Bürogebäude SW35 in Stuttgart

Camouflage-Muster auf Fensterbändern und Fassadenpaneelen

Das Gebäude namens SW35 mit der ungewöhnlich gemusterten Fassade beherbergt eine Firma zur Förderung von Start-Ups. Das Bürobauwerk in Stuttgart wurde als Re-Use vom Autohersteller Mercedes Benz übernommen und anschließend vom Architekturbüro Jürgen Mayer H. renoviert und neu bekleidet. Bürobauten wie dieses, insbesondere aus den 1970er-Jahren, lassen sich fast überall in Europa finden. Sie sind ebenso pragmatisch wie seriell konstruiert aus einem mehrgeschossigen Stahlbetonskelett, Fensterbändern für die flexible innere Aufteilung von Zellen bis zu Großraum plus einer Fassadenverkleidung aus Metallpaneelen. Eine Weiternutzung der soliden baulichen Substanz lag nahe – im neuen Gewand.

Gallerie

Gewandelte 1970er-Jahre Bürokiste

Der umgenutzte Bestandsbau befindet sich in einem Bürostadt-Satelliten in einem südlichen Stadtteil von Stuttgart. Das Areal bei Möhringen wurde ab 1974 als Gewerbegebiet entwickelt, da es verkehrstechnisch äußerst günstig liegt. Es wird unmittelbar über die Autobahn A8 erschlossen. Der Stuttgarter Flughafen ist nur 10 Minuten Fahrzeit entfernt und die Stadtbahnlinie, die die Stuttgarter Innenstadt mit dem Flughafen verknüpft, verläuft über die Schelmenwasenstrasse als Mittelachse und Hauptstrasse des Areals. Das Akronym SW35 ist aus dem Straßennamen und der Hausnummer zusammengefügt.

All-Over-Muster über Fensterbänder und Paneele

SW35 setzt sich aus einem dreigeschossigen sowie einem viergeschossigen orthogonalen Gebäudeteil zusammen. In unmittelbarer Nachbarschaft stehen ganz ähnliche Bürokisten als weiße Quader. Der umgebaute Bau ist einerseits Teil dieses Kontextes, andererseits setzt er sich ganz entschieden ab, denn das weiß-graue Muster zieht sich als über die gesamte Fassadenhaut einschließlich der Fensterbänder. Nur die Tore sind ausgespart. Die Paneele sind mit den beiden Farbtönen NCS S 0300 N, das entspricht dem RAL-Ton Verkehrsweiß, und NCS S 6005-R50B, einem mittleren Grauton lackiert. Bei den Fenstern besteht das Muster aus aufgeklebten weißen Folien, während die Grauwerte durch die transparenten Scheiben entstehen. Auch im Inneren überwiegt Verkehrsweiß als helle und neutrale Farbe an Wänden, Decken und dem Stützenskelett.

Datenornament als Geometrie und Programm

Auf den ersten Blick erinnert das Muster an gigantische Blütenblätter à la Pop Art der 60er-Jahre, wie eine Kreuzung aus Roy Lichtenstein und Marimekko. Auffällig ist jedoch die fehlende Unterscheidbarkeit zwischen Figur und Grund. Das Muster, das Jürgen Mayer H. auch als „strategisches Ornament“ bezeichnet, ist eine exakte Vergrößerung eines Datensicherungsmusters von Postsendungen. Diese geometrischen Muster sind normalerweise auf Formularfelder und Innenseiten von Briefumschlägen gedruckt, um das unbefugte Auslesen sensibler Daten wie PIN-Nummern oder sonstiger Codes zu erschweren. Jürgen Mayer H. ist von diesen Mustern fasziniert und besitzt inzwischen eine Sammlung mit mehreren Hundert verschiedenen Exemplaren.

Beim neu eingehüllten Gebäude wird mit der visuellen Wahrnehmung gearbeitet, indem das Muster wie ein Camouflage-Netz ein spielerisches Wirrwarr erzeugt. Die Kanten des Gebäudes und die Konturen der Fensterbänder mitsamt der Dimension des Baukörpers flimmern und wirken wie verwischt. Das Innere ist schwer einsehbar, so als wäre es hinter einem Schutzschirm. Gleichzeitig erscheint das Gebäude irritierend lebhaft und zieht die Blicke auf sich.

Re-Use und Technologie

Diese Ambivalenz ist hier Programm. 1886Ventures, die Nutzer des Gebäudes, arbeiten mit Daten und Ideen an Innovationen. Bereits die Jahreszahl im Namen verweist auf Erfindungen und Patente, denn 1886 gilt mit dem Patent von Carl Benz als das Jahr, in dem das Auto erfunden wurde. Die Start-Ups in SW35 konzentrieren sich auf nachhaltige Technologien wie beispielsweise wasserstoffbasierte Brennstoffzellen und Upcycling für ausrangierte Elemente der Autoindustrie. Insofern ist es logisch, dass als Firmensitz ein Re-Use gewählt wurde. Die architektonische Transformation zeigt eben keinen aufwendigen Umbau sondern ein reversibles wie intelligentes Spiel mit der Haut als Leinwand. -sj

Bautafel

Architektur: J. MAYER H. und Partner, Berlin
Projektteam: Jürgen Mayer H., Hans Schneider, Noah Ehlers, Paul Rindt
Projektbeteiligte: Heike Schaefer, Architektin, Stuttgart; Lichttransfer / Katrin Soencksen, Berlin (Lichtplanung)
Bauherr/in: RB-Real Estate / Ulrich Dietz
Fertigstellung: 2021
Standort:
Stuttgart, Deutschland
Bildnachweise: David Franck, Ostfildern; Büro Jürgen Mayer H., Berlin

Baunetz Architekt*innen

Bauwerke zum Thema

In Amsterdam hat das Grafikdesignbüro Studio Thonik mit Unterstützung von MMX Architecten den eigenen Unternehmenssitz errichtet.

