Vom Gebäudemodell zum Prozesszwilling
Open Minds meet Open Campus: Forschungsprojekt Internet of Construction
Das historische Zentrum Aachens war Startpunkt einer sehr aufschlussreichen Exkursion im Juli dieses Jahres. Die Route führte durch die beschauliche Stadt bis an deren westlichen Rand, über einen langen Weg an Bahnschienen entlang und schließlich zu einem mit Bauzäunen abgetrennten und auf den ersten Blick brachliegenden Areal: Die Referenzbaustelle am Campus West der RWTH Aachen. Diese Baustelle mit 10.000 m² Fläche ist bislang europaweit einzigartig. Der Grund: Hier forscht das Center Construction Robotics (CCR) in Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären Wissenschaftsteam der RWTH Aachen und einem europäischen Industriekonsortium mittels verschiedener Kooperations- und Forschungsprojekte an der digitalisierten Baustelle der Zukunft. Konkret dient sie als Reallabor, um neue Bauprozesse, Produkte, vernetzte Maschinen, den Einsatz von Robotern, Softwarelösungen sowie Lehr-, Arbeits- und Kommunikationskonzepte unter realen Baustellenbedingungen zu erproben. In diesem Sommer öffnete die Baustelle anlässlich ihres zweijährigen Bestehens mit der Festwoche Open Minds meet Open Campus erstmals ihre Türen für die Öffentlichkeit.
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Offene Baustelle für Industrie, Forschung, Politik und Verbände
Während der Festwoche trafen sich Gäste aus Industrie, Forschung, Politik und Verbänden, um die Ergebnisse der vergangenen zwei Jahre zu entdecken und zu diskutieren. Am dritten Tag der Festwoche stand das Forschungsprojekt Internet of Construction (IoC) im Fokus, das mit insgesamt 3,9 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde. Zunächst präsentierten Dr. Robert Schmitt und Prof. Dr. Sigrid Brell-Cokcan die Ergebnisse des Projekts im Detail. Im Anschluss an die Einführung bestand die Möglichkeit, sich im Rahmen einer Baustellentour die einzelnen Ergebnisse anhand von sieben Teildemonstratoren anzusehen.
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Kontinuierlicher Informationsfluss über die Planung hinaus
Aufhänger für die umfassende Forschung sei die Problematik, dass die etablierte digitale Planung mit BIM an den Grenzen der Baustelle aufhört: nur rund 1% der Daten aus der Planung erreichen die Baustelle, so Sigrid Brell-Cokcan. Übergeordnetes Ziel der Forschung ist es, diesen Datenbruch aufzuheben und damit die Termintreue und Bauqualität durch einen kontinuierlichen Informationsfluss bzw. eine Informationslandkarte, in der alle Prozesse und Informationen miteinander verknüpft werden, zu optimieren. Aktuell würden Daten zwar gesammelt, aber nicht genutzt, sodass der Erkenntnisgewinn ausbleibt.
Daher untersuchten die Beteiligten in den vergangenen Jahren Informationsnetzwerke für die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette der Bauwirtschaft. Betrachtet wurde dabei vor allem die Schnittstelle von digitalen Planungsinhalten und der Realisierung auf der Baustelle, also die Netzwerke von Bauunternehmen, der Vorfertigung und von Geräteherstellern. Diese IoC-Systematik soll als BIM-Erweiterung dienen und Planungs-, Vorfertigungs-, Transport- und Montageprozesse integrieren: Statt eines digitalen Zwillings, der meist lediglich ein Gebäudemodell enthält, sollen digitale Prozesszwillinge entstehen.
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IoC-Demonstrator zur Validierung der Ergebnisse
Anhand eines Demonstrators, der gemeinsam mit dem Bauunternehmen Leonhard Weiss umgesetzt wurde, konnten die Forschungsergebnisse unter realen Bedingungen erprobt und weiterentwickelt werden: Der Demonstrator bildet dabei die Fertigungsanforderungen der verschiedenen Gewerke des Stahlbetons, Holz- und Stahlbaus ab.
Austausch zwischen den Disziplinen
Eine der größten Besonderheiten ist die Zusammenarbeit verschiedenster Disziplinen: Hier findet nicht nur ein Austausch zwischen Industrie, Technologie, Forschung und Politik, sondern auch zwischen verschiedenen Fakultäten der Hochschule statt: Der Masterstudiengang Construction & Robotics des CCR ist offen für Studierende aus den Fachgebieten Informatik, Maschinenbau, Bauingenieurwesen und Architektur. Diese Interdisziplinarität hat zum Ziel, eine zukunftsweisende Ausbildung zu schaffen, welche die Grenzen zwischen den Fachrichtungen aufbricht und dem Nachwuchs neue Denkweisen an die Hand gibt.
Inzwischen ist die Baustelle umgezogen und befindet sich nun mit einer Fläche von rund 4.000 m² auf dem 5G-Industry-Campus Europe auf dem Campus Melaten der RWTH Aachen.
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