New Delft Blue
Keramikfliesen aus dem Drucker
Die Stadt Delft ist bekannt für ihre jahrhundertealte Tradition kunsthandwerklicher Keramik: Das sogenannte Delfter Blau mit dem typischen blauen Dekor auf weißem Grund entstand Ende des 16. Jahrhunderts als preiswerte Alternative zum chinesischen Porzellan. Üblicherweise stellen die feinen Zeichnungen Naturszenen dar. Heute produziert nunmehr eine einzige Fabrik das Delfter Blau in ungebrochener Tradition. Als Hommage an diese Geschichte entwickelte Studio RAP 3D-gedruckte Wandfliesen aus Keramik – dessen dreidimensionale Erhebungen und Reliefs auf die Hügel und Landschaften des Delfter Blaus verweisen.
Gallerie
Porzellan für die Wände
Seit 2023 zieren die Wandfliesen zwei Torbögen, die in den
Innenhof des Delfter Wohnkomplexes PoortMeesters vom
Architekturbüro VY Architects führen. Rund 3.000 Fliesen – von
denen keine der anderen gleicht – bedecken die zwei Durchgänge mit
Abmessungen von vier Metern Breite, acht Metern Höhe und zwölf
Metern Länge. In ihrer Gesamtheit ergeben die Keramikelemente
organische, plastische Blattmuster. Konzeptionell wurde die Abfolge
der Elemente von einem Delfter-Blau-Teller abgeleitet: Ein
dekoratives Muster am Tellerrand umrahmt in der Regel eine
idyllische Szene in der Tellermitte. Übertragen auf das Gebäude,
bildet der Torbogen mit den blauen Fliesen den dekorativen Rahmen
für den Blick in den begrünten Innenhof.
Gallerie
Die Keramikelemente haben je eine Größe von etwa 40 mal 30
Zentimetern und sind mit einer blauen Glasur überzogen. Die
reflektierende Oberfläche bricht das Licht je nach Perspektive
unterschiedlich, wodurch die Fliesen farblich changieren. Innerhalb
des starken Reliefs bildet sich außerdem ein Farbverlauf, von
hellblau auf den konvexen Teilen, während Glasur-Ansammlungen in
den konkaven Bereichen ein tiefes Blau ergeben.
Gallerie
Algorithmisch entworfen, additiv gefertigt
Form und Anordnung der Fliesen haben die Beteiligten von Studio
RAP algorithmisch entworfen. Der Gesamtprozess vereint die
fortschrittliche Technik des computergestützen, generativen Designs
mit dem handwerklichen Prozess der Glasur. Inspiriert von den
Darstellungen auf Delfter Blau Keramik entwickelten sie ein
organisches Blattmuster, das je nach Laufrichtung und Lichteinfall
seine Wirkung ändert. Die Blütenblätter variieren in Größe und
Anordnung und bilden eine fließende Bewegung, die Passanten beim
Ein- oder Austritt des Hofs begleiten. Bei der Formfindung wurden
auch fertigungsbedingte Einschränkungen miteinbezogen, etwa die
maximal möglichen Überstände beim 3D-Druck, die Schrumpfung des
Materials nach der Trocknung sowie eventuelle interne
Stützstrukturen.
Gallerie
Studio RAP druckte die Keramikfliesen In-House. Zum Einsatz kam dafür ein Roboter mit Extruder, der die Fliesen exakt nach Vorgabe der digitalen Konstruktionsdaten im Additiven Fertigungsverfahren Schicht für Schicht druckte. Durch diesen gänzlich digitalen Entwurfs- und Fertigungsprozess seien laut Studio RAP Anpassungen und Veränderungen innerhalb des Prozesses zu jeder Zeit möglich gewesen und die Kontrolle über das Ergebnis größer, als bei herkömmlichen Fertigungsarten. -si
Bautafel
Architektur Wandfliesen: Studio RAP, Rotterdam
Architektur Wohnkomplex: VY Architects (Vera Yanovshtchinsky), Den Haag
Projektbeteiligte: Koninklijke Tichelaar, Makkum (Glasuren und Brennen); Kooistra Geveltechniek, Boalsert (Montage); Lomax Systems, Belfeld (Unterkonstruktion); Kuka, Augsburg u.a. (Roboter)
Bauherr: BPD (Bouwfonds Property Development), Ballast Nedam Development/Bau West
Fertigstellung: 2023
Standort: Industriestraat 3, 2624 BB Delft, Niederlande
Bildnachweis: Riccardo De Vecchi (Fotos); Studio RAP (Plan); Oculus Film (Video)
Fachwissen zum Thema
Baunetz Wissen Integrales Planen sponsored by:
Graphisoft Deutschland GmbH
Landaubogen 10
81373 München
Tel. +49 89 74643-0
https://graphisoft.com