Umbau und Erweiterung des Obergerichts Zürich
Klare Trennung unterschiedlicher Sicherheitsbereiche
Am nordöstlichen Rand der Zürcher Altstadt befindet sich das Obergericht des Kantons, die oberste Justizverwaltungsbehörde der Zürcher Zivil- und Strafjustiz. Ein Teil des Gebäudekomplexes, der nun nach Plänen von Felber Widmer Kim Architekten aus Aarau umgebaut und erweitert wurde, hat seinen Ursprung bereits im 14. Jahrhundert: eine Klosteranlage der Barfüßer bzw. Franziskaner, deren gotischer Kreuzgang heute noch den Innenhof des Ensembles prägt. Bereits im 19. Jahrhundert bezog das Gericht die alten Gemäuer, die zuvor bereits als Kasino und Stadttheater genutzt wurden.
Gallerie
Eine Erweiterung und Umstrukturierung der Anlage war notwendig geworden, um die Organisation des Gerichtsbetriebs zu vereinfachen, dessen Sicherheit zu erhöhen und Außenstellen integrieren zu können. Dafür wurden zwei bestehende Gebäude im Norden und Osten am Hirschengraben (Hausnummern 13 und 15) durch einen L-förmigen Neubau im Südwesten verbunden. Dieser schließt das Gebäudeensemble zur Obmannamtsgasse nach Nordwesten und zur Straße Untere Zäune im Südwesten. Die Geschossfläche des Gebäudekomplexes vergrößerte sich dadurch von rund 12.200 m² auf über 18.800 m². Im Zentrum der kompakten Anlage steht nun der alte Gerichtssaalbau, angrenzend an den Innenhof.
Der öffentliche Haupteingang des Obergerichts befindet sich
mittig im nördlichen Altbau mit klassizistischer Fassade am
Hirschengraben 15. Daran schließt zum einen der zentrale
Gerichtssaalbau an, zum anderen der Erweiterungsbau mit einer
Verhandlungshalle, die als verglastes Atrium über alle Geschosse
ausgebildet ist und als Verbindung zu drei doppelgeschossigen
Gerichtssälen fungiert. Die Halle inszeniert den Übergang zwischen
Alt und Neu und führt natürliches Licht in die öffentlichen und
internen Bereiche.
Der zur Straße hin fünfgeschossige Erweiterungsbau schließt
beidseitig unterhalb der bestehenden Dachränder der Altbauten an
und passt sich dem Geländeverlauf an (siehe Abb. 26, 40 u. 41). Die
Fassaden zur Altstadt erscheinen als Einfriedung. Hier liegen die
Büros der Oberrichter, die mit je einem Kastenfenster versehen
sind. Im Gelenk des L-förmigen Baukörpers sind im Unter- und
Erdgeschoss zwei Technikzentralen untergebracht. Von dort werden
die Leitungen über vertikale Steigzonen bei den Erschließungskernen
zu den Installationszonen geführt, die in Schrankwänden zwischen
der äußeren Büroschicht und dem Gang untergebracht sind. Im
Erdgeschoss des südwestlichen Neubaus ist eine beidseitig
verglaste, zweigeschossige Cafeteria – sie ermöglicht
Blickbeziehungen vom Innenhof zur Straße und umgekehrt. In den
Obergeschossen liegen, akustisch abgeschottet und nach außen
orientiert, ebenfalls Büros für die Oberrichter. Die Büros zum
Innenhof sind hell und offen gestaltet; hier befinden sich die
Arbeitsplätze der Gerichtssekretäre. Die Fassaden sind zum Hof
vollständig verglast. Auch der Medienraum im nordwestlichen
Ergänzungsbau ist verglast – er stellt einen Bezug von der
Obmannamtsgasse zum Innenhof her. Die verschiedenen Kammern des
Gerichts sind flexibel über die Gebäude verteilt, sämtliche Ebenen
sind barrierefrei zu erschließen.
Der Ergänzungsbau ist mit massiven Betondecken auf Stahlstützen ausgeführt, um eine hohe Nutzungsflexibilität zu erzielen. Der Gerichtssaalbau wurde entkernt, sodass der große Gerichtssaal im Erdgeschoss stützenfrei mit einem neuen Tragsystem ausgeführt werden konnte. Der gesamte Gebäudekomplex entspricht den Vorgaben des Minergie-Standards.
