Palmen- und Tropenhäuser als grüne Glashäuser
Beispiele aus Stuttgart, Brüssel und Berlin
Ursprünglich oftmals im Auftrag von Regenten wie Königen oder Kurfürsten als Pflanzensammlungen und Lustgärten angelegt, sind die Palmen- und Tropenhäuser als grüne Glashäuser nach wie vor eine bauliche Besonderheit. Ausgewählte Beispiele sind die Wilhelma Stuttgart, der Königliche Glasdom zu Laeken in Brüssel sowie das große Tropenhaus und das Mittelmeergewächshaus im Botanischen Garten in Berlin.
Gallerie
Wilhelma in Stuttgart
Die Wilhelma in Stuttgart entstand Mitte des 19. Jahrhunderts als privater Lustgarten des Königs Wilhelm I. von Württemberg. Dieser Garten mitsamt mehrerer Pavillons sollte als Reminiszenz an Scheherazade und die Märchen aus 1001 Nacht orientalisch-exotisch wirken. Der Architekt Karl-Ludwig von Zanth entwarf ein maurisches Landhaus mit zwei seitlichen gläsernen Flügeln und Eckpavillons als Wintergärten. Dieses Ensemble ist mit Hufeisenbögen, geometrischen Mustern und Halbmonden als Dachreiter dekoriert. Seit 1880 sind Park und Gebäude für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Wilhelma ist heute der zoologisch-botanische Garten in Stuttgart.
Königliche Gewächshäuser bei Schloss Laeken bei Brüssel
Die königlichen Gewächshäuser bei Schloss Laeken in Brüssel entstanden im Auftrag von König Leopold II., der hier vor allem Pflanzen aus der damaligen Kolonie Belgisch-Kongo, heute Demokratische Republik Kongo, sammelte. Der Komplex mit insgesamt 14.000 m² besteht aus etwa 30 gläsernen Pavillons und einem Glasdom, 1874-1895 von Alphonse Balat konstruiert. Dieser Glasdom, auch „großer Glaspalast" genannt, ist ein technischer und architektonischer Höhepunkt des Jugendstils. Einer der Mitarbeiter Balats war Victor Horta, der später als Jugendstil-Architekt bekannt wurde.
Balat nahm das Palmenhaus in Kew Gardens (s. Fachwissen zum Thema) zum Vorbild, aber führte es mit einem Durchmesser von 57 m und einer Höhe von 25 m für besonders hoch wachsende Dattelpalmen aus. Insgesamt 36 radial angeordnete gußeiserne Bogenbinder bilden eine flache Kuppel. Dieses Bauwerk gilt als Paradebeispiel für die konstante Auseinandersetzung, wie filigran die Tragstruktur werden kann, also wie luftig bzw. nahezu schwebend ein Glashaus – auch hinsichtlich Herausforderungen wie Kondensation, Korrosion bis zu asymmetrischen Schnee- und Windlasten.
Die weichen und fließenden Linien dieses Baus werden auch heute
noch als sehr ästhetisch empfunden und oft kopiert, zum Beispiel
bei der Glaskuppel der unterirdischen Manezhnaya-Shopping
Mall in Moskau, aus den 1990er Jahren. Das Original, also der
Glasdom zu Laeken, darf nur drei Wochen Ende März/ Anfang
April zur Blütezeit der Pflanzen besichtigt werden – die restliche
Zeit steht das Gebäude nur Gärtnern, Botanikern und der belgischen
Königsfamilie zur Verfügung.
Botanischer Garten Berlin
Im Botanischen Garten Berlin, mit ganzem Namen Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin, befinden sich mehrere sehr unterschiedliche Schaugewächshäuser. Der Garten wurde bereits 1679 von Friedrich-Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg, gegründet und gehört heute zur Freien Universität Berlin. Ursprünglicher Ort war an der Potsdamer Straße (heute Heinrich-von-Kleist-Park in Schöneberg) – als Küchen- und Obstgarten; Ende des 19. Jahrhundert erfolgte eine Verlegung und Erweiterung u ein Arboretum in die Feldmark der Königlichen Domäne Dahlem (heute Steglitz). Über das Studium der Pflanzen hinaus, z. B. mit verschiedenartigen Führungen, veranstaltet der Botanische Garten Berlin auch Fotografieseminare, Ausstellungen sowie Events mit Lichtinstallationen und Performances.
Das Große Tropenhaus des Botanischen Garten Berlins wurde 1906 bis 1907 von Alfred Koerner konstruiert. Die Fläche von 60 x 30 m mit einer Höhe von 23 m wird stützenfrei mit Dreigelenkbögen überspannt, an denen die Glashaut innen abgehängt ist. Diese ungewöhnliche Konstruktion sollte die Tragstruktur unter anderem vor Korrosion durch das feuchtwarm-tropische Klima im Inneren schützen. Koerner berücksichtigte bei der Planung dieses Glashauses von vornherein nicht nur die Größe, sondern auch die klimatischen Lebensbedingungen der Pflanzen, die darin beherbergt werden sollten. 1943 wurde dieses Glashaus schwer beschädigt und in den 1960er-Jahren wiederaufgebaut. Statt Silikatglas wurde 1968 jedoch Acrylglas gewählt, ein transparenter Kunststoff, der leichter als Bauglas ist und als kostengünstiger eingeschätzt wurde. 40 Jahre später, von 2006 bis 2009 wurde das Große Tropenhaus energetisch saniert. Das Acrylglas wurde gegen eine VSG-Verglasung ausgetauscht, Fassaden- und Fußbodenheizung erneuert und um Raumlufttechnik und Latentwärmespeicher ergänzt.
Das Mittelmeerhaus (früher Subtropenhaus
genannt), wurde bereits 1903 bis 1904 errichtet und ist
gestalterisch wie konstruktiv das Gegenstück zum Großen Tropenhaus.
Die Stirnseite mit den beiden hohen Portaltürmen und das
dreischiffige Innere wecken Assoziationen an eine gläserne
Kathedrale – die tatsächlich für Events wie z. B. Hochzeiten
gemietet werden kann. Bei diesem Glashaus umhüllt die Glashaut die
Tragstruktur bei einer Fläche von knapp 880 m² mit einer Höhe von
15,80 m. Es ist als Kalthaus konzipiert, da dieses
Temperaturspektrum für die Pflanzen aus dem Mittelmeerraum
ausreicht.