Wohnen in der Glashütte Alt-Stralau in Berlin

Umbau und Aufstockung einer ehemaligen Werkstatt

Als Zusammenschluss privater Bauherrn finden Baugruppen immer mehr Zuspruch – mittlerweile sind eine Reihe spannender und ungewöhnlicher Häuser zum gemeinsamen Wohnen entstanden. So auch auf der Halbinsel Stralau im Berliner Stadtbezirk Friedrichshain. Bereits im Jahr 1990 wurde die dortige Glasfabrik, die über 100 Jahre in Betrieb war, geschlossen. Während für den Großteil der ehemaligen Fabrikanlage und deren Grundstücksflächen schnell Käufer und Investoren gefunden waren, lag ein denkmalgeschütztes Werkstattgebäude zunächst brach. Auf Initiative einer Immobilienmaklerin aus Berlin bildete sich ein Kreis privater Bauherrn, die gemeinsam mit den ortsansässigen Eyrich-Hertweck Architekten nach dreijähriger Auseinandersetzung mit den Behörden die Zustimmung erhielten, das Industriegebäude zu Wohnzwecken umbauen zu dürfen.

Gallerie

Gestalterische Trennung von alt und neu

Die Umnutzung zu 25 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit sollte behutsam erfolgen, der ursprüngliche Charakter und das historische Erscheinungsbild wiederhergestellt werden. Zugemauerte Fenster wurden geöffnet, historisches Mauerwerk freigelegt und ergänzt. Gestalterisch wurden neue und alte Bauteile getrennt: Dunkle Zinkfassaden mit großen Fenstern umschließen das einst offene Erdgeschoss, und – als Reminiszenz an das frühere Bitumendach – auch das aufgestockte Dachgeschoss. Ergänzungen wie Balkone sind mit wetterfestem Baustahl verkleidet.

Um sämtliche Wohnungen von außen zu erschließen, ohne ein zusätzliches Treppenhaus zu errichten, bediente man sich der markanten beiden „Brücken“, die der Anbindung eines mittlerweile abgerissenen Fabrikgebäudes dienten. Sie wurden um jeweils eine Treppenanlage ergänzt und erschließen nun zusammen mit den vorhandenen beiden Treppenhäusern und einem Laubengang die Wohnungen im ersten Obergeschoss. Zur Erschließung des aufgestockten Dachgeschosses dient zusätzlich ein Aufzug.

Der Erhalt des äußeren Erscheinungsbildes war Auflage des Denkmalschutzes, im Inneren war er gewünscht. Der loftartige Charakter sollte bestehen bleiben, Anforderungen an zeitgemäßes Wohnen jedoch erfüllt werden. Die historische Stahl-Tragkonstruktion bleibt sichtbar, Sanitär- und Abstellräume sind als „Boxen” in die Wohnungen gestellt. Sie zonieren die Einheiten, erhalten aber Sichtachsen und Blickbezüge – und damit großzügige Räume.

Bauphysikalische Aspekte: Neue Brüstungen innenseitig und Kastenfenster

Das alte Werkstattgebäude war aus bauphysikalischer Sicht eine Herausforderung. Die tragende Stahlkonstruktion lief ohne thermische Trennung von außen nach innen durch, die dünne Ausfachung aus Ziegelmauerwerk war nicht wärmegedämmt. Die vorhandenen Stahlbetondecken boten geringen Schallschutz, und auch die einfach verglasten Fenster waren wärme- und schallschutztechnisch unzureichend.

Schon aus Denkmalschutzgründen war eine Außendämmung keine Option, weshalb die Architekten ein Ingenieurbüro für Bauphysik zu Rate zogen. In weiten Teilen der historischen Längsfassaden lösen eine zweischalige hinterlüftete Fassade im Brüstungsbereich und Kastenfenster das Problem. Hinter die dünne historische Mauerwerksausfachung des Stahlskeletts wurde von innen eine neue gedämmte Brüstung eingestellt. Deren Dämmstoffdicken variieren zwischen 80 und 120 mm, die Wärmeleitfähigkeit WLG beträgt 0,042 W/(mK). Auf dieser sitzt der innere, wärmedämmende Teil des Kastenfensters, der den Erhalt bzw. die Rekonstruktion der alten einfachverglasten Industriefenster möglich macht. Verwendet wurden Holzrahmenfenster mit Zweifach-Wärmeschutz-Isolierverglasung auf der Innenseite sowie einer äußeren Einscheibenverglasung; der U-Wert liegt bei 0,9 W(m²K). Zwischen den äußeren und inneren Flügeln der Kastenfenster ist der Sonnenschutz integriert. Im Erd- und Dachgeschoss kommen Dreifach-Wärmeschutz-Isolierverglasungen mit Argongasfüllung und thermisch verbessertem Scheibenrandverbund zum Einsatz; die Rahmenkonstruktion ist aus Holz (Dachgeschoss) bzw. Stahl (Erdgeschoss) bei einem U-Wert von 0,6 W(m²K).

An den Stirnseiten des Gebäudes dämmen Calciumsilikatplatten in Stärken von 50 bis 80 mm (mit den Wärmeleitfähigkeiten WLG 038 bis 045) von innen das bestehende Mauerwerk. Die Lüftung stellt eine Abluftanlage in Kombination mit Fensterfalzlüftern sicher. Ein sehr guter Luft- und Trittschallschutz konnte durch Wohnungstrennwände aus Mauerwerk und eine Gewichtserhöhung der bestehenden Betondecken durch Aufbeton und einen Verbundestrich (bewerteter Trittschallpegel = 46 dB) erreicht werden.

Bautafel

Architekten: Eyrich Hertweck Architekten, Berlin
Projektbeteiligte: Anita Eyrich, Christian Hertweck (Projektleiter), Henriette von Flocken, Wasili Seidensal, Maria Cucu, Omorinsola Otubusin, Irina Avram (Mitarbeiter); Andreas Büsching und Tanja Zieske, Berlin (Projektsteuerung); Michael Breitmaier, Berlin (Bauleitung); Ingenieurbüro Rüdiger Jockwer, Berlin (Tragwerksplanung); Andreas Wilke, Potsdam (Bauphysik); Reiner Ortlauf, Berlin (TGA); Glaser und Dagenbach, Berlin (Freiraumplanung)
Bauherr: Baugruppe Glashütte Alt-Stralau
Fertigstellung: 2018
Standort: Glasbläserallee 13-19, Berlin-Friedrichshain
Bildnachweis: Udo Meinel, Berlin

Baunetz Architekt*innen

Fachwissen zum Thema

Schematischer Temperaturverlauf in unterschiedlichen Wandaufbauten; monolithische Wand links, Mitte von außen gedämmte Wand, rechts Wand mit Innendämmung

Schematischer Temperaturverlauf in unterschiedlichen Wandaufbauten; monolithische Wand links, Mitte von außen gedämmte Wand, rechts Wand mit Innendämmung

Wärmeschutz

Dämmungsysteme und deren Wirkung

Zur Reduzierung des Wärmeenergiebedarfs in einem Gebäude ist die Dämmung von Fassade, Dach und Bodenplatte eine der wichtigsten...

Wärmeverluste im Mauerfuß, an Stürzen und Fenstersimsen

Wärmeverluste im Mauerfuß, an Stürzen und Fenstersimsen

Wärmeschutz

Wärmebrücken: Grundlagen

Als Wärmebrücken werden örtlich begrenzte Bereiche in der wärmeübertragenden Hülle eines Bauwerks bezeichnet, die eine höhere...

Tipps zum Thema

Bücher

Lehrbuch der Bauphysik

Ohne die bauphysikalischen Belange zu berücksichtigen, lassen sich hierzulande keine Gebäude mehr errichten. Bereits in der...

Bücher

Sanieren außerhalb der Normen

Das Bauen im Bestand ist enorm vielfältig – sowohl in Bezug auf die Entstehungszeit der Gebäude, die umgenutzt und saniert werden,...

Zum Seitenanfang

Die Entwicklung der Faber Fabrik im Laufe der Zeit ist am Gebäudekörper ablesbar.

Die Entwicklung der Faber Fabrik im Laufe der Zeit ist am Gebäudekörper ablesbar.

Wohnen

Wohnen in der Faber Fabrik in Ryslinge

Haus-im-Haus in modularer Bauweise

Nordostansicht mit Einblick in den Hof: Die Häuser sind in Holz-Hybridbauweise errichtet, die vertikale Fassadenschalung ist Weißtanne.

Nordostansicht mit Einblick in den Hof: Die Häuser sind in Holz-Hybridbauweise errichtet, die vertikale Fassadenschalung ist Weißtanne.

Wohnen

Hagmann-Areal in Winterthur-Seen

Gemeinschaftswohnen in Holz-Hybrid-Bauweise

Die Aufgabe für den in Berlin ansässigen dänischen Architekten Sigurd Larsen bestand darin, in das Scheunenvolumen ein Musikstudio, eine Gästewohnung sowie ein neues Badezimmer einzufügen.

Die Aufgabe für den in Berlin ansässigen dänischen Architekten Sigurd Larsen bestand darin, in das Scheunenvolumen ein Musikstudio, eine Gästewohnung sowie ein neues Badezimmer einzufügen.

Wohnen

Dortmannhof in Essen-Katernberg

Neue Räume nach dem Haus-im-Haus-Prinzip

Die neue, transparente Südfassade eines der Hochhäuser, die den 1960er-Jahren entstammen.

Die neue, transparente Südfassade eines der Hochhäuser, die den 1960er-Jahren entstammen.

Wohnen

Wohnhochhäuser Cité du Grand Parc in Bordeaux

Transformation von 530 Wohneinheiten

Die Ostseite der beiden Zeilenbauten ist einem Landschaftspark zugewandt.

Die Ostseite der beiden Zeilenbauten ist einem Landschaftspark zugewandt.

Wohnen

Geschosswohnungsbau Rozemaai in Antwerpen

Umwandlung von Zeilenbauten der Siebziger Jahre

Kernelement des über 160.000 Quadratmeter großen Geländes der Valby Maskinfabrik ist die Montagehalle, mit deren Umwandlung C.F. Møller Architects beauftragt wurden (im Bild: südliche Giebelseite)

Kernelement des über 160.000 Quadratmeter großen Geländes der Valby Maskinfabrik ist die Montagehalle, mit deren Umwandlung C.F. Møller Architects beauftragt wurden (im Bild: südliche Giebelseite)

Wohnen

Montagehalle der Valby Maskinfabrik in Kopenhagen

Umbau eines 200 Meter langen Industriebaus zum Wohnen und Arbeiten

Südansicht des ehemaligen Werkstattgebäudes mit markanter Erschließungsbrücke und aufgestocktem Dachgeschoss

Südansicht des ehemaligen Werkstattgebäudes mit markanter Erschließungsbrücke und aufgestocktem Dachgeschoss

Wohnen

Wohnen in der Glashütte Alt-Stralau in Berlin

Umbau und Aufstockung einer ehemaligen Werkstatt

Sommerhaus auf den Lofoten vor spektakulärer Kulisse

Sommerhaus auf den Lofoten vor spektakulärer Kulisse

Wohnen

Sommerhaus Gravråk in Flakstad

Erweiterung mit vorgefertigten Holzrahmenelementen in extremen klimatischen Bedingungen

Das Kopenhager Stadtgebiet Nordhavn befindet sich im Wandel, vom einstigen Industriehafen zum modernen Wohn- und Geschäftsviertel

Das Kopenhager Stadtgebiet Nordhavn befindet sich im Wandel, vom einstigen Industriehafen zum modernen Wohn- und Geschäftsviertel

Wohnen

Wohnhochhaus The Silo in Kopenhagen

Stahlgewand für industriellen Getreidespeicher

Ostansicht eines Gebäuderiegels nach Plänen der Wiesbadener Christ.Christ Architekten

Ostansicht eines Gebäuderiegels nach Plänen der Wiesbadener Christ.Christ Architekten

Wohnen

Mehrfamilienhäuser in Wiesbaden

Konstruktiver Schallschutz gegen Verkehrslärm

Ansicht des Ensembles mit dem Anbau von der Gräfstraße

Ansicht des Ensembles mit dem Anbau von der Gräfstraße

Wohnen

Philosophicum in Frankfurt am Main

Umgestaltung eines Baudenkmals der Nachkriegsmoderne

Insgesamt elf Solitäre bilden das Ensemble der Wohnsiedlung Escherpark, die 127 neue Wohnungen aufnehmen

Insgesamt elf Solitäre bilden das Ensemble der Wohnsiedlung Escherpark, die 127 neue Wohnungen aufnehmen

Wohnen

Wohnsiedlung Escherpark in Zürich

Vertikale Holzverschalung mit Brandriegeln

Nordostfassade des Altbaus am Fondamenta San Giobbe in Venedig

Nordostfassade des Altbaus am Fondamenta San Giobbe in Venedig

Wohnen

Apartment San Giobbe +160 in Venedig

Betonwanne schützt vor Hochwasser

Weithin sichtbar überragen die Hochhäuser ihre Nachbarn, nach der Sanierung jedes in einer eigenen Farbe (Südostansicht)

Weithin sichtbar überragen die Hochhäuser ihre Nachbarn, nach der Sanierung jedes in einer eigenen Farbe (Südostansicht)

Wohnen

UWS-Wohnhochhäuser in Ulm

Modernisierung von drei Punktbauten der 1960er-Jahre

Haus 5-6: Eingangsseite von Haus 5 mit nach Norden gerichteten Gemeinschaftsräumen

Haus 5-6: Eingangsseite von Haus 5 mit nach Norden gerichteten Gemeinschaftsräumen

Wohnen

Studentendorf Schlachtensee in Berlin

Denkmalgerechte Modernisierung

Von Westen: Der Bestand am Hang wurde aufgestockt und erhielt einen eingeschossigen Erker

Von Westen: Der Bestand am Hang wurde aufgestockt und erhielt einen eingeschossigen Erker

Wohnen

Wohnhausaufstockung in Bochum

Flachdach ersetzt Satteldach

Blick auf das Maag-Areal von Westen mit dem Zölly Wohnhochhaus (rechts), dem Prime Tower (Mitte) und dem Mobimo Tower (links)

Blick auf das Maag-Areal von Westen mit dem Zölly Wohnhochhaus (rechts), dem Prime Tower (Mitte) und dem Mobimo Tower (links)

Wohnen

Zölly Wohnhochhaus in Zürich

Tragende Fassade aus Betonfertigteilen mit Schaumglas-Kerndämmung

Die Häuser stehen auf einem Sockel entlang der neu angelegten Straße Am Lokdepot gegenüber von backsteinernen Lagerhallen

Die Häuser stehen auf einem Sockel entlang der neu angelegten Straße Am Lokdepot gegenüber von backsteinernen Lagerhallen

Wohnen

Wohnhäuser Am Lokdepot in Berlin

Roter Sichtbeton, rote Aluminiumfenster, feuerwehrrote Stahlkonstruktionen

Im Rahmen der Hamburger IBA 2013 wurde unter anderem  der wenig besiedelten und wenig beliebte, aber immerhin 35 Quadratkilometer große Stadtteil Wilhelmsburg entwickelt

Im Rahmen der Hamburger IBA 2013 wurde unter anderem der wenig besiedelten und wenig beliebte, aber immerhin 35 Quadratkilometer große Stadtteil Wilhelmsburg entwickelt

Wohnen

Wohnhäuser Holz 5 1/4 in Hamburg

Innovativer Brandschutz für Holzmassivbau

Jeweils vier Wohnhäuser fassen einen gemeinsamen Hof mit Terrassendeck

Jeweils vier Wohnhäuser fassen einen gemeinsamen Hof mit Terrassendeck

Wohnen

Studentendorf Adlershof in Berlin

Kalksandstein-Mauerwerk und Holzrahmenbauelemente