Hôtel des Horlogers in Le Brassus
Nachhaltig in Planung und Betrieb
Dichter Fichtenwald, endlose Gebirgsketten, malerische Bergseen – das beschauliche Hochtal Valleé de Joux im Schweizer Jura ist nicht nur landschaftlich, sondern auch geschichtlich reizvoll: Die Region blickt auf eine über zwei Jahrhunderte alte Uhrmachertradition zurück, die bis heute in der Region Bestand hat. Im Laufe der Geschichte hatte sich ein wichtiger Handelsweg zwischen dem Tal und Genf entwickelt, wo die im Valleé de Joux hergestellten Uhren verkauft wurden. Eine bedeutende Station auf dem sogenannten Uhrmacherweg (frz.: Chemin des Horlogers) bildete das 1857 gegründete Hôtel de France in Le Brassus. Nachdem das dänische Architekturbüro Bjarke Ingels Group (BIG) in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Büro CCHE bereits das 2020 eröffnete Museum der Uhrenmanufaktur Audemars Piguet in unmittelbarer Nachbarschaft entwarf, wurden die beiden Büros anschließend mit der Aufgabe betraut, ein neues Hotel an der Stelle des historischen Gasthauses zu gestalten.
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Evolution der Hoteltypologie
Seit 2022 schlängelt sich das ungewöhnliche Hôtel des Horologers, zu Deutsch Hotel des Uhrmachers mit markanter Holz-Glas-Fassade vom Straßenniveau aus sanft im Zickzack das Tal hinab. Die zentrale Entwurfsidee ist denkbar einfach, aber ausgeklügelt: Ausgehend von der typischen Hoteltypologie mit gestapelten Geschossplatten und einem zentralen Flur samt Erschließungskern wurde diese Idee weiterentwickelt: Der Topografie der Umgebung folgend, wurden die fünf Geschossplatten jeweils versetzt nach außen Richtung Tal gerückt und so zueinander geneigt, dass ein kontinuierliches, rampenartiges und terrassiertes Ensemble entstand. Im Ergebnis bildet die Gebäudestruktur optisch und strukturell eine Einheit mit dem Ort und seinen natürlichen Gegebenheiten. Ebenso erhalten dadurch alle der insgesamt 50 Suiten mit ihren großformatigen Öffnungen einen freien Blick auf den Wald von Risoud und die innere Durchwegung verläuft fließend.
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Natur und Architektur im Einklang
Die Geschossplatten bestehen aus Beton, außenseitig überlagern
lokale Materialien wie Holz und Naturstein die Struktur und lassen
das Gebäude harmonisch mit dem Gesamtbild der Natur verschmelzen.
Die großen Fenster erlauben einerseits Blicke in die Umgebung,
andererseits werden gezielte Blickbezüge in die Innenräume
zugelassen und der Übergang zwischen innen und außen verschwimmt.
Die rampenartigen, begrünten Dächer ermöglichen, das Hotel von
außen kontinuierlich zu begehen. Die straßenseitige Fassade ist
weitaus introvertierter und weist eine Fassadenverkleidung aus
schmalen, vertikalen Holzlatten auf. Die Lobby ist mit einer
Glasfassade abgeschlossen, vor der horizontale Holzlamellen als
Sicht- und Sonnenschutz montiert wurden.
Neben den Zimmern bietet das Hotel ausgezeichnete Gastronomieeinrichtungen – ein Restaurant und eine Brasserie – in denen Speisen von einem Dreisternekoch angeboten werden. Eine Bar, ein Spa- und Wellnessbereich, ein Fitnessraum sowie zwei modern ausgestattete Tagungs- und Veranstaltungsräume runden das Angebot für die Gäste ab.
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Hotelneubau erreicht Minergie-ECO Zertifizierung
Das Bestreben der Hotelbetreibenden war eine möglichst nachhaltige Planung und ein energieeffizienter Betrieb. Neben den lokalen Materialien für den Bau wurde zudem die Gebäudetechnik unter diesen Gesichtspunkten geplant: Warmwasserversorgung und Heizung erfolgen über eine Fernwärme-Holzheizungsanlage; das Gebäude ist überdies mit 86 Photovoltaik-Paneelen ausgestattet und verfügt über hauseigene Ladestationen für E-Autos und E-Fahrräder. Damit erfüllt das Gebäude die strengen Vorgaben für eine Schweizer Minergie-ECO Zertifizierung. Im Betrieb tragen ebenfalls bestimmte Entscheidungen der Nachhaltigkeit Rechnung: Möglichst plastikfrei soll der Hotelbetrieb sein, sodass den Gästen biologisch abbaubare Hausschuhe sowie Bleistifte statt Kugelschreiber aus Plastik auf den Zimmern bereitgestellt werden. Bioabfälle sollen außerdem direkt vor Ort recycelt werden.
Modellbasierte Zusammenarbeit über alle Planungsphasen hinweg
Bereits im Wettbewerb und in der Vorenwurfsphase setzten die beteiligten Büros ihr BIM-Planungsprogramm und weitere digitale Tools für erste Modelle ein, die – im Sinne einer Single Source of Truth – durchgehend für die nachfolgenden Entwurfsschritte verwendet wurden. Damit stand eine wertvolle Entscheidungshilfe für die Durcharbeitung des endgültigen Entwurfs zur Verfügung und eine exakte, modellbasierte Kostenschätzung war möglich. Um den Arbeitsaufwand für die Erstellung der frühen Modelle gering zu halten, wurden diese nur so detailliert wie nötig modelliert. Erst mit der endgültigen Entscheidung für eine Entwurfsidee und der Beauftragung des Projekts folgte die detaillierte Durcharbeitung des Architekturmodells.
Gemeinsame Koordination an zwei Bürostandorten
CCHE haben mit BIG von der Entwicklungsphase bis zur Inbetriebnahme des Gebäudes Hand in Hand zusammengearbeitet, auch bei der Entwicklung der BIM-Elemente. Federführend erarbeiteten BIG am Standort New York die Entwurfsplanung bis zur Baugenehmigung; für die Bauausführung und Bauüberwachung war CCHE hauptverantwortlich. Beide Büros arbeiteten dabei mit dem BIM-Planungsprogramm Revit. Die Koordination der Fachmodelle aus den eingebundenen Fachplanungen erfolgte gemeinsam. Zum Projektteam bei BIG gehörte ein versierter BIM-Manager, der die modellbasierte Planung und den Datenaustausch in enger Absprache mit CCHE steuerte. Als übergreifende Austauschplattform nutzten die beteiligten Architektur- und Fachplanungsbüros BIM 360. Zum Zeitpunkt der ersten Planungen im Jahr 2016 sei die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Projektplattformen jedoch noch nicht so weit fortgeschritten gewesen wie heute, stellen die Büros heraus.
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BIM erleichterte die Projektumsetzung maßgeblich
Die Arbeit mit BIM war in diesem Projekt keine Forderung des Bauherrn, sondern eine gemeinsame Entscheidung zur reibungsarmen Umsetzung des komplexen Entwurfs. Die meisten beteiligten Fachplanungsbüros kamen aus der Schweiz, vor allem TGA und Tragwerksplanung nutzten dabei eigene Fachmodelle, die dann koordiniert in das Gesamtmodell einflossen.
Eine modellbasierte Planung war darüber hinaus für das Verständnis des Entwurfs und seine Umsetzbarkeit wesentlich: Die sich den Hang hinabwindende Bewegung der Geschosse hätte sich 2D-basiert nicht oder nur mit viel Aufwand transportieren lassen – etwa dem Auftraggeber gegenüber, der dank der 3D-Planung die Gebäudegeometrie in der Planungsphase sowie die Bauabläufe in der Realisierungsphase nachvollziehen konnte. Außerdem wurden die umfangreichen Fachplanungen mit der modellbasierten Planung aufgrund der hohen Komplexität der Gebäudestruktur erheblich erleichtert. –tw
Bautafel
Architektur: BIG Bjarke Ingels Group, New York (Entwurf); CCHE (Ausführung), Lausanne
Projektbeteiligte: AUM, Tassin-la-Demi-Lune (Innenarchiektur); ADV Constructions, Penthalaz (Tragwerk); Ingphi, Lausanne (Statikbüro, Holzbau und Geotechnik); MAB-Ingenierie, Morges (Elektroplanung); Chuard, Le Mont-sur-Lausanne, Sorane, Ecublens (Gebäudetechnik und Bauphysik); Duchain, Villars-sur-Glâne (Sanitärplanung); Thorens & Associés, Le Brassus (Vermessungsingenieure); EcoAcoustique, Lausanne (Akustikplanung); BCS, Neuchâtel (Fassadenplanung); Ignis Salutem, St-Lögier-La Chiésaz (Sicherheitstechnik); Alterego Concept, Petit-Lancy (Umwelttechnik); Orllati, Bioley-Orjulaz (Erdbau Talrampe, Abbruch, Spezialarbeiten Hang); Jean Pitteloud, Montreux (Küchenplanung)
Bauherr/in: Manufacture d’horlogerie Audemars Piguet, Le Brassus
Fertigstellung: 2022
Standort: Route de France 8, 1348 Le Brassus, Schweiz
Bildnachweis: Maris Mezulis; BIG, New York
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