Diskussion zur Neufassung der DIN 4109
Schallschutz im Planungsprozess aus verschiedener Sicht
Seit vielen Jahren gibt es Diskussionen zum „richtigen” Nachweis
des Schallschutzes. Planerinnen und Planer bevorzugen
bauteilbezogene Nachweise. Aus Sicht der Bauphysik wird der
raumbezogene Schallschutz als präziser angesehen. Die
unterschiedlichen Sichtweisen werden im Folgenden kurz
erläutert.
Gallerie
Beim Planungsprozess im Leistungsbild Gebäude erfolgt der räumliche Entwurf durch den Objektplaner in der Vor- und Entwurfsplanung. Parallel ist die Tragwerksplanung durchzuführen. Die für das Tragwerk wesentlichen konstruktiven Festlegungen für zum Beispiel Baustoffe und Bauarten und damit auch die Schalldämmung werden in Abstimmung zwischen Objekt- und Tragwerksplanung bereits in der Vorplanung definiert. Bei der Anwendung bauteilbezogener Kenngrößen für den Schallschutz kann der Planungsprozess weitgehend problemlos ablaufen.
In der Fassung der Norm DIN 4109 aus dem Jahr 1989 war die Luft- und Trittschalldämmung von Trennbauteilen die kennzeichnende Größe für die Anforderungen an den Schallschutz. Diese ließ sich nach dem Beiblatt 1 der Norm berechnen und nach Erstellung des Gebäudes durch eine Güteprüfung entsprechend der Norm DIN 4109-11: Schallschutz im Hochbau – Teil 11: Nachweis des Schallschutzes – Güte und Eignungsprüfung überprüfen. Die Überprüfung erfolgt durch Baumessungen im fertiggestellten Gebäude. Prüfgröße sind Schallpegeldifferenzen für die Luftschalldämmung und Schallpegel bei der Trittschalldämmung und bei Geräuschen aus gebäudetechnischen Anlagen.
Bauteilbezogene Kenngrößen reichen nicht aus
Von Kreisen der beteiligten Bauphysiker wird die Auffassung
vertreten, dass bauteilbezogene Kenngrößen zur Beschreibung des
Schallschutzes nicht ausreichen, weil sie die Geometrie der an das
Bauteil angrenzenden Räume nicht berücksichtigen. Bei gleicher
Bauteil-Schalldämmung kann sich für große oder kleine angrenzende
Räume ein unterschiedlicher Schallschutz ergeben. Zur sachgerechten
Beschreibung des Schallschutzes wird die Einführung von
nachhallbezogenen Kenngrößen gefordert. Die zugrundeliegenden
Kenngrößen werden zur Übersicht in der folgenden Tabelle
zusammengefasst.
Bei Anwendung nachhallbezogener Größen ergibt sich die zusätzliche Planungsaufgabe, aus einem nutzungsbezogenen Anforderungswert und maßgebenden Abmessungen des Empfangsraums die für die Trennbauteile erforderliche Luft- und Trittschalldämmung zu ermitteln und dann die jeweiligen Wand- und Deckenkonstruktionen festzulegen. Hierdurch werden zusätzliche Schnittstellen zwischen Objekt- und Tragwerksplanung erforderlich.
Fortlaufende Aktualisierung der Planung: Mehraufwand
Lage, Größe und Nutzung der Räume können üblicherweise aufgrund von
Änderungswünschen der Bauherrschaft und durch die schrittweise
Weiterentwicklung des Entwurfes nicht bereits im Vorentwurf
abschließend festgelegt werden. Die bauakustische Planung wäre dann
parallel zur Gebäudeplanung fortlaufend zu aktualisieren, wodurch
Mehraufwand entsteht. Da der Schallschutz nur eines von mehreren
Entwurfszielen ist und zur Bearbeitung häufig externe
Sachverständige beauftragt werden, wird dies als unangemessen
angesehen. Andere Kritik richtet sich gegen die Bezugs-Nachhallzeit
T0 = 0,5 s, deren Definition als zu starr empfunden
wird.
Schalldämmung: ein Aspekt von vielen
Eine gute Bauteil-Schalldämmung wird durch ausreichende hohe
Bauteilmasse oder durch geeignete mehrschalige Konstruktionen
erreicht. Von weiterem Einfluss ist die sachgerechte
Ausführungsqualität. Erhöhte Anforderungen an die Schalldämmung
erfordern eine größere Bauteilmasse durch schwerere Baustoffe oder
steigende Querschnittsabmessungen. Hierdurch können andere
Nachteile entstehen, wie zum Beispiel Baukostenzunahme, reduzierte
Geschosshöhen oder Wohnflächen infolge erhöhter Decken- und
Wandstärken oder abnehmende Wärmedämmung durch Wände mit höherer
Masse.
Uneinigkeit der Interessengruppen
Da die erhöhte Schalldämmung neben beispielsweise Kostenersparnis,
großzügigen Räumen und guter Wärmedämmung nur eine von mehreren
Zielvorstellungen ist, besteht Uneinigkeit zum Stand der
Bautechnik. Fachvertreter der Bauakustik und einige weitere
Interessensgruppen fordern höhere Anforderungswerte auch für den
Mindestschallschutz. Von Seiten der Planer, deren Aufgabe die
Koordinierung der unterschiedlichen Zielvorstellungen ist, wird
überwiegend vorgeschlagen, die Anforderungen an die durch heutige
Konstruktionen üblicherweise erzielbaren Werte anzupassen. Die
Hersteller leichterer Wandbaustoffe sprechen sich interessensgemäß
für maßvolle Anforderungswerte aus.
Bei deutlich erhöhten Anforderungen an die Schalldämmung wird der Schallschutz zum maßgeblichen Entwurfsziel. Die Anforderungen können dann auch im Geschosswohnungsbau analog zu den Haustrennwänden von Reihenhäusern nur durch bauliche Trennungen erreicht werden („Haus in Haus-Konstruktion”).