Rathaus in Vejen
Großformatige stehende Fenster mit expressiven Klinkerlaibungen
Mitten im dänischen Jütland, ungefähr in gleicher Entfernung zur
Nordsee und Ostsee, liegt die Stadt Vejen. Mitten im Vejener
Stadtzentrum wiederum erhebt sich das neue Rathaus und zieht Blicke
auf sich: Helle Klinker und große Fenster- und Türöffnungen
verleihen dem nach Plänen der Architekturbüros Transform und
Pluskontoret errichteten Verwaltungssitz eine offene und einladende
Wirkung.
Gallerie
Nach einer Gemeindereform, bei der vier Kommunen zusammengefasst wurden, ist die Kommune Vejen um mehr als Vierfache gewachsen – von 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern auf etwa 43.000 Menschen. Das alte dreigeschossige Gebäude des Verwaltungssitzes war weder ausreichend groß noch bot es zeitgemäße Arbeitsplätze. An Stelle des alten Rathauses im Zentrum von Vejen ist nach dem Abriss 2017 ein größeres Gebäude mit einer kommunikationsfördernden Innenraumgestaltung gebaut worden. Das neue Rathaus beinhaltet auf 5.000 m² nicht nur die Verwaltung mit 180 Arbeitsplätzen, den Ratssaal und den Bürgerservice, sondern ein großes Atrium öffnet sich für Begegnungen und Ausstellungen.
Rhythmus aus Wand und Fenster
Diese inhaltliche Offenheit korrespondiert mit der Architektur des viergeschossigen quaderförmigen Baukörpers. Eine über zwei Geschosse reichende gläserne Türöffnung lädt dazu ein das Atrium, das sich mit holzverkleideten Freitreppen und Galerien über die gesamte Höhe und Breite des Volumens erstreckt, zu betreten. An beiden Seiten des Atriums sind innenliegende Kerne mit Aufzügen, Sanitärräumen und weiterer Infrastruktur angeordnet, um die herum sich u-förmig die Flächen für die Büros fügen. Diese Flächen lassen sich in unterschiedlich breite Büros aufteilen, die sämtlich natürlich belichtet werden. An Stelle eines bei Rathäusern oft üblichen Turms befindet sich neben dem Ratssaal im obersten Geschoss eine von zwei Dachterrassen, die beide einen weiten Blick über die Stadt bieten.
Alle vier Fassadenseiten des Quaders bestehen aus einem
rhythmischen Wechsel von hellgrauer Klinkerwand und stehenden
Fenstern, deren Laibungen als gemauerte Faschen die Öffnungen
visuell erweitern und den Blick wie bei einem Bilderrahmen ins
Innere ziehen. Die Fenster- und Türrahmen bestehen aus schmalen
Aluminiumprofilen. Diese sind so oberflächenbehandelt worden, dass
sie in einem warmen rotbraunen Kupferton schimmern, und stehen in
einem dezenten Kontrast zu den Klinkern.
Proportion und Geometrie
Die Achsabstände der pilasterartigen Wandvorlagen betragen 2,40 Meter, wodurch zwar eine strenge Geometrie entsteht, die jedoch im Bereich des Atriums variiert wird. Die äußerste Klinkerschicht ist ein flächiger Läuferverband, der durch die feinen farblichen Nuancen, die aus dem Kohlebrand der Klinker resultieren, belebt wird. Sowohl die konsequent orthogonale Proportionierung als auch die Wahl des Klinkers, ein hellgrauer Stein im dänischen Normalformat (D 91 DNF, 228 x 108 x 54 mm) verweist auf die nordische Backsteingotik. Seit der Zeit der Hanse wurden repräsentative Gebäude wie Kirchen, Klöster, Gilde- und Rathäuser aus Backsteinen, Ziegeln und Klinkern gemauert. Deren Sichtmauerwerk wirkt einerseits klar und strikt geregelt, andererseits wurde es mit geometrischen Reliefmustern wie Zahnschnitten, Friesreihen, Diagonalverbänden und oft auch Treppengiebeln verziert.
Gemauerte Zierlaibungen
Für die Zierlaibungen, die teilweise sogar breiter sind als die eigentlichen Öffnungen bzw. Glasfelder, haben die Architekturschaffenden ein traditionelles Sägezahnrelief gewählt, dieses jedoch konzeptionell modifiziert und überwiegend aus parallelen Läufern gebildet – ohne Diagonalsteine. Von den vier Laibungsseiten jedes Fensters sind zwei klassisch gerade und zwei als Reliefs ausgeführt. Dadurch entsteht optisch ein Spiel aus monotaktisch vertikalen wie horizontalen Reihen von Rechteckwinkeln, die sich gleichzeitig asymmetrisch auf den Haupteingang beziehen.
Die Fenster im Erdgeschoss haben statt einer waagerechten Fensterbank eine gemauerte schräge Sohlbank, die indirekt die Zierlaibungen der obersten Fensterreihe spiegelt. Die unterschiedlichen Breiten und Muster der Laibungen resultieren aus Varianten bei den Läufern, deren Anzahl und deren horizontalem Versatz. Bei immer gleicher Tiefe der Laibung wirken sie unterschiedlich – je nachdem, ob halbe, dreiviertel oder ganze Steine verwendet wurden und ob diese um 30 mm oder um 60 mm eingerückt sind. So scheinen einige dieser pixelartigen Muster gestauchter, andere weiter auseinandergezogen.
Dieses geometrische Spiel wird noch komplexer und expressiver
durch Licht und Schatten, durch den Verlauf der Sonne im Laufe des
Tages, denn durch die dekorative Verzahnung der Steine entsteht ein
schachbrettartiges Geflecht aus hellen sonnenbeschienenen und
dunkleren verschatteten Flächen und Kanten. Durch sorgfältige
Planung und Handwerkskunst sind so bildlich fast lebendige
Fensterrahmen entstanden. -sj
Bautafel
Architektur: Transform, Aarhus; Pluskontoret Arkitekter, Aarhus
Projektteam: Lars Bendrup, Lars Serup, Lars Povlsen, Charlotte Schmidt, Peter Svejgaard Svinth, Kristian Boye Thomsen, Bastian Gerner, Barbara Sopolinska, Ebba Nyberg, Yao Chen
Projektbeteiligte: Rambøll DK (Ingenieurbüro); Petersen Tegl, Broager (Klinker); Hai, Horsens (Oberflächenbearbeitung Alufenster)
Bauherr/in: Kommune Vejen, Dänemark
Fertigstellung: 2019
Standort: Rådhuspassagen 3, 6600 Vejen, Dänemark
BIldnachweis: Anders Sune Berg, Kopenhagen; Jacob Due, Vejle; Martin Schubert; Rasmus Hjortshoj, Kopenhagen; Thomas Molvig, Brabrand