Sicherheit
Im erweiterten Obergericht sind die Verhandlungssäle und die
Büroräumlichkeiten klar getrennt. Auch die Zugänge erfolgen von
unterschiedlichen Seiten: Besucher betreten das Ensemble von Norden
durch den öffentlichen Haupteingang am Hirschengraben 15. Der
interne Zugang für Mitarbeiter liegt im östlichen Altbau am
Hirschengraben 13. Die Anlieferung wiederum erfolgt von der
Obmannamtsgasse im Westen und auch die Zuführung von Angeklagten
ist auf dieser Seite über eine Zufahrt ins Untergeschoss (mit
Zellenbereich) möglich. Die Eingänge in die Gebäude sind mit
Schleusen, die Übertritte in andere Sicherheitszonen mit
Vereinzelungsanlagen versehen (z. B. Verhandlungshalle, Büros).
Diese sind mit Lesegeräten zur berührungslosen Identifikation
gesichert. Auch der Zutritt zum internen Lift für die Zuführung von
Angeklagten wird elektronisch kontrolliert. Sämtliche mit
Zutrittslesern versehenen Türen, Schleusen und Vereinzelungsanlagen
werden überwacht und die Ereignisse an eine Alarmanlage
weitergeleitet. Die vom Gerichtsbetrieb geforderte konsequente
Trennung von Zonen unterschiedlicher Sicherheitsstufen wird durch
die Schichtung der öffentlichen und internen Nutzungen
gewährleistet.
Der neuen Büros, die Gerichtssäle und teilweise auch die sanierten Räume sind entsprechend den Anforderungen mit modernen Elektro-, Kommunikations- und Sicherheitsanlagen ausgestattet. In den Büros wird die Beleuchtung über Anwesenheitsmelder gesteuert; eine technische Anlage signalisiert, ob ein Raum besetzt ist, Besucher warten müssen oder eintreten dürfen. EDV-, Telefon-, Audio-, Video- und Brandmeldeanlagen werden über einen Bodenkanal erschlossen. Zutrittsbeschränkungen, Sicherheits- und Fluchtwegbeleuchtung sowie die Brandmeldeanlage sind in die Gebäudeautomation integriert. Aus allen Gerichtssälen lassen sich Bild und Ton in den Medienraum übertragen. In den Gerichtssälen und den Verhandlungsräumen sind Alarmtaster vorgesehen, die an ein übergeordnetes Sicherheits-Leitsystem angebunden sind. Der Eingangsbereich sowie der innere und äußere Zuführbereich werden mit Videokameras überwacht und die Bilder eine gewisse Zeit lang gespeichert.
Die Lochfenster im Erweiterungsbau sind einbruchhemmend ausgeführt und mit zusätzlichem Sicherheitsglas versehen. Eine durchwurfhemmende Verglasung schützt die große Fensteröffnung vor Vandalismus. Der Zuführbereich ist mit einem Sicherheitstor ausgestattet. Auch die Fenster der Altbauten weisen eine erhöhte Einbruchsicherheit auf.
Bautafel
Architekten: Felber Widmer Kim Architekten, Aarau/CH
Projektbeteiligte: Hochbauamt Kanton Zürich/CH (Projektmanagement und -controlling); MWV Bauingenieure, Baden/CH (Statik); Wichser Akustik & Bauphysik, Zürich (Akustik, Bauphysik); PGMM Schweiz, Winterthur/CH (Haustechnik); 4B Fenster, Hochdorf/CH (Fensterhersteller); ES Sicherheit, St. Gallen/CH (Sicherheitssysteme); Paul Koch, Wallisellen/CH (Zutrittskontrolle); Daniel Robert Hunziker, Zürich (Kunst am Bau)
Bauherr: Baudirektion Kanton Zürich
Standort: Hirschengraben 15, 8001 Zürich
Fertigstellung: 2012
Bildnachweis: Hochbauamt Kanton Zürich, Mark Röthlisberger und Felber Widmer Schweizer (ehem. Kim) Architekten, Aarau/CH