Partikel-Therapie-Zentrum in Marburg

Geschickt gewähltes Licht- und Farbkonzept hinter meterdicken Betonmauern

Mit Protonen und Kohlenstoffionen lassen sich schwer zugängliche Tumore bestrahlen und auf diese Weise zerstören. Diese Partikeltherapie genannte Behandlungsmethode ist weltweit nur an wenigen Standorten möglich – einer davon befindet sich auf den Lahnbergen östlich der hessischen Stadt Marburg. In direkter Nachbarschaft zum Universitätsklinikum und dem Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie wurde das Partikel-Therapie-Zentrum Marburg inmitten eines Mischwaldes errichtet. Die Planung für den Neubau übernahm das Büro Hammeskrause Architekten aus Stuttgart.

Gallerie

Die ambulante, medizinische Einrichtung ist mit einer Fläche von 100 x 70 Metern fast so groß wie ein Fußballfeld. Den Patienten zeigt sie sich von ihrer Ostseite als breiter, lang gestreckter eingeschossiger Riegel. Die Glasfront über diese gesamte Ostfassade ist von einem Betonrahmen mit schrägen Laibungen eingefasst. Gen Westen staffelt sich das Gebäude und wird immer höher, hier sind die fensterlosen Technikbauten untergebracht. Die hinter meterdicken Betonmauern liegende Strahlentherapietechnik versuchten die Planer, so weit wie möglich aus dem Blickfeld der Patienten zu rücken. Mit dem großen, davorliegenden flachen Riegel, der ca. die Hälfte der Grundrissfläche einnimmt, ist ihnen das gelungen. Ansonsten ist die Grundrissstruktur den spezifischen Abläufen der Therapie und den technischen Notwendigkeiten der Strahlenerzeugung angepasst.

Ein langer Betonsteg führt den ankommenden Patienten von der Zufahrtsstraße zum Eingang, der zentral im Riegel angeordnet wurde. Über seine raumhohe Glasfront gelangen die Patienten vorbei an der Ambulanz in das Foyer. Nach der Anmeldung werden sie in die Umkleidekabinen gebracht, anschließend in die dahinter liegenden Immobilisierungsräume und auf die Behandlung vorbereitet. Dazu gehört auch das Fixieren und die anschließende Beförderung in einen der vier Bestrahlungsräume, die sogenannten Caves. Diese liegen aneinandergereiht im rückwärtigen Teil des Gebäudes, abgeschirmt hinter vier Meter dicken Betonmauern und haben schneckenförmige Grundrisse. Während der Behandlung befindet sich der Patient auf einem robotergesteuerten Lagerungstisch.

Neben den Caves befindet sich, ebenfalls eingebettet in meterdicken Betonwänden und -decken, das Herzstück der Prozesstechnik: der ringförmige Teilchenbeschleuniger. Er treibt die aus Wasser- und Kohlenstoffionen erzeugten Atome mithilfe starker Elektromagnete auf 80% der Lichtgeschwindigkeit an. Der erzeugte Strahl wird dann in einen der vier Behandlungsräume weitergeleitet und auf das Gewebe des Patienten gerichtet. Dort fügen die Partikel den Zellen irreparable Schäden zu. Die Bestrahlung ist sehr präzise, umliegendes gesundes Gewebe wird verschont. Die Wandecke, auf die der Strahl trifft, ist als „Strahlenfalle“ ausgebildet. Bis zu 2,30 Meter dick und aus Eisenkiesbeton mit extrem hoher Rohdichte bestehend, wird die „Falle“ von Wandungen aus Abschirmbeton ummantelt. Die gesamte Technik, wie die armdicken Kabelstränge, Abschirmwände, Lüftungskanäle und Entrauchungsglocken sind hinter metallischen Vorsatzschalen versteckt. Im Obergeschoss befindet sich der Serverpark, der die Regelung und Steuerung der gesamten Technik übernimmt.

Beleuchtungskonzept
Je mehr sich die Räume aus therapeutischen Gründen verengen, desto mehr versuchten die Planer die Atmosphäre mit Licht, Farbe und einer offenen Möblierung im positiven Sinne zu beeinflussen. Im Gebäude angekommen, führt eine sonnengelbe Wand den Patienten ins Foyer. Ein bandartiges geschwungenes Holzmöbel schlängelt sich durch den Raum und nimmt sowohl die Empfangstheke als auch eine Liege- und Spiellandschaft auf. Zwölf kreisrunde Oberlichter mit einem Durchmesser von 2,40 Metern filtern und verteilen das Tageslicht im Inneren. Ihre filigranen Sonnenschutzblenden werfen bei seitlich einfallendem Sonnenlicht feine Schattenmuster auf den Boden. Zwischen diesen Oberlichtern wurden ebenfalls runde, wesentlich kleinere Deckenleuchten platziert. Sie sorgen dafür, dass der Raum zu jeder Tageszeit ausreichend belichtet ist. Zusammen mit der gewundenen Inneneinrichtung verleihen sie dem Foyer eine gewisse Dynamik.

Auf seinem Weg in die Caves durchfährt der Patient bereits auf dem Rücken liegend die Flure und Zugänge. Da er hier permanent nach oben schaut, tauchen silbergraue Fluter die Decken und oberen Wandabschnitte in ein angenehm warmes Licht. Die schneckenförmigen Zugänge, welche die Flure mit den Caves verbinden, sind mit gelben und mintfarbenen Metalltafeln verkleidet. Laut Planern sollen sie Wärme und Geborgenheit suggerieren. Eine in Kopfhöhe installierte Lichtleiste mit Up- und Downlights begleitet den Patienten in den Bestrahlungsraum. Eine Magnetschleife in der Wand sorgt dafür, dass die Patientenliege nirgends anstößt und alles möglichst reibungslos verläuft. Leuchtschienen zwischen Decke, Boden und Wand tauchen die Caves in ein atmosphärisches Licht und versuchen so, die Behandlung so erträglich wie möglich zu machen. -kt

Bautafel

Architekten: Hammeskrause Architekten, Stuttgart
Projektbeteiligte: Weiske + Partner Beratende Ingenieure VBI , Stuttgart (Tragwerksplanung); Müller und Bleher, Radolfzell (Elektroplanung); ehemals JMP Jaeger, Mornhinweg + Partner, Stuttgart (HLS-Planung); Hentschke Bau, Ichtershausen (Bauunternehmer); XAL, Graz (Beleuchtung, Bestrahlungsraum); Trilux, Arnsberg (Beleuchtung Büros); Knauf Gips, Iphofen (Deckensysteme, Akustikdecken); Siemens Healthcare Diagnostics Products, Marburg (Bestrahlungstechnik)
Bauherr: Rhön Klinikum, Bad Neustadt an der Saale
Fertigstellung: 2009
Standort: Baldinger Straße in 35043 Marburg
Bildnachweis: Stefan Müller-Naumann, München

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