Istanbul-Brücke von Leonardo Da Vinci
Wegweisendes Bauwerk auf dem realen Prüfstand
Über 500 Jahre ist es her, dass Sultan Bayezid II nach einem Architekten und Ingenieur für eine Brücke zwischen den Städten Istanbul und dem damaligen Galata suchte. Leonardo da Vinci, zu dieser Zeit schon recht bekannt, entwarf ein wegweisendes, freitragendes Bauwerk, das so erst Jahrhunderte später gebaut wurde. Der Sultan lehnte den Entwurf damals ab. Zu kühn erschien ihm wohl die stützenfreie Brücke von 280 Meter Länge, die damit zehn Mal länger als konventionelle Brücken jener Zeit war. Erschwerend kam sicher hinzu, dass Leonardo dem Sultan vorenthielt, aus welchen Materialien er sie bauen und wie er die Galata-Brücke konstruieren wollte.
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Der Zeit weit voraus
Die Frage, ob Leonardo da Vincis Brücke in der Realität konstruier- und umsetzbar wäre – auch nach heutigen Maßstäben – bewegte die Masterstudentin Karly Bast, ihren Professor John Ochsendorf und ihre Bachelorkollegin Michelle Xie seit Längerem. Seine Konstruktion war einzigartig, wie die Forschenden am MIT Cambridge herausfanden: Zur damaligen Zeit wäre ein Bauwerk dieser Länge üblicherweise mit mindestens zehn Stützpfeilern unterstützt worden. Da Vinci schlug darüber hinaus ein komplett neues Widerlager vor, das die Bewegungen an den Brückenenden aufnehmen sollte.
Im Rahmen der Forschungsarbeit wurden die Kräfteverläufe in verschiedenen Simulationen überprüft, wodurch die Annahme getroffen werden konnte, dass die Brücke aus Stein und nicht aus Holz oder Ziegel geplant wurde. Allein durch die Schwerkraft der gefügten Einzelelemente und ohne weitere Befestigungselemente oder Mörtel hätte die Brückenkonstruktion gehalten.
136 Brückenelemente aus dem 3D-Drucker
Um das schon von den Römern bekannte Konstruktionsprinzip zu überprüfen und dessen Funktionsfähigkeit zu beweisen, bauten die beiden Studentinnen, basierend auf einer kleinen originalen Handskizze in da Vincis Notizbuch, ein Modell im Maßstab 1:500. Das Brückenmodell stellten sie aus 136 Einzelsteinen her, die mithlife eines 3D-Laserdrucker gedruckt wurden. Die Einzelelemente fügten sie, von einer Hilfskonstruktion gehalten, bis zum wichtigen Schlussstein zusammen. Selbst bei starker Verformung des Modells durch Auflagerveränderungen, wie sie unter extremer Last oder etwa einem Erdbeben möglich ist, hielt das Brückenmodell den Belastungen stand.
Der Sinn der aufwendigen Arbeitsübung, so stellen die Forscher des MIT heraus, liege darin zu zeigen, dass die Ideen des Universalgelehrten der damaligen Technologie um Jahrhunderte vorauseilten. Obgleich inzwischen klar ist, dass freitragende Brücken aus anderen Materialien filigraner und leistungsfähiger sein können, verdeutlicht der Versuch Da Vincis fundiertes Wissen und Verständnis für konstruktive Herausforderungen. -tw
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