklung und historische Vorbilder
Orangerien sind eng verwandt mit Wintergärten – sie sind
sozusagen die Vorläufer der heutigen Wohnwintergärten. Der Name ist
ein Kunstwort aus dem Französischen im 17. Jahrhundert, so wie
Menagerie für die Haltung von Tieren aus fremden Ländern, und
insofern beherbergen Orangerien Orangenbäume, botanisch präziser
verschiedene Arten von Zitrusgewächsen wie Zitronen, Pomeranzen
(Bitterorangen), Limetten und Mandarinen. Der italienische Namen
für diesen Bautypus lautet Limonaia, mit dem Schwerpunkt auf den
Zitronenbäumen – als exotische Frucht genutzt für Limonade,
Zitronenlikör und sogar Seife. In Großbritannien finden sich
Pineries, nach pineapple, der englischen Bezeichnung für
Ananas.
Gallerie
Dunmore Pineapple im schottischen Airth
Ein besonders exzentrischer Bau ist Dunmore Pineapple, eine 14 m hohe Ananas als Pflanzenhaus, die der 4. Earl von Dunmore 1761 als Mittelrisalit auf ein älteres Orangeriegebäude aufpfropfte. Dieses mit einer Kuppel in Ananasform gekrönte Haus einschließlich des Gartens wurde nach langjähriger sensibler und penibler Sanierung 2014 unter dem Schutz des National Trust for Scotland wiedereröffnet. Es gilt inzwischen als Hotspot für Instagram. Diese Pinery kann heute sogar für Übernachtungen gebucht werden.
Orangerien
In Orangerien wurden bzw. werden aber auch Feigen, Agaven, Oliven und Lorbeer gepflegt. Orangen und Zitronen stammen ursprünglich aus China und Indien und gelangten über Persien, Griechenland, Sizilien und Andalusien nach Mitteleuropa. Der in der Renaissance angelegte Zitronengarten der Familie Medici in Castello bei Florenz, heute zusammen mit der Villa Medici UNESCO-Weltkulturerbe, beeinflußte vor mehr als 400 Jahren als Themengarten und als eine der größten Sammlungen an Zitruspflanzen die aristokratischen Gärten in ganz Europa.
Orangen- und Zitronenpflanzen wurden regelrechte Statussymbole. Jeder Adlige nördlich Italiens wollte ein paar dieser auch mythologisch verklärten „goldenen Äpfeln" besitzen. Diese Pflanzen sind jedoch empfindlich gegen Kälte, Schnee, Frost, Feuchtigkeitsstau und lange Dunkelheit. Anfangs wurden sie deshalb im Winter mit temporären Schutzhüllen umgeben, die jedoch in den herrschaftlichen Renaissance- und Barockparks optisch oft unbefriedigend wirkten.
Weinbergterrassen von Schloss Sanssouci
Die Weinbergterrassen von Schloss Sanssouci, 1744 angelegt, sind
mit der Terrassierung eines Südhangs und den großen gläsernen
Flügeltüren ein Beispiel für eine frühe Form der Gestaltung von
Schutznischen. Als Bautypus eines angebauten bzw. vorgefügten
kleinen Volumens sind sie Vorläufer von verglasten Erkern, mit Glas
zu umhüllenden Veranden und auch von Blumenfenstern.
In der Folge wurden mobile Pflanzgefäße bevorzugt, Kübel und
Töpfe aus Terracotta sowie hölzerne Kästen, die im Winter in ein
eigenes Haus im Garten gerollt oder getragen wurden. Mit diesen
beweglichen Bäumen und Sträuchern ließen sich bei höfischen Festen
neue dekorative Raumkonzepte inszenieren, beispielsweise emphemere
kleine Haine, Spiele mit Sichtachsen und veränderbaren duftenden
Pflanzenwänden. Garten und Innenraum wurden insbesondere im Barock
miteinander verknüpft. Aus den Schutzräumen für Pflanzen
entwickelten sich ungewöhnlich lichte grüne Gesellschaftsräume für
Audienzen, Empfänge und Konzerte – repräsentative
Wohnwintergärten.
Architektonisches Prinzip
Das architektonische Prinzip, das in ganz Europa für Orangerien angewendet wurde, war eine gemauerte Rückwand meist nach Norden, manchmal mit Spiegeln als optische Raumillusion und zur Steigerung der Lichtreflexion versehen, und eine nach Süden ausgerichtete Reihung großformatiger Flügeltüren zwischen gemauerten und stuckverzierten Pilastern.
Orangerie Schloss Schönbrunn, Wien
Ein Beispiel für diesen Typus ist die Orangerie Schloss Schönbrunn, Ende 18. Jahrhundert errichtet, mit einer Reihung von 39 Bogenfenstern und einer Länge von 189 Metern. Der hallenartige Innenraum ist 10 m breit und 4,70 m hoch. Die Liste der Feierlichkeiten, für die diese Orangerie genutzt wurde, ist nicht nur aus historischen Gesichtspunkten legendär.
Schlossgarten Großsedlitz bei Dresden
Im Schlossgarten Großsedlitz, nahe Dresden, wurde 1727 eine große Orangerie als Gartenfestsaal in einem räumlichen Ensemble mit Freitreppen und Gartenparterre erbaut. Diese Untere Orangerie hat eine Reihung von 31 Fensterachsen, die sich auf das tiefergelegte Gartenfeld öffnen. Dieses Feld wiederum diente als eine geometrisch exakt bestimmte Fläche zum Bespielen mit Kübelpflanzen. Nachdem diese Orangerie lange vernachlässigt wurde und viele Pflanzen verloren gingen, beherbergt sie heute wieder etwa 400 Pflanzen einschließlich 140 seltenen Pomeranzen. Nach historischen Aufzeichnungen müssen es ursprünglich mehr als 1.200 kostbare Pflanzen gewesen sein.
Orangerieschloss im Park von Sanssouci
Im Park von Sanssouci entstand 1851-64 ein ganzes
Orangerieschloss mit Pflanzenhallen und einer Länge von 300 Metern.
Als symbolische Verdeutlichung der Funktion und Bedeutung dieses
Gebäudes besteht der Fassadenschmuck aus Allegorien der 12 Monate
und der vier Jahreszeiten. Dieses Schloss wurde auch als
königliches Gästehaus genutzt.
Viele der großen und auch viele kleinere historischen Orangerien
können heute für Feiern wie Hochzeiten, Jubiläen oder andere
festliche Anlässe gemietet werden und sind damit auch aktuell
attraktive Aufenthaltsorte. Als transparente grüne und zugleich
repräsentative Veranstaltungsorte sind sie ebenso Vorfahren von
Atrien und vertikalen Wintergärten in heutigen Verwaltungs- und
Hotelbauten sowie in luxuriöseren Shopping Malls. Sie werden nicht
nur als grüne Pausenräume genutzt, sondern auch für Gastronomie,
Lesungen und Konzerte, Produktvorstellungen und
Ausstellungen.