In Amsterdam hat das Grafikdesignbüro Studio Thonik mit Unterstützung von MMX Architecten den eigenen Unternehmenssitz errichtet.

Gewerbe/​Industrie

Grafikdesignstudio in Amsterdam

Die prägnant ornamentierte Fassade ist das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen einem Grafikdesigner und einem Architekten.

Das Parkhaus Museum Garage wurde 2018 im Design District in Miami fertiggestellt; an der Fassadengestaltung waren fünf Architekten und Designer beteiligt

Das Parkhaus Museum Garage wurde 2018 im Design District in Miami fertiggestellt; an der Fassadengestaltung waren fünf Architekten und Designer beteiligt

Sonderbauten

Museum Garage in Miami

Bunt gemischt: An der Fassadengestaltung vom neuen Parkhaus im Design District waren fünf Architekten und Designer beteiligt.

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
Zum Seitenanfang

Entlang der Mauerstraße in der Berliner Friedrichstadt erstreckt sich die ehemalige Hauptgeschäftsstelle der Deutschen Bank über zwei neobarocke Gebäude.

Entlang der Mauerstraße in der Berliner Friedrichstadt erstreckt sich die ehemalige Hauptgeschäftsstelle der Deutschen Bank über zwei neobarocke Gebäude.

Büro/​Verwaltung

Neuer Dienstsitz für zwei Bundesministerien in Berlin

Erhalt und Sanierung zweier Gebäude aus der Kaiserzeit

Der Kornversuchsspeicher befindet sich in der Europacity, nördlich des Berliner Hauptbahnhofs, am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal.

Der Kornversuchsspeicher befindet sich in der Europacity, nördlich des Berliner Hauptbahnhofs, am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal.

Büro/​Verwaltung

Kornversuchsspeicher in Berlin

Sanierung und Revitalisierung eines Industriedenkmals

Auf dem Areal einer ehemaligen Mehlfabrik am Ufer des Suzhou und mitten in der Millionenstadt Schangai erhebt sich der von Heatherwick Studio entworfene Neubau 1.000 Trees.

Auf dem Areal einer ehemaligen Mehlfabrik am Ufer des Suzhou und mitten in der Millionenstadt Schangai erhebt sich der von Heatherwick Studio entworfene Neubau 1.000 Trees.

Büro/​Verwaltung

Geschäfts- und Bürohaus 1.000 Trees in Schanghai

Gebirge mit Bäumen

Der Planungs- und Bauprozess erfolgte über fünf Jahre in mehreren Abschnitten und ist nunmehr abgeschlossen: der Lego-Campus in Billund ist fertig.

Der Planungs- und Bauprozess erfolgte über fünf Jahre in mehreren Abschnitten und ist nunmehr abgeschlossen: der Lego-Campus in Billund ist fertig.

Büro/​Verwaltung

Campus in Billund

Kreisrunde Oberlichter und Bullaugen

Das nach Plänen vom Büro Jürgen Mayer H. umgestaltete Gebäude SW35 befindet sich in einem südlichen Stadtteil von Stuttgart.

Das nach Plänen vom Büro Jürgen Mayer H. umgestaltete Gebäude SW35 befindet sich in einem südlichen Stadtteil von Stuttgart.

Büro/​Verwaltung

Bürogebäude SW35 in Stuttgart

Camouflage-Muster auf Fensterbändern und Fassadenpaneelen

Mitten in der dänischen Stadt Vejen erhebt sich das neue Rathaus und zieht Blicke auf sich.

Mitten in der dänischen Stadt Vejen erhebt sich das neue Rathaus und zieht Blicke auf sich.

Büro/​Verwaltung

Rathaus in Vejen

Großformatige stehende Fenster mit expressiven Klinkerlaibungen

Das Carlsberg-Quartier, in dem der heutige Weltkonzern Carlsberg Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Bierproduktion begann, befindet sich mitten in Kopenhagen.

Das Carlsberg-Quartier, in dem der heutige Weltkonzern Carlsberg Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Bierproduktion begann, befindet sich mitten in Kopenhagen.

Büro/​Verwaltung

Hauptverwaltung Carlsberg in Kopenhagen

Raumhohe Fenster aus recyceltem Kupfer

Zehn Jahre nach der Errichtung des Kölner Bürohauses wurde der Innenhof, abermals nach einem Entwurf des Düsseldorfer Architekturbüros SOP, mit einen zweigeschossigen Einbau versehen.

Zehn Jahre nach der Errichtung des Kölner Bürohauses wurde der Innenhof, abermals nach einem Entwurf des Düsseldorfer Architekturbüros SOP, mit einen zweigeschossigen Einbau versehen.

Büro/​Verwaltung

Einbau in ein Bürogebäude in Köln

Haus im Haus mit drehbaren Lamellen und verschiebbaren Wänden

Architektur voller Licht: Maximal-Schiebefenster

Konkurrenzlos schmal mit vertikalen Profilansichten von 2 mm: Das Schiebefenster cero IV von Solarlux.

Partner-Anzeige