Geschichtliche Entwicklung der Fliesen
Im Orient wurden bereits ca. 2000 v. Chr. die aus luftgetrockneten oder gebrannten Ziegeln erbauten Häuser mit Bodenbelägen aus Ziegelfliesen geschmückt. Durch die Römer fanden keramische Fußböden Verbreitung und wurden auch nördlich der Alpen bekannt. Die Anwendungsbereiche gingen vom einfachen Belag in untergeordneten Räumen bis zu beheizbaren Bodenbelägen aus Ziegelfliesen in Wohnräumen und Thermen. Mit dem Untergang des römischen Reiches geriet der keramische Bodenbelag mehr und mehr in Vergessenheit.
Gallerie
Kalkmörtel- und Gipsestriche waren schon in römischer Zeit
bekannt. Sie wurden später in der Regel statt keramischer Beläge in
fränkische und karolingische Kirchen eingebracht. Diese Art
Bodenbeläge hielt sich bis in das hohe Mittelalter. Aus dem 12. und
13. Jahrhundert sind inkrustierte Estriche
bekannt. Die Zeichnungen wurden in den erhärteten Estrich
eingeritzt und die Vertiefungen mit eingefärbtem Mörtel gefüllt.
Der vermutlich älteste Belag dieser Art liegt in der
Benediktinerkirche von Helmstedt und stammt aus der Zeit um
1150.
Erst seit Beginn des 12. Jahrhunderts fand die Keramik neben
oder mit Naturstein als Bodenbelag vor allem in Sakralräumen
Verwendung. Gründe dafür liegen u.a. in den Kreuzzügen, die als
Begleiterscheinung einen kulturellen und wirtschaftlichen Austausch
zwischen Orient und Abendland mit sich brachten. Über die heutigen
Gebiete Frankreichs und Englands drangen die keramischen
Bodenbeläge zum zweiten Mal nach Deutschland. Diese Böden des hohen
Mittelalters zeigen oft eine besondere Beziehung zum Orient und
erinnern an neben- und übereinandergelegte orientalische Teppiche.
Vielfältige Formate und Fliesen aus unterschiedlich farbigen Tonsorten
bilden dabei flächige Muster, die meist auf einfachen geometrischen
Formen wie Kreise oder Quadrate beruhen.
Der Kreis spielte in Sakralräumen eine besondere Rolle. Ein schönes
Beispiel für keramische Kreisornamente ist der Schmuckfußboden in
der Pfarrkirche Sankt Pankratius in Königswinter-Oberpleis. Der
leicht verzogene quadratische, von einer Bordüre eingefasste,
keramische „Teppich“ zeigt durch Kreissysteme gebildet ein
schematisches Kosmosbild.
Spezialisten in der Fertigung mittelalterlicher Fliesen arbeiteten
vor allem in Frankreich und England. Es gab eine Vielfalt von
Dekorationsmöglichkeiten, zum Beispiel mittels Malhorn bemalte und
ornamentierte Bodenfliesen. Die Relieffliese konnte mittels
Negativmodel mit eingekerbtem Ornament im Gieß- und Pressverfahren
hergestellt werden. Fliesen mit vertiefter Prägung wurden im
Kerbschnitt- oder im Pressverfahren mit einem Stempel oder mehreren
Stempeln gefertigt. Bei den inkrustierten Fliesen füllten die
Keramiker die vertieft geprägten Motive mit andersfarbig brennendem
Tonschlicker. Zum Teil wurden die vertieft geprägten Motive auch
vom Verleger mit Mörtel verfüllt.
Insgesamt sind nur wenige mittelalterlichen Fliesenböden erhalten,
heutige Kenntnisse entstanden oft durch die Darstellungen von
Fliesenbelägen auf Kirchenfenstern oder Gemälden.
Die damalige Vielfalt der Herstellungsprozesse wurde durch die
Weiterentwicklungen bis in die heutige Zeit noch erheblich
gesteigert. Keramische Baustoffe bildeten die unterschiedlichsten
Wandbekleidungen und Bodenbeläge über die letzten Jahrtausende
hinweg, sie sind bis heute fester Bestandteil des aktuellen
Baugeschehens.