Geschichtliche Entwicklung der Fliesen

Im Orient wurden bereits ca. 2000 v. Chr. die aus luftgetrockneten oder gebrannten Ziegeln erbauten Häuser mit Bodenbelägen aus Ziegelfliesen geschmückt. Durch die Römer fanden keramische Fußböden Verbreitung und wurden auch nördlich der Alpen bekannt. Die Anwendungsbereiche gingen vom einfachen Belag in untergeordneten Räumen bis zu beheizbaren Bodenbelägen aus Ziegelfliesen in Wohnräumen und Thermen. Mit dem Untergang des römischen Reiches geriet der keramische Bodenbelag mehr und mehr in Vergessenheit.

Das sogenannte Deësis-Mosaik in der Hagia Sophia in Istanbul aus dem 12. Jahrhundert zeigt Christus als Pantokrator (Weltenherrscher)
Keramikgemälde an der gotischen Kathedrale von Valencia, es zeigt San Vicente Ferrer, den Schutzpatron der Stadt
Istanbul, Topkapi Sarayi, Wandfliese, Mitte des 17. Jahrhunderts: Korallenrot als Aufglasurfarbe. Diese Dekoration erforderte drei Brände der Fliesen (Schrüh-, Glatt- und Muffelbrand)

Kalkmörtel- und Gipsestriche waren schon in römischer Zeit bekannt. Sie wurden später in der Regel statt keramischer Beläge in fränkische und karolingische Kirchen eingebracht. Diese Art Bodenbeläge hielt sich bis in das hohe Mittelalter. Aus dem 12. und 13. Jahrhundert sind inkrustierte Estriche bekannt. Die Zeichnungen wurden in den erhärteten Estrich eingeritzt und die Vertiefungen mit eingefärbtem Mörtel gefüllt. Der vermutlich älteste Belag dieser Art liegt in der Benediktinerkirche von Helmstedt und stammt aus der Zeit um 1150.

Erst seit Beginn des 12. Jahrhunderts fand die Keramik neben oder mit Naturstein als Bodenbelag vor allem in Sakralräumen Verwendung. Gründe dafür liegen u.a. in den Kreuzzügen, die als Begleiterscheinung einen kulturellen und wirtschaftlichen Austausch zwischen Orient und Abendland mit sich brachten. Über die heutigen Gebiete Frankreichs und Englands drangen die keramischen Bodenbeläge zum zweiten Mal nach Deutschland. Diese Böden des hohen Mittelalters zeigen oft eine besondere Beziehung zum Orient und erinnern an neben- und übereinandergelegte orientalische Teppiche. Vielfältige Formate und Fliesen aus unterschiedlich farbigen Tonsorten bilden dabei flächige Muster, die meist auf einfachen geometrischen Formen wie Kreise oder Quadrate beruhen.

Der Kreis spielte in Sakralräumen eine besondere Rolle. Ein schönes Beispiel für keramische Kreisornamente ist der Schmuckfußboden in der Pfarrkirche Sankt Pankratius in Königswinter-Oberpleis. Der leicht verzogene quadratische, von einer Bordüre eingefasste, keramische „Teppich“ zeigt durch Kreissysteme gebildet ein schematisches Kosmosbild.

Spezialisten in der Fertigung mittelalterlicher Fliesen arbeiteten vor allem in Frankreich und England. Es gab eine Vielfalt von Dekorationsmöglichkeiten, zum Beispiel mittels Malhorn bemalte und ornamentierte Bodenfliesen. Die Relieffliese konnte mittels Negativmodel mit eingekerbtem Ornament im Gieß- und Pressverfahren hergestellt werden. Fliesen mit vertiefter Prägung wurden im Kerbschnitt- oder im Pressverfahren mit einem Stempel oder mehreren Stempeln gefertigt. Bei den inkrustierten Fliesen füllten die Keramiker die vertieft geprägten Motive mit andersfarbig brennendem Tonschlicker. Zum Teil wurden die vertieft geprägten Motive auch vom Verleger mit Mörtel verfüllt. Insgesamt sind nur wenige mittelalterlichen Fliesenböden erhalten, heutige Kenntnisse entstanden oft durch die Darstellungen von Fliesenbelägen auf Kirchenfenstern oder Gemälden.

Die damalige Vielfalt der Herstellungsprozesse wurde durch die Weiterentwicklungen bis in die heutige Zeit noch erheblich gesteigert. Keramische Baustoffe bildeten die unterschiedlichsten Wandbekleidungen und Bodenbeläge über die letzten Jahrtausende hinweg, sie sind bis heute fester Bestandteil des aktuellen Baugeschehens.

Quelle: Wilhelm Joliet, Königswinter

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