Umbau und Erweiterung des Obergerichts Zürich

Klare Trennung unterschiedlicher Sicherheitsbereiche

Am nordöstlichen Rand der Zürcher Altstadt befindet sich das Obergericht des Kantons, die oberste Justizverwaltungsbehörde der Zürcher Zivil- und Strafjustiz. Ein Teil des Gebäudekomplexes, der nun nach Plänen von Felber Widmer Kim Architekten aus Aarau umgebaut und erweitert wurde, hat seinen Ursprung bereits im 14. Jahrhundert: eine Klosteranlage der Barfüßer bzw. Franziskaner, deren gotischer Kreuzgang heute noch den Innenhof des Ensembles prägt. Bereits im 19. Jahrhundert bezog das Gericht die alten Gemäuer, die zuvor bereits als Kasino und Stadttheater genutzt wurden.

Großer Gerichtssaal
Ansicht des Erweiterungsbaus von Westen mit Anlieferung
Blick in die Verhandlungshalle im Erdgeschoss des Neubaus: An der Decke ist ein Kunstwerk von Daniel Robert Hunziker zu sehen, inspiriert durch den Hammurabi-Codex, die älteste überlieferte Rechtssammlung in Keilschrift (18. Jhd. v. Chr.)

Eine Erweiterung und Umstrukturierung der Anlage war notwendig geworden, um die Organisation des Gerichtsbetriebs zu vereinfachen, dessen Sicherheit zu erhöhen und Außenstellen integrieren zu können. Dafür wurden zwei bestehende Gebäude im Norden und Osten am Hirschengraben (Hausnummern 13 und 15) durch einen L-förmigen Neubau im Südwesten verbunden. Dieser schließt das Gebäudeensemble zur Obmannamtsgasse nach Nordwesten und zur Straße Untere Zäune im Südwesten. Die Geschossfläche des Gebäudekomplexes vergrößerte sich dadurch von rund 12.200 m² auf über 18.800 m². Im Zentrum der kompakten Anlage steht nun der alte Gerichtssaalbau, angrenzend an den Innenhof.

Der öffentliche Haupteingang des Obergerichts befindet sich mittig im nördlichen Altbau mit klassizistischer Fassade am Hirschengraben 15. Daran schließt zum einen der zentrale Gerichtssaalbau an, zum anderen der Erweiterungsbau mit einer Verhandlungshalle, die als verglastes Atrium über alle Geschosse ausgebildet ist und als Verbindung zu drei doppelgeschossigen Gerichtssälen fungiert. Die Halle inszeniert den Übergang zwischen Alt und Neu und führt natürliches Licht in die öffentlichen und internen Bereiche.
 
Der zur Straße hin fünfgeschossige Erweiterungsbau schließt beidseitig unterhalb der bestehenden Dachränder der Altbauten an und passt sich dem Geländeverlauf an (siehe Abb. 26, 40 u. 41). Die Fassaden zur Altstadt erscheinen als Einfriedung. Hier liegen die Büros der Oberrichter, die mit je einem Kastenfenster versehen sind. Im Gelenk des L-förmigen Baukörpers sind im Unter- und Erdgeschoss zwei Technikzentralen untergebracht. Von dort werden die Leitungen über vertikale Steigzonen bei den Erschließungskernen zu den Installationszonen geführt, die in Schrankwänden zwischen der äußeren Büroschicht und dem Gang untergebracht sind. Im Erdgeschoss des südwestlichen Neubaus ist eine beidseitig verglaste, zweigeschossige Cafeteria – sie ermöglicht Blickbeziehungen vom Innenhof zur Straße und umgekehrt. In den Obergeschossen liegen, akustisch abgeschottet und nach außen orientiert, ebenfalls Büros für die Oberrichter. Die Büros zum Innenhof sind hell und offen gestaltet; hier befinden sich die Arbeitsplätze der Gerichtssekretäre. Die Fassaden sind zum Hof vollständig verglast. Auch der Medienraum im nordwestlichen Ergänzungsbau ist verglast – er stellt einen Bezug von der Obmannamtsgasse zum Innenhof her. Die verschiedenen Kammern des Gerichts sind flexibel über die Gebäude verteilt, sämtliche Ebenen sind barrierefrei zu erschließen.

Der Ergänzungsbau ist mit massiven Betondecken auf Stahlstützen ausgeführt, um eine hohe Nutzungsflexibilität zu erzielen. Der Gerichtssaalbau wurde entkernt, sodass der große Gerichtssaal im Erdgeschoss stützenfrei mit einem neuen Tragsystem ausgeführt werden konnte. Der gesamte Gebäudekomplex entspricht den Vorgaben des Minergie-Standards.

Sicherheit
Im erweiterten Obergericht sind die Verhandlungssäle und die Büroräumlichkeiten klar getrennt. Auch die Zugänge erfolgen von unterschiedlichen Seiten: Besucher betreten das Ensemble von Norden durch den öffentlichen Haupteingang am Hirschengraben 15. Der interne Zugang für Mitarbeiter liegt im östlichen Altbau am Hirschengraben 13. Die Anlieferung wiederum erfolgt von der Obmannamtsgasse im Westen und auch die Zuführung von Angeklagten ist auf dieser Seite über eine Zufahrt ins Untergeschoss (mit Zellenbereich) möglich. Die Eingänge in die Gebäude sind mit Schleusen, die Übertritte in andere Sicherheitszonen mit Vereinzelungsanlagen versehen (z. B. Verhandlungshalle, Büros). Diese sind mit Lesegeräten zur berührungslosen Identifikation gesichert. Auch der Zutritt zum internen Lift für die Zuführung von Angeklagten wird elektronisch kontrolliert. Sämtliche mit Zutrittslesern versehenen Türen, Schleusen und Vereinzelungsanlagen werden überwacht und die Ereignisse an eine Alarmanlage weitergeleitet. Die vom Gerichtsbetrieb geforderte konsequente Trennung von Zonen unterschiedlicher Sicherheitsstufen wird durch die Schichtung der öffentlichen und internen Nutzungen gewährleistet.

Der neuen Büros, die Gerichtssäle und teilweise auch die sanierten Räume sind entsprechend den Anforderungen mit modernen Elektro-, Kommunikations- und Sicherheitsanlagen ausgestattet. In den Büros wird die Beleuchtung über Anwesenheitsmelder gesteuert; eine technische Anlage signalisiert, ob ein Raum besetzt ist, Besucher warten müssen oder eintreten dürfen. EDV-, Telefon-, Audio-, Video- und Brandmeldeanlagen werden über einen Bodenkanal erschlossen. Zutrittsbeschränkungen, Sicherheits- und Fluchtwegbeleuchtung sowie die Brandmeldeanlage sind in die Gebäudeautomation integriert. Aus allen Gerichtssälen lassen sich Bild und Ton in den Medienraum übertragen. In den Gerichtssälen und den Verhandlungsräumen sind Alarmtaster vorgesehen, die an ein übergeordnetes Sicherheits-Leitsystem angebunden sind. Der Eingangsbereich sowie der innere und äußere Zuführbereich werden mit Videokameras überwacht und die Bilder eine gewisse Zeit lang gespeichert.

Die Lochfenster im Erweiterungsbau sind einbruchhemmend ausgeführt und mit zusätzlichem Sicherheitsglas versehen. Eine durchwurfhemmende Verglasung schützt die große Fensteröffnung vor Vandalismus. Der Zuführbereich ist mit einem Sicherheitstor ausgestattet. Auch die Fenster der Altbauten weisen eine erhöhte Einbruchsicherheit auf.

Bautafel

Architekten: Felber Widmer Kim Architekten, Aarau/CH
Projektbeteiligte: Hochbauamt Kanton Zürich/CH (Projektmanagement und -controlling); MWV Bauingenieure, Baden/CH (Statik); Wichser Akustik & Bauphysik, Zürich (Akustik, Bauphysik); PGMM Schweiz, Winterthur/CH (Haustechnik); 4B Fenster, Hochdorf/CH (Fensterhersteller); ES Sicherheit, St. Gallen/CH (Sicherheitssysteme); Paul Koch, Wallisellen/CH (Zutrittskontrolle); Daniel Robert Hunziker, Zürich (Kunst am Bau)
Bauherr: Baudirektion Kanton Zürich
Standort: Hirschengraben 15, 8001 Zürich
Fertigstellung: 2012
Bildnachweis: Hochbauamt Kanton Zürich, Mark Röthlisberger und Felber Widmer Schweizer (ehem. Kim) Architekten, Aarau/CH

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