Infrastructures of Freedom
Public Light and Everynight Life on a Southern City's Margins
Jovis Verlag, Berlin 2023
272 Seiten, Format 17 × 24 cm, Broschur, Englisch
Preis: 36 EUR (E-Book: open access, kostenfrei)
ISBN 978-3-86859-776-9 (gebunden); 978-3-86859-776-9 (E-Book)
Was hat Licht mit Freiheit zu tun? Das ist das Thema der südafrikanischen Architektin und Stadtplanerin Stephanie Briers in ihrem Buch Infrastructures of Freedom. Bereits das Vorwort verrät: Es geht um die Bewegungsfreiheit, ermöglicht durch Straßenbeleuchtung in den Abendstunden respektive die Einschränkungen, die Bewohner*innen von nicht-beleuchteten Gegenden erfahren. Welche Grenzen erzeugt die Beleuchtung im öffentlichen Raum und wie kommen diese zustande? Was hat der Ausbau der technischen Infrastruktur mit Chancengleichheit und Integration zu tun? Diese Fragen untersucht die Autorin am Beispiel einer informellen, selbstgebauten Siedlung am Stadtrand Kapstadts.
Townships: Abbilder der Apartheid
Kapstadt hat eine lange Geschichte der Ungleichheit. Unter dem
Apartheid-Regime sind viele informelle Siedlungen entstanden,
sogenannte Townships. Sie liegen an den Stadträndern und zeigen
noch deutliche Anzeichen der Segregation: fehlende technische
Infrastruktur, selbst errichtete Wellblechhütten, dunkle Gassen und
eine homogene, vornehmlich schwarze Bewohnerschaft. Auch an der
Beleuchtung sind sie zu erkennen: Statt der üblichen
Straßenlaternen mit rund sieben Metern Höhe finden sich rund um die
Townships 30 bis 40 Meter hohe Leuchten, die in einem Radius bis
175 oder 200 Meter Licht spenden. Dass sie in den engen Gassen der
Siedlungen eher für starke Schatten sorgen, statt diese
auszuleuchten, schien zum Erbauungszeitpunkt irrelevant. Viele
sehen darin nach wie vor ein Symbol der Apartheid, welches
Siedlungen wie Khayelitsha vom Rest der Stadt abhebt.
Gefangen in der Dunkelheit
Auf ein Quartier von Khayelitsha am südöstlichen Stadtrand Kapstadts konzentriert sich Stephanie Briers bei ihrer eindrücklichen Untersuchung, die über den reinen Text hinausgeht. Die Architektin führte Interviews, organisierte Diskussionen und Theaterworkshops mit den Bewohner*innen. Sie erstellte Kartierungen, Fotografien – die teils von den Bewohner*innen selbst stammen – und sogar ein kleines Drehbuch, das eine Nacht aus der Perspektive des 12-jährigen Lizwi darstellt. Sehr deutlich wird die Situation anhand eines einfachen Beispiels: dem nächtlichen Toilettengang. In den Hütten selbst gibt es keine Sanitäranlagen, verbreitet sind vielmehr gemeinschaftliche sanitäre Einrichtungen. Aufgrund einer unzureichenden bzw. fehlenden Beleuchtung werden diese in den Abend- und Nachtstunden zu Angsträumen. Infolgedessen erledigen die Menschen ihre Geschäfte nach Sonnenuntergang gar nicht oder in improvisierten Nachttöpfen. Die Dunkelheit verändert also das Verhalten – und damit die persönliche Freiheit der Bewohnerschaft – bei einem der grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse.
Die Menschen empfänden nicht nur Angst und sorgten sich um ihre Sicherheit, sie meinten vielmehr, „vergessen" worden zu sein. Der temporäre Charakter, ein fehlender Aus- und Weiterbau der Siedlungen durch die Regierung trage dazu bei, dass die Bewohnerschaft nicht als gleichwertige Stadtbürger akzeptiert werde.
Von der Untersuchung zur Umsetzung
Zentraler Wendepunkt des Buchs ist das sechste Kapitel Freeing the Night, Co-producing Light, in dem Brier ihr Pilotprojekt dokumentiert: Gemeinsam mit Yael Borovsky von der ETH Zürich und in Zusammenarbeit mit der lokalen Gemeindeverwaltung, der Social Justice Coalition und der Stadt Kapstadt installierte sie off-grid-Solarleuchten an öffentlichen Orten. Ziel des Projekts war die Förderung einer effektiveren und netzunabhängigen öffentlichen Beleuchtung, die von den Gemeinden selbst in Eigenregie umgesetzt werden kann. Darauf aufbauend wurde ein Vorher-nachher-Vergleich durchgeführt: Die Ergebnisse wirken vielversprechend und zeigen, dass bereits dieser Eingriff im Kleinen zu einem besseren Sicherheits- und damit auch Gemeinschaftsgefühl beigetragen hat. Benachbarte Gemeinschaften haben den positiven Einfluss erkannt und Interesse an der Durchführung eines solchen Projekts in ihren eigenen Siedlungen bekundet.
Fazit
Das Buch gewährt auf empathische und authentische Weise Einblick
in die Situation der Bewohner*innen der Siedlung. Die enge
Kooperation mit den Betroffenen ist in den sensiblen Analysen
deutlich spürbar, nicht zuletzt durch die originalen Wortlaute der
Interviews und die Fotografien. Die im Zuge der Workshops
erstellten Karten vermitteln die Unschuld einer Kinderzeichnung,
bergen aber die traurige Realität der Menschen, deren eigene
Nachbarschaft mit einem falschen Schritt zur gefährlichen Falle
werden kann. -si